Ein knappes halbes Jahr ist es her, da ließ Theodor Weimer die Katze aus dem Sack: Die HypoVereinsbank (HVB) werde im Zuge einer Neuausrichtung fast die Hälfte der derzeit noch rund 600 Filialen schließen, verkündet der Vorstandschef. Eine Nachricht, die vor allem Bayern betrifft. Denn die 1998 aus der Fusion von Bayerischer Vereinsbank und Hypo-Bank hervorgegangene Großbank, die seit 2005 zur italienischen Unicredit gehört, ist im Freistaat traditionell besonders stark präsent. Alleine in Mainfranken, sagt HVB-Pressesprecher Markus Block, sei man mit 24 Filialen vertreten – von Lohr bis Ochsenfurt, von Bad Brückenau bis Haßfurt.
In Mellrichstadt allerdings nicht mehr: Die dortige Kleinfiliale schloss vor zwei Wochen ihre Pforten. Der Mietvertrag sei ausgelaufen, heißt es dazu kurz. Die Schließung habe nichts mit der im Januar verkündeten HVB-Neustrukturierung zu tun; hier liefen derzeit noch die Gespräche zwischen Vorstand und Arbeitnehmervertretern. Demnächst will man die Ergebnisse präsentieren.
Fakt aber ist: Im Landkreis Rhön-Grabfeld ist die Münchner Großbank nun nur noch mit zwei Filialen vertreten, in Bad Neustadt und Bad Königshofen. Es sind – mit Ausnahme der über Postagenturen in vielen Gemeinden vertretenen Postbank – die beiden einzigen Niederlassungen von nicht-regional ansässigen Banken im Landkreis. Die 80 000 Einwohner werden ansonsten von Genossenschaftsbanken wie der VR-Bank Rhön-Grabfeld, der Sparkasse Bad Neustadt mit ihren 25 Filialen sowie einer Bad Neustädter Geschäftsstelle der im nahen Hammelburg ansässigen Bank Schilling versorgt.
Ganz anders das Bild in Würzburg. Neben den Platzhirschen Mainfranken-Sparkasse und VR-Bank Würzburg sind zahlreiche Anbieter am Markt: Deutsche Bank, Commerzbank, Sparda-Bank, die vom Otto-Versand gegründete Hanseatic-Bank, die katholische Liga-Bank, mehrere Banken aus Österreich, die spanische Santander-Bank, das schweizerische Bankhaus Julius Bär – die lange Liste lässt sich fast beliebig verlängern.
Es ist wie überall: Die Versorgung mit Bankfilialen auf dem flachen Land nimmt ab, in die Metropolen hingegen drängen sich sogar immer mehr Anbieter aus dem Ausland. Unter dem Strich aber nimmt die Zahl der Bankstellen in Deutschland ab – seit Mitte der 90er Jahre um rund 30 000. Größten Anteil daran hat zwar die Postbank, bei der nicht mehr jede Postagentur auch Bankdienstleistungen anbietet. Doch auch alle anderen haben ihr Netz ausgedünnt. So konzentrieren sich die Großbanken zunehmend auf lukrative Großstandorte in den Städten. Auch Fusionen wie die der HVB oder zuletzt die von Commerzbank und Dresdner Bank lassen die Zahl der Filialen weiter schrumpfen. Und auch bei Sparkassen und Volks- und Raiffeisenbanken sind durch Fusionen viele ländliche Geschäftsstellen auf dem Weg geblieben.
