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HAMMELBURG: Wie Playmobil Bauernhof – nur in echt

HAMMELBURG

Wie Playmobil Bauernhof – nur in echt

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      Barbaras next Topmodel ist ein roter Porsche Junior, Baujahr 1958, 11 PS. Die wahre Pracht des leicht verbeulten Traktors verbirgt noch eine dünne Staubschicht. „Wir werden ihn komplett auseinandernehmen. Die Teile ausbeulen, mit Originalfarbe neu spritzen und den Motor auf Trab bringen“, erzählt die jüngste der Budewitz-Schwestern mit leuchtenden Augen.

    Jede der vier Schwestern hat ein Traummodel. Veronika träumt von einem roten und bärenstarken Schlüter. Maria auch: „Die sind cool, so groß und wuchtig und wenn der Motor silbern glänzt, das hat was.“ Die Schwestern lieben es mit ihren Schleppern über Land zu fahren, zu den vier bis fünf Oldtimer-Treffen, an denen sie jährlich teilnehmen.

    Im Konvoi mit Bulldogfreunden

    Der Fahrtwind saust ihnen durchs meist zusammengebundene Haar, wenn sie mit Höchstgeschwindigkeit dahin tuckern - mit stolzen 20 Stundenkilometern. Beispielsweise auf der Hochrhönstraße. „Da kann man die Landschaft wunderbar wahr nehmen“, schwärmt Elisabeth. Gefahren wird im Konvoi mit anderen Bulldogfreunden.

    Manchmal besteht der Tross aus über 30 Traktoren. Veronika, die Molkereifachfrau, fährt den blaugrünen Hanomag (Baujahr 1950, 25 PS). Maria, die die Bischofsheimer Holzbildhauerschule besucht, den stahlblauen Eicher-Diesel (BJ 1958, 16 PS). Elisabeth, die angehende Industriemechanikerin, den froschgrünen Deutz (BJ 1949, 11 PS). Und Barbara, die künftige Landschaftsgärtnerin, kann sich unter den restlichen fünf renovierten Traktoren vier auswählen.

    Der fünfte Renovierte, der grün-gelbe Lanz-Volldiesel (BJ 1959, 16 PS) ist für Großvater Hubert reserviert. Er hat die Enkeltöchter mit dem Bulldog-Virus infiziert. „Schon als kleine Stöpsel hat er uns zu Oldtimer-Treffen mitgenommen“, erzählt Veronika. Das erste fand in Müdesheim statt, ein Dorf, das rund eine Traktor-Stunde südlich von Hammelburg liegt. Veronika war damals fünf Jahre alt und ihre Schwester Maria drei. „Opa hat uns auf der Beifahrerbank festgeschnallt und wir sind dann eingeschlafen“, erinnert sich Maria.

    Die Atmosphäre bei den Treffen faszinierte die Schwestern damals wie heute. „Abends sitzen wir zusammen am Lagerfeuer, grillen, irgendjemand hat immer eine Gitarre dabei und dann singen wir gemeinsam“, beschreibt Veronika die Bulldog-Romantik-Szene. Gesellschaftsspiele gibt es auch, zum Beispiel Bulldog-Motorgeräusche-Raten. Zwischen „ratatatata“ und „duck duck duck“ liegen für Insider so viele Klangwelten wie für Musikliebhaber zwischen Mozart und Beethoven.

    Sie hören sofort, ob ein Motor luft- oder wassergekühlt ist, ob es ein Zwei- oder Viertakter ist, ob es ein Otto-, Diesel- oder Glühkopfmotor ist. „Die luftgekühlten Motoren klingen härter, die wassergekühlten harmonischer“, beschreibt Elisabeth. Ein weiteres Spiel ist Bulldog-Ziehen an Stricken. „Eigentlich ziehen immer drei gegen drei, aber weil wir nur Mädchen sind, dürfen wir zu viert ziehen“, erzählt Barbara und dass sie und ihre zupackenden Schwestern in Stadtlauringen dabei den zweiten Platz errangen.

    Fit am Schraubenschlüssel

    Die vier Schwestern sind voll integriert in der Bulldog-Szene, „und sehr beliebt“, fügt Opa Hubert stolz hinzu. „Wir sind wie eine große Familie, jede Altersstufe ist vertreten, vom Kleinkind bis zum Opa“, so Veronika. Bei den Treffen wird viel gefachsimpelt, denn die Bulldogfreunde sind selfmade-Restauratoren. Gibt es mal Probleme mit einem Ersatzteil, kennt immer irgendwer irgendwen, der es besorgen kann.

    Gibt es mal Probleme mit dem Motor, legen die Schwestern selbst Hand an. Sie kennen das Innenleben ihrer Schlepper, wissen, wo sie schrauben müssen, wenn beispielsweise die Zündung zickt. Ihre mechanischen Fertigkeiten verdanken sie auch dem Großvater.

    Am Wochenende sind die vier Mädels oft in der großen Holzscheune am Tüfteln. Gerade renovieren sie einen Güldner, Baujahr 1954, 14 PS. Denn bevor Barbaras Porsche an der Reihe ist, soll diese Bulldog-Rarität aus dem Dornröschenschlaf erweckt werden. Völlig ausgehöhlt steht das Skelett des eisernen Schleppers da. Denn ausgebaut sind Lichtmaschine, Kolben, Pleuelstange, Buchsen, Kühler, Wasserpumpe und Anlasser. Sie warten darauf gereinigt, geölt und zusammengefügt zu werden.

    Kleintiergehege am Hof

    Es wird noch eine Weile dauern, weil im Sommer die Zeit knapp ist. Dann stehen nicht nur die Oldtimer-Treffen an. Heu und Stroh muss nach Feierabend gemacht werden. Denn die vier Schwestern unterhalten gemeinsam mit ihren Eltern und dem Großvater noch ein paradiesisches Kleintiergehege. Hühner, Tauben, Gänse, Ziegen, Katzen, ein Esel, eine Kuh und ein Schwein tummeln sich in unglaublicher Harmonie auf einem weitläufigen Gelände.

    Bewacht werden sie von Rottweiler Barry. Einem „lammfrommen“ Kampfhund – laut polizeilichem Führungszeugnis. Der Großvater und seine Enkeltöchter verstehen den Umgang mit lebenden Tieren und stählernen Rössern. Eigentlich spielen Veronika und ihre Schwestern immer noch wie früher „Playmobil Bauernhof“ – nur heute in echt.

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