Harmonisch schieben sich die beiden Körper übers Parkett. Dann wirft der Mann im schwarzen Tanzdress plötzlich die Hand hoch, mit der andern reißt er die hochhackige Schöne neben sich blitzschnell um die eigene Achse. Dabei schaut er gebieterisch, fast wie im Triumph. Seine schlanke Partnerin wirbelt im Flitterlook strahlend davon. Expressive Mimik und Gestik sowie eine akkurate Körperhaltung waren im Tanzsport stets Pflicht. Die Körpersprache wird jedoch immer wichtiger, wie ein Kongress der Tanzsport-Trainer-Vereinigung (TSTV)-im Regentenbau belegt.
200 Tanztrainer kamen am Montag für eine Woche hierher zum Sommer-Kongress, um zu erfahren, wie sie ihren Schützlingen eine ausdrucksstarke Körpersprache beibringen können. Das Thema zieht sich durchs ganze Veranstaltungsjahr, sagt Sony Schöneberger, der Präsident der Tanzsport-Trainer-Vereinigung. „Es ist wichtig, eine Qualitätssteigerung beim Tanzen zu erreichen.“
Nachdem das Augenmerk von Wettkampfrichtern früher nahezu ausschließlich auf der sauberen technischen Ausführung der Figuren lag, ist das heute neben der körperlichen Fitness nur die Grundvoraussetzung für einen guten Tanz, so Schöneberger weiter. Der Begriff Körpersprache impliziere jedoch wesentlich mehr: Körperanspannung, Mimik, Gestik und Emotionen. Das alles werde bei der Darbietung immer wichtiger.
Was die Trainer in Bad Kissingen mitnehmen sollen, beschreibt Schöneberger so: „Man muss auf dem Tanzparkett Stimmung erzeugen und an den Zuschauer weitergeben.“ Ziel ist es dabei, neue Wege im Tanzsport zu beschreiten und so eine weitere Variante des Tanzens zu entwickeln.
Nach Schönebergers Ansicht kein leichtes Unterfangen, denn die Körpersprache besteht nicht nur aus Mimik, Gestik und Körperhaltung – äußerliche Fähigkeiten, die man sich antrainieren kann. An den Zuschauer sollen auch die Gefühle während des Tanzes und die Harmonie der Tanzpartner mit der Musik herangetragen werden. Alles Dinge, die subjektives Empfinden und eigene Interpretation voraussetzen. Freilich kann man aber die Grundlagen, wie man sich als Tänzer am besten präsentiert, erlernen, sagt der erfahrene Tanzsportlehrer. Darüber hinaus gibt es natürlich auch Tricks und Kniffe, die man bei dem Kongress als Rüstzeug mitbekommt.
Doch was ist die graue Theorie ohne die Praxis. Der Tänzer allein kreiert auf dem Parkett die Interpretation des Gehörten. Er ist derjenige, der die theoretischen Beschreibungen aus dem Lehrbuch auf seine ganz persönliche Art umsetzt. Erst wenn sich sein Empfinden in den tänzerischen Figuren widerspiegelt, verleiht er dem Tanz eine eigene Note und entwickelt seinen einzigartigen Stil, weiß Schöneberger aus Erfahrung.
Dazu gehört auch der Umgang mit der Musik und die Frage danach, was sie für einen bestimmten Tanz hergibt und wie man ihr Potenzial ganz ausschöpfen kann. Genau hier liegt dann laut Schöneberger auch der Reiz für den Zuschauer: Der Tanz wirkt nicht statisch oder steril, sondern wie ein Stück gelebtes Selbst des Tänzers. „Das Zuschauen wird zum Erlebnis.“
Um diesen Prozess anzustoßen. werden die Teilnehmer in Bad Kissingen von bekannten Stars der Szene, wie Roberto Albanese („Let's Dance“) und Geoffrey Hearn, angeleitet. Letzterer ist mit zwei seiner kürzlich erschienenen Bücher Vorreiter auf dem neu erschlossenen Gebiet der Körpersprache. Abgesehen von der Theorie, die in seinen Werken fixiert ist, liegt der Schwerpunkt auf der praktischen Umsetzung seiner Ideen.
Bei den Seminaren in Bad Kissingen werden nun die Trainer in der Ausdrucksstärke geschult. Laut Präsident sollen künftig aber auch Wettkampfrichter unter diesen neuen Aspekten ausgebildet werden. So werde das Thema Körpersprache innerhalb des Deutschen Tanzsportverbandes weiter verbreitet und irgendwann allen auf dem Tanzparkett in Fleisch und Blut übergehen.