Gravitätisch wie eine Majestät schreitet der Hofmarschall in den Großen Saal, um beim Ball des Fürsten dem geneigten Publikum die historischen Persönlichkeiten vorzustellen. Das gleiche Zeremoniell zelebriert er zuvor im Rosengarten, dicht umlagert von Schaulustigen, die mit Fotoapparaten und Videokameras nach vorne drängen. Wie kein anderer spielt er diese Rolle, was ihm nicht schwer fällt, denn Jörg Walter ist professioneller Schauspieler. Das Rakoczy-Fest 2011 soll nun sein letztes Fest sein.
Frage: Herr Walter, warum wollen Sie aufhören?
Walter: Weil Hubertus Wehner aufhört. Ich sagte ihm, wenn du gehst, dann höre ich auch auf. Wir haben zur gleichen Zeit angefangen, wir hören zur gleichen Zeit auf.
Wie viele Jahre haben Sie die Rolle des Hofmarschalls beim Rakoczy-Fest gespielt?
Walter: Seit 1988, also 20- oder 21-mal. Zweimal konnte ich nicht teilnehmen, das war 1992 und 2001. Sonst war ich jedes Jahr dabei.
Wie zu hören war, wollten Sie schon 2010 ihr Gastspiel beim Rakoczy-Fest beenden. Warum haben Sie noch ein Jahr dran gehängt?
Walter: Hubertus Wehner wollte eigentlich schon letztes Jahr aufhören. Er rief mich an und sagte, dass man ihn noch einmal überredet hätte. Er fragte, ob ich noch mal käme. Also werden wir gemeinsam ein letztes Mal auftreten, dann feiern wir Abschied.
Wie feiern Sie Abschied?
Walter: Nach dem Ball trinken wir im Regentenbau ein Gläschen. Aber ich bin nicht das letzte Mal in Bad Kissingen, heuer komme ich noch zweimal.
Zu welchen Anlässen?
Walter: Ich spiele in Tannöd mit, damit kommen wir im September ins Kurtheater. Im November spielen wir hier die Buddenbrooks. Es ist Zufall, dass ich in diesem Jahr gleich zweimal in Bad Kissingen auftrete. Normalerweise komme ich nur alle zwei Jahre hierher.
Wie viele Auftritte haben Sie im Jahr?
Walter: Zirka 150 bis 160. Im vergangenen Jahr waren es sogar an die 200 mit drei Produktionen. Ich spiele im Herbst und Winter bis ins Frühjahr hinein. Im Sommer gönne ich mir Ruhe hier am Bodensee.
Schauspielern noch andere Familienmitglieder?
Walter: Ja, meine Frau ist ebenfalls Schauspielerin. Sie will jetzt, wo unsere Tochter Livia die Schule beendet hat, wieder auf die Bühne. Livia fängt nämlich jetzt ein Studium in Wien an – transkulturelle Kommunikation.
Zurück zum Rakoczy-Fest. Was war da Ihr schönstes Erlebnis?
Walter: (überlegt) Die ersten vier, fünf Jahre waren frisch und aufregend. Das Geld war zwar knapp, aber es war ein tolles Team. Das war prickelnd und hat mehr Spaß gemacht als nun am Schluss. Jetzt habe ich mehr Routine. Aber da das Fest nur einmal im Jahr stattfindet, ist es jedes Mal doch wieder eine Herausforderung. Eine Grundnervosität ist immer da. Schließlich bin ich Schauspieler und kein Conférencier.
Und das schlimmste Erlebnis?
Walter: Das war vor zwei Jahren, als wir in den Rosengarten marschierten. Von meiner Familie waren fünf oder sechs Leute dort versammelt. Ich trete ans Mikrofon und es fängt an zu regnen – und Hubertus Wehner sagt die Vorstellung der Historischen Persönlichkeiten ab.
Der Hofmarschall
Zur Rolle des Hofmarschalls kam Jörg Walter durch Zufall. Sein Vorgänger Harry Walter war verstorben. Ein neuer musste her. Anrufe von Wehner bei den Theatern in Würzburg, Bamberg und Maßbach waren erfolglos, nicht jedoch in Coburg. Dort arbeitete der Onkel von Jörg Walter als Verwaltungsangestellter. Als dieser hörte, dass in Kissingen ein Hofmarschall gesucht wird, dachte er an seinen Neffen, der in Innsbruck engagiert war. So bekam Jörg Walter die Rolle. Das war vor 23 Jahren.