950 Kilometer, 19 Regentage, 20 Kilogramm und ein Brett. Auf seinem Longboard hat Jonas Martin halb Deutschland durchquert. Der 20-Jährige ist in drei Wochen von Sylt in seine Heimatstadt Bad Kissingen gerollt. Bis zu zwölf Stunden stand er täglich auf seinem Board, einem längeren Vorgängermodell des Skateboards. Auf seiner Reise hat er sieben Kilogramm verloren, ist er der Liebe begegnet und hat am Ende eine Wette gewonnen.
Nicht immer aber lief alles glatt. Der Sturz kam gleich am zweiten Tag. Martin hatte einen Stein übersehen, kam mit dem 20 Kilo schweren Rucksack ins Wanken und fiel rückwärts vom Brett. Sein Handgelenk erholte sich schnell. Es sollte aber nicht die letzte Blessur bleiben.
Niemand sei „bekloppt genug“, um das mitzumachen
Schon seit zwei Jahren schwirrte dem 20-Jährigen diese Tour im Kopf herum. Eigentlich wollte Martin das Abenteuer nicht alleine starten. Aber: „Ich habe niemanden gefunden, der bekloppt genug ist und das mitmacht“, sagt er und lacht. Die Begeisterung seiner Mutter hielt sich ebenso in Grenzen. Trotzdem ließ er sich nicht von der Idee abbringen und am Wochenende des Rakoczy-Festes sollte es losgehen. Doch wie bereitet man sich auf so einen Trip vor?
Martin ist „schon ewig“ Skateboarder. Auf dem Longboard – das länger ist, breitere Rollen und einen größeren Achsabstand als ein Skateboard hat – steht er erst seit ein paar Jahren. 50 Kilometer wollte er täglich zurücklegen, einen Monat plante er für seine insgesamt knapp 1000 Kilometer lange Reise ein. Das Training begann, von Münnerstadt bis Bad Kissingen und zurück, auf dem Rücken der Rucksack gefüllt mit Gewichten. „Die ersten zwei Kilometer sind gewöhnungsbedürftig“, sagt der 20-Jährige. Es dauerte, bis er die Balance mit dem schweren Rucksack auf dem Rücken fand. Dann aber ging es los: Martin setzte sich in den Zug Richtung Sylt.
Endstation war die nördlichste Gemeinde Deutschlands: List. Im Gepäck hatte er einen Schlafsack, eine Iso-Matte, das alte Zelt vom Vater, eine Ersatz-Achse für sein Board, eine Dose Nudeln in Tomatensoße, sein Taschenmesser, ein paar Küchenutensilien, Handy, Ersatzhandy und – ganz wichtig – seine Musik. Mit AC/DC und Bon Jovi im Ohr rollt es sich gleich leichter, so Martin.
Apps, Karte und Kompass dienten der Orientierung
Und das am liebsten auf Radwegen. Zur Orientierung nutzte der 20-Jährige verschiedene Apps auf seinem Handy und ganz klassisch: Karte und Kompass. Die Herausforderung: „Man weiß nie, wie weit man kommt“, sagt der gelernte Schreiner. Abends recherchierte er zusammen mit einer Freundin zu Hause die Route für den nächsten Tag, aus der Ferne schickte sie ihm regelmäßig Kartenausschnitte. „Man sollte sich nicht stressen“, meint er, „wenn man nicht gut drauf ist oder es an einem Tag nicht klappt, dann ist das eben so.“
Für Martin ist das Skaten mehr als eine Art der Fortbewegung: „Das ist eine Lebenseinstellung.“ Der 20-Jährige ist ein gelassener Typ. Doch dann kam der Regen. Und der sollte bleiben. Martin hatte die Wahl zwischen trockenen Füßen und mehr Gefühl beim Fahren. Er entschied sich gegen wasserdichte Trekking-Schuhe und für leichte Turnschuhe, mit nassen Folgen. Irgendwann schnipselte er sich seine wasserdichte Decke zurecht und stopfte sie in die nassen Schuhe, damit die Füße trocken blieben. Insgesamt vier Schuhe gingen während des Trips drauf. Mit Rheumapflastern wärmte er sich in der Nacht. 23 Tage war er unterwegs – vier davon ohne Regen.
Er wollte das Abenteuer durchziehen - „Ich habe einen Erfolg gebraucht“
Irgendwo bei Minden (Nordrhein-Westfalen), gute 300 Kilometer vor seinem Ziel, meldete sich seine Achillessehne. Der linke Fuß wurde dick. Aufgeben kam für Martin aber nicht infrage. Nicht nur wegen der Wette, die er mit seiner Mutter abgeschlossen hatte: Wenn er unterwegs hinschmiss, müsste er dem Wunsch seiner Mutter folgen und reiten lernen. Sollte er das Abenteuer durchziehen, bekäme er ein Longboard bezahlt. Zudem ging es dem 20-Jährigen in der Zeit vor der Reise nicht gut. „Ich habe einen Erfolg gebraucht“, sagt er. Auf der Strecke trieben ihn dann nicht nur sein Wille und die Wette an, sondern auch die Begegnungen.
Wenn er sein Lager auf Campingplätzen aufschlug, wurde er regelrecht belagert, erzählt er. Manchmal stoppten Autofahrer, um zu fragen, was er treibe. Jeder wollte wissen, was der Typ mit dem Board und dem Wanderstecken, den er sich zwischenzeitlich gekauft hatte, vor hat. Im Sportgeschäft bekam er „Abenteuer-Rabatt“, in den Absteigen wurde ihm die Kurtaxe erlassen. „Dich lassen wir als Pilger durchgehen“, bekam er zu hören. Und dann war da noch ein Mädchen: Am Anfang seiner Reise haben sie sich an der Küste getroffen und zufällig kommt sie auch aus Unterfranken. Mehr aber mag er nicht verraten.
In den Trip habe er bis zum Schluss ein Monatsgehalt investiert, schätzt Martin. Und sieben Kilogramm hatte er abgenommen, bis er in den Hof seines Elternhauses rollte. Das letzte Stück war besonders anstrengend: Beim Endspurt durch die Rhön musste er viel zu Fuß gehen – die Strecke war zu steil fürs Board. Von dem hat er jetzt erst mal genug.