Die Flammen schlagen aus den Fenstern des Einfamilienhauses und eine dunkle Rauchsäule schraubt sich gegen den Himmel. Doch das Heulen von Sirenen bleibt aus, kein Blaulicht kündigt nahende Löschfahrzeuge an. Genügend Geräte wären im nahe gelegenen Feuerwehrhaus zu finden, doch es fehlen die Menschen, die sie bedienen.
„Das wäre natürlich ein Horror-Szenario, wie es so hoffentlich niemals kommen wird. Dennoch wird das Ringen um Nachwuchs deutlich härter. Der demografische Wandel ist auch für uns eine große Herausforderung, der wir effektiv begegnen müssen“, sagt Marcus Moser, Feuerwehrmann aus Hamburg und Mitglied des Fachausschusses Bildung der Deutschen Jugendfeuerwehr.
Laut dem bayerischen Landesamt für Statistik soll im Freistaat bis 2025 die Zahl der Jugendlichen im Alter von zehn bis 18 Jahren um 14 Prozent, also um zirka 143 300 Kinder, zurückgehen. Vereine versuchen daher, Kinder bereits in immer jüngerem Alter an sich zu binden. Im Werben um Mitglieder wurde die Feuerwehr, wegen ihres bisher vergleichsweise hohen Beitrittsalters, zuletzt immer deutlicher durch andere Vereine ausgestochen. „Kinderfeuerwehr“, lautet die Antwort der deutschen Feuerwehren auf das Problem. Anstatt erst mit zwölf, sollen Kinder künftig schon mit sechs Jahren speziell gestalteten Gruppen beitreten können, in denen sie sich spielerisch mit dem Leitbild der Feuerwehr beschäftigen.
Auch in Unterfranken ist diese Idee präsent. „Ich will nicht sagen, dass die Kinderfeuerwehr eine Konkurrenz für andere Vereine darstellen soll, das wäre ein falscher Ansatz. Vielmehr soll sie schon frühzeitig Sympathie wecken“, sagt der Vorsitzende des Feuerwehrbezirksverbandes Unterfranken, Heinz Geißler aus Güntersleben. Das Konzept sei in Unterfranken bisher wenig verbreitet und er bezweifelt, dass es jemals flächendeckend eingeführt werden kann. Doch sei es möglich, dass sich in den nächsten Jahren mehrere kleine Gemeinden zusammenfinden, um eine gemeinsame Kinderfeuerwehr ins Leben zu rufen.
Die Freiwillige Feuerwehr von Aura im Sinngrund, Landkreis Main-Spessart, hat bereits eine Kinderfeuerwehr etabliert. „Natürlich hat sich der demografische Wandel bemerkbar gemacht. