Eigentlich sind sie nur den sprichwörtlichen Katzensprung voneinander entfernt; drei Kilometer sind es vom bayerischen Staatsbad zum hessischen Züntersbach. Doch in einigen Dingen ist die Grenze zwischen beiden Orten unüberwindbar. Sagt zumindest die Züntersbacher Gewerbetreibende Hannelore Baier.
Baier betreibt das Café und die Pension Sonnenkanzel – vom Staatsbad kommend am Ortseingang von Züntersbach gelegen. „Erstes Café in Hessen“ steht dort auf einem Schild an der Einfahrt geschrieben.
Ein Gag soll das sein, um Gäste anzulocken, sagt Baier. Ein bisschen aber auch Ausdruck des Ärgers, den sie seit Jahren mit sich herumträgt.
Denn als Züntersbacherin fühlt sie sich von den Aktivitäten im benachbarten Staatsbad abgehängt. Auf den dort aufgestellten Tafeln prange an der Stelle, wo das Nachbardorf sei, ein weißer Fleck; Hinweisschilder gebe es nicht. Und das, obwohl die Gastwirtin neben einheimischen Sonntags-Kaffeetrinkern und Wanderern gern Kurgäste in ihrem Café begrüßt. „Die Kurverwaltung sagt: Wir machen Werbung fürs Staatsbad und nicht Züntersbach.“
Dementsprechend sei der Ort nicht im Kurwegweiser „Unsere gastlichen Seiten“ vermerkt – jedenfalls nicht im redaktionellen Teil. Einige Gastronomen und Hoteliers aus dem Hessischen hätten Anzeigen geschalten, um neue Kunden zu gewinnen. Doch da koste eine Drittel-Seite 800 Euro: „Das bringt überhaupt nichts. Es meldet sich niemand oder beruft sich darauf.“
So bleibt die Sonnenkanzel wohl ein Geheimtipp wider Willen. Baier und vor allem ihr früherer Lebensgefährte haben massiv versucht, dagegen anzukämpfen. Oft mit offensiven, manchmal mit unerlaubten Mitteln. So platzierten sie im Staatsbad trotz Verbots Aufsteller, klebten Plakate, verteilten Flugblätter – und handelten sich im Streit mit der Kurverwaltung vor Gericht eine Unterlassungsklage ein.
Gegenüber der Hartwaldklinik fanden sie nach Baiers Angaben ein Plätzchen, bei dem die Kurverwaltung kein Hausrecht hat, stattdessen das Straßenbauamt Schweinfurt zuständig ist. Von dort sei zunächst die Genehmigung gekommen, Aufsteller zu platzieren. Doch die Duldung sei zurückgezogen worden mit dem Hinweis, die Stadt Bad Brückenau sei über die Werbeanlagensatzung für die Genehmigung zuständig. Die Aufsteller seien danach mehrfach entfernt, wieder aufgestellt und endgültig beseitigt worden.
Baier schrieb an den damaligen Brückenauer Bürgermeister Thomas Ullmann, auch wegen einer Erlaubnis, auf eigene Kosten einen Straßenwegweiser zum Café aufzustellen. Die wurde erteilt, aber kurz vor Ullmanns Amtsübergabe zurückgezogen. Laut der jetziger Bürgermeisterin Brigitte Meyerdierks wegen Baiers aggressiver Werbemethoden.
Hannelore Baier kramt einen Zeitungsartikel von 1978 hervor. Die Kurhalter im Staatsbad machen sich darin stark, dass die Züntersbacher nicht mehr im Kurwegweiser verzeichnet werden. Hintergrund wohl der Umstand, dass die Hessen keine Kurtaxe an Bayern abführen. Die Gastronomin sieht ihren Ärger als Teil dieser Rivalität: „Dabei ist doch jeder Gast, der in die Rhön findet, gut, egal, wo er absteigt. Wir sind doch eine Region, und nicht Konkurrenten“, sagt Baier.
Kurdirektorin Andrea Schallenkammer weiß nichts von einer jahrelangen Rivalität zwischen Staatsbad und Nachbarort: „Wir haben und hatten immer sehr nette Mitarbeiter aus Züntersbach. Berührungsängste mit der Landesgrenze gibt es nicht.“
Zum konkreten Fall Hannelore Baier will sich Schallenkammer nicht äußern. Man gehe bei wilder Beschilderung im Interesse der Kurgäste und für ein schönes Bild des Staatsbades sehr restriktiv vor: „Sonst wäre unser Kurgelände schnell zugepflastert.“ Klappbare Aufsteller seien grundsätzlich nicht erlaubt, ebenso das Verteilen von Faltblättern. Das gelte für alle Werbetreibenden.
Die im Staatsbad ansässigen Pächter dürften in ihrem direkten Umfeld eingeschränkt werben. Partner, die Kurtaxe abführen, könnten ihre Prospekte auch in Elisabethenhof und Wandelhalle auslegen. Hannelore Baier hat nun einen Antrag auf einen Teestube-Stand beim nächsten Brückenauer Stadtfest gestellt. Einen Bescheid hat sie noch nicht.