Beispiel Sparkasse Mainfranken Würzburg. Das im Jahr 2000 aus der Fusion der Sparkassen der Stadt Würzburg und der drei sie umgebenden Landkreise entstandene Großinstitut – heute die viertgrößte Sparkasse Bayerns – war im Jahr der Fusion noch an 156 Standorten präsent, heute hat das Haus noch 131 Geschäftsstellen sowie ein Dutzend weiterer Selbstbedienungsstandorte. Ja, räumt Vorstandschef Bernd Fröhlich ein, auch bei einer regional verankerten Sparkasse stehe jede Filiale unter Beobachtung, die Wirtschaftlichkeit müsse einfach stimmen. Klar aber sei, so Fröhlich: „Die Geschäftsstellen sind weiterhin unser wichtigstes Standbein im Privatkundengeschäft.“
So ähnlich klingt das bei allen regionalen Geldinstituten. Etwa der Castell-Bank, neben der Bank Schilling und der Schweinfurter Flessabank eine von drei in Mainfranken ansässigen Privatbanken. „Die räumliche Nähe“, sagt Vorstandschef Sebastian Klein, „ist als Bank mit starker regionaler Verwurzelung ein wichtiger Vorteil“. Und auch bei seinen Kollegen von der Flessabank steht man zum regionalen Filialnetz: „Das gehört zum Kern unserer Geschäftspolitik“, heißt es da.
Doch auch für die regionalen Häuser besteht ein betriebswirtschaftlicher Konflikt, und der heißt: Kundennähe kontra Wirtschaftlichkeit. Denn selbst treue Kunden suchen immer seltener das Gespräch mit dem Bankmitarbeiter. Wenn sie in ihre Filiale kommen, dann meist zum Geldabheben am Automaten oder zum Drucken der Kontoauszüge. Auf der anderen Seite steigt stetig der Anteil der Nutzer des Internetbankings – er liegt in Deutschland laut Statistik-Portal Statista derzeit bei 48 Prozent. In Dänemark oder den Niederlanden ist man da schon deutlich weiter, hier nutzen neun von zehn Kunden bereits überwiegend das Internet für ihre Bankgeschäfte.
Es gibt also noch viel Potenzial fürs Onlinebanking. Und so rechnet die Beratungsfirma Bain & Company damit, dass innerhalb der kommenden zehn Jahre jede vierte Filiale zumachen wird. Das wären etwa 9500 der derzeit 38 000 Bankstellen. Es spricht einiges dafür, dass sich diese Prognose bewahrheitet. Denn neben dem zunehmenden Kosten- und Ertragsdruck, der sich durch die Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank noch verstärkt hat, gibt es eine ganze Reihe von Herausforderungen im ehemals so lukrativen Geschäft mit Bankdienstleistungen.
So drängen immer mehr Branchenfremde ins lukrative Business rund ums Geld – und das von allen Seiten. In der Rhön etwa gibt es seit zwei Jahren ein Regionalgeld, den Grabfelder, mit dem man bei über 40 Partnern bezahlen kann. Eine größere Gefahr für die Banken aber sind globale Anbieter, wie der zu Ebay gehörende Online-Dienst Paypal. Er nimmt im Zahlungsverkehr Banken angestammte Aufgaben weg. Und so warnen die Bain-Experten, dass die Digitalisierung für die Bankenbranche zum „kritischen Erfolgsfaktor“ werde – weltweit würden immer mehr Kunden ihre Bankgeschäfte online und künftig auch mobil erledigen. Und brauchen dafür dann auch keine Bank mehr.
Zum Geldabheben braucht es schon lange keine Filiale mehr. Was aber ist, wenn kein Geldautomat da ist? Diese Frage stellt sich in diesen Tagen für die Kunden der bisherigen HVB-Filiale in Mellrichstadt, denn auch der dortige Geldautomat soll früher oder später abgebaut werden. Doch aus München heißt es, man werde auf jeden Fall sicherstellen, das die Kunden auch künftig kostenlos Geld abheben können. Vielleicht ja dank einer Kooperation mit einem Geldinstitut vor Ort. Ein Weg, den gerade Sparkassen und Volks- und Raiffeisenbanken hin und wieder anbieten.
Und sie gehen bisweilen sogar noch einen Schritt weiter: So nutzen die Sparkasse Bad Kissingen und die VR-Bank Bad Kissingen/Bad Brückenau seit vier Jahren eine Geschäftsstelle in Motten gemeinsam – je nach Wochentag können die Kunden Ansprechpartner ihres jeweiligen Geldinstituts antreffen.