Der Rückzug aus der aktiven Politik ist nicht gleichbedeutend mit Ruhestand. Ein Beispiel dafür liefert Eduard Lintner, der 2009 nach 33 Jahren als Bundestagsabgeordneter nicht mehr kandidiert hatte. Neben politischen Ämtern im Fachausschuss Außenpolitik der CSU und der Ehrenmitgliedschaft in der Plenarversammlung des Europarats sowie dem unterfränkischen Bezirksvorsitz im Bayerischen Roten Kreuz ist der 67-Jährige beratend für die Kaukasusrepublik Aserbaidschan tätig.
Frage: Wissen Sie, wer Ell und Kikki sind.
Eduard Lintner: Selbstverständlich. Da habe ich mich richtig gefreut. Die haben ihr Lied gut vorgetragen und ja auch schon vorher zum Kreis der Favoriten gezählt.
Was bedeutet der Sieg beim Eurovision Song Contest für Aserbaidschan?
Lintner: Sehr viel. In Deutschland weiß man jetzt, wo Aserbaidschan liegt, und dass die Hauptstadt Baku heißt. Und jetzt muss das Land den Wettbewerb im nächsten Jahr ausrichten. Das wird eine große Herausforderung für Aserbaidschan mit seinen 9,2 Millionen Einwohnern. Da werden sie einiges auf die Beine stellen. Das bedeutet ja auch eine große europaweite Aufmerksamkeit.
Sie sind dort seit ihrem Ausscheiden aus dem Bundestag für . . . . ja, für was eigentlich zuständig?
Lintner: Allgemein formuliert, bemühe ich mich mit meinem Büro in Berlin um die Entwicklung der Zivilgesellschaft in Aserbaidschan. Ich hab' ein Büro in Berlin und zwei Mitarbeiterinnen. Ich bin beratend und auch werbend tätig. Das ist ein Stück Lobbyarbeit. Es geht etwa darum, das Land auf dem Weg in die parlamentarische Demokratie zu begleiten. Man muss mit solchen Ländern Geduld aufbringen, auch in Westeuropa ist die Demokratie nicht über Nacht gekommen. Und man darf nicht vergessen, dass gut 20 Prozent des Landes – es handelt sich um die Region Berg-Karabach – seit dem Krieg von 1992 bis -94 von Armenien widerrechtlich besetzt gehalten wird. Seitdem ist Waffenstillstand. Man spricht von einem „frozen conflict“. Der Konflikt muss aber gelöst werden, wenn die Region zusammenwachsen soll, was ein Segen für alle wäre. Um ein weiteres Beispiel zu nennen, es geht darum, politische Kontakte aufzubauen, zum Beispiel um das Projekt „Nabucco“ zu unterstützen. Das ist der Name für eine Gaspipeline, die bis nach Wien führen soll, an Russland vorbei. Und da gibt es natürlich Widerstand. Aserbaidschan erfüllt zudem die Funktion einer strategisch wichtigen Landbrücke in den mittleren Osten und Zentralasien. Das Land ist islamisch geprägt, aber trotzdem tolerant und gemäßigt und weit weg von irgendeinem Fundamentalismus. Schon von daher ist die Unterstützung sinnvoll.
Macht Ihnen die Arbeit Spaß – und wie lange wollen Sie das noch machen?
Lintner: Wenn sie mir keinen Spaß machen würde, würde ich es nicht tun. Ich bin nicht mehr die ganze Woche in Berlin. Der Wechsel zwischen Land und Großstadt ist aber schon sehr angenehm. Aber auch sonst bin ich viel im Ausland unterwegs. Demnächst auch in Kirgisien. Ich bin jetzt 67, fühle mich noch fit und werde wohl noch eine Weile aktiv sein.
Was mögen Sie besonders an diesem Land, wie oft sind Sie dort?
Lintner: So sechs bis zehn Mal im Jahr. Das nächste Mal zum Länderspiel der Deutschen Fußballnationalmannschaft. Das Land ist auch touristisch besonders reizvoll. Von den elf Klimazonen auf der Welt gibt es in Aserbaidschan neun. Also vom Mittelmeerklima bis zum Hochgebirge. Der Kaukasus ist hier bis zu 6000 Meter hoch. Dazu kommt die reiche kulturelle Vorgeschichte, wie etwa die Zarathustra-Religion. Aserbaidschan mit seinem Öl- und Gasreichtum heißt nicht von ungefähr übersetzt „Land des Feuers“. Baku – die Stadt der Winde – ist eine echte Boomtown mit einer, zugegeben, waghalsigen Architektur.
Wenn man in das Land reist, auf welche Sitten und Gebräuche muss man besonders achten?
Lintner: Nur die grundsätzlichen Dinge, die in jedem islamischen Land üblich sind. Die Leute sind enorm aufgeschlossen und gastfreundlich. Die Deutschen genießen ein sehr hohes Ansehen. Ein auch touristisch höchst interessantes Land. Wer einmal dort ist, sollte unbedingt eine der vielen umgebauten Karawansereien besuchen. Dort gibt es gute Folklore und hervorragendes Essen.
Am 7. Juni spielt die deutsche Fußball-Nationalmannschaft ja gegen Aserbaidschan ...
Lintner: ...und ich werde beim Spiel dabei sein. Am Montag geht der Flieger, so dass ich dann zum Spiel auf jeden Fall dort bin. Daneben werde ich meinen Aufenthalt in Aserbaidschan natürlich auch für Gesprächstermine nutzen. Aber den Flug habe ich schon so gelegt, dass ich das Spiel sehen kann.
Jetzt haben Sie ja wahrscheinlich zwei Länder in ihrem Herzen – Deutschland und Aserbaidschan. Welche Mannschaft soll Ihrer Meinung nach beim Spiel gewinnen?
Lintner: Ich finde ganz einfach, die bessere Mannschaft soll gewinnen.