Icon Menü
Icon Schließen schliessen
Startseite
Icon Pfeil nach unten
Bad Kissingen
Icon Pfeil nach unten

Bad Kissingen: War alles nur ein Traum?

Bad Kissingen

War alles nur ein Traum?

    • |
    • |
    Rezitatorin Madeleine Milojcic und der Pianist Nima Mirkhoshhal im Kurtheater.
    Rezitatorin Madeleine Milojcic und der Pianist Nima Mirkhoshhal im Kurtheater. Foto: Thomas Ahnert

    „40. Theaterring der Stadt Bad Kissingen “: Für den Förderverein Theaterring ist das Jubiläum Grund genug, mit zwei Sonderveranstaltungen für die Mitglieder und Menschen, die es noch nicht sind, zu feiern – zunächst mit einer „Lesung & Musik“ im Kurtheater. Eingeladen waren die Rezitatorin Madeleine Milojcic und der Pianist Nima Mirkhoshhal. In ihrem Programm hatten sie die bekannte, aber eigentlich selten gelesene Erzählung „Die Nase“, die Nikolai Wassiljewitsch Gogol 1836 in Leningrad geschrieben hat, in einen passenden musikalischen Rahmen gestellt.

    Eine seltsame Geschichte

    Es ist schon eine seltsame Geschichte , von der Madeleine Milojcic den ersten großen Abschnitt vortrug. Es ist eine überraschende Kombination aus einer Schilderung des realen kleinbürgerlichen Lebens in der Großstadt an der Newa und absurder Fantasie. Und die Geschichte kommt schnell zur Sache: Der Barbier Iwan Jakowlewitsch findet beim Frühstück in seinem Brot, das seine Frau Praskowja Ossipowna gerade gebacken hat, eine Nase. Und da er als Barbier immer in allergrößter Nähe zum Riechorgan arbeitet, erkennt er sie sofort. Es ist die Nase des 37-jährigen Kollegienassessors Kowaljow, den er immer mittwochs und sonntags rasiert. Da seine keifende und zeternde Frau die Anwesenheit der Nase im Haus nicht duldet, wickelt er sie in ein Papier und geht nach draußen, um sie irgendwo in ein Gebüsch zu werfen. Aber immer sind zu viele Menschen und Bekannte in der Nähe. Selbst als er sie an dem einen Ende der Isaaksbrücke in die Newa wirft, wird er am anderen Ende von einem Polizisten beobachtet. Der nimmt ihn mit auf die Wache.

    Inzwischen ist der Kollegienassessor Kowaljew aufgewacht und hat seine Nase vermisst. Da ist nur eine glatte Fläche zwischen den Augen und dem Mund. Er verhüllt sein Gesicht, eilt zur Polizei , wird aber abgewiesen. Auf dem Rückweg trifft er zufällig seine Nase in der Uniform eines Staatsrates (das ist halt echter Surrealismus, aber voller Symbolkraft), die ihn, als er sie anspricht, völlig ignoriert. Und dann bekommt er eines Tages die Nachricht, dass die Nase von der Polizei festgenommen worden war, als sie sich mit einem gefälschten Pass mit der Postkutsche nach Riga absetzen wollte. Aber kein Arzt ist in der Lage, die Nase weder anzunähen.

    Plötzlich ist sie wieder da

    Doch eines Morgens, beim Aufwachen, ist sie plötzlich wieder da. War das alles nur ein böser Traum? Eigentlich nicht, denn Iwan Jakowlewitsch, der Barbier, hatte die Nase ja tatsächlich in seinem frischen Brot gefunden. Wie sie da hineingekommen war, vorbei an der gestrengen Bäckerin, und wie sie den Backvorgang unbeschadet überstanden hat – oder wie sie wieder aus der Newa herausgekommen ist – das sind Fragen, die Gogol unbeantwortet lässt, mit denen er spielt.

    Und man gab als Zuhörer sehr schnell die Versuche auf, rationale Erklärungen für das Geschehen zu finden, sondern ließ sich tragen von der Skurrilität der Geschichte , von der lakonischen Sprache Gogols (in einer ausgezeichneten Übersetzung), die mit wenigen Strichen die Betulichkeit der kleinen Leute zeigt, in die unerhörte Dinge hereinbrechen.

    Und Madeleine Milojcic erweckte den Text zu einem starken Eigenleben. Der eigentlichen Geschichte in ihrem Fortgang verlieh sie die Neutralität einer Nachrichtensprecherin, was sie in eine starke Spannung zu den Absurditäten brachte.

    Welche Musik passt dazu?

    Aber sobald es die Menschen waren, die redeten, wurde die Sprecherin sehr persönlich und emotional, gestaltete sie den unterwürfigen, vorauseilenden und doch schlitzohrigen Gehorsam gegenüber den staatlichen Organen von Iwan Jakowlewitsch ebenso anrührend erheiternd wie die Wutausbrüche der cholerischen Praskowja Ossipowna. Und jedes Mal traf sie genau den dialektal stark eingefärbten Ton. Man konnte sich zurücklehnen und genießen.

    Welche Musik passt zu der Geschichte ? Die Antwort war nicht schwierig: Modest Mussorgskys „Bilder einer Ausstellung“, die sich in ihren Episoden und ihrer Ausdruckskraft gut mit dem Text in Einklang bringen lassen. Nima Mirkhoshhal spielte als „Türöffner“ die „Promenade“, mit der auch der Rundgang durch die Ausstellung beginnt, spielte gespenstische, abgerissene Akkorde, um Spannung zu verstärken, aber auch Bilder wie den „Tanz der Küken in den Eierschalen“ zur untermalenden Bestätigung allergrößter Aufgeregtheit.

    Stand im ersten Teil das Wort im Vordergrund, war es im zweiten die Musik. Da spielte Nima Mirkhoshhal die „Wandererfantasie“, das berühmte Zeugnis, dafür, dass auch Franz Schubert aus einem relativ übersichtlichen, aber immer vorwärtstreibenden Thema über 20 Minuten spannende Musik machen könnte. Diesen romantischen Vortrieb gestaltete Mirkhoshhal bei aller emotionaler Differenzierung der vier Sätze mit großer Klarheit und Zielstrebigkeit, so dass auch im langsamen Satz die Spannung sehr gut erhalten blieb. Und dass im vierten Satz, in dem sich Schubert an einer Fuge versuchte, die Struktur im starken Getümmel erkennbar blieb.

    Die kraftvollen Schlussakkorde klangen wie eine triumphale Zielankunft. Ein Navi würde hier melden: „Sie haben Ihr Ziel erreicht.“ Zwei Zugaben gab’s noch: Johannes Brahms wunderbar ruhiges und lyrisches Intermezzo op. 117/1 und, als Schlusspunkt für den ganzen Abend, die beiden letzten Sätze aus den „Bildern einer Ausstellung“ mit dem imposanten „Großen Tor von Kiew“.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden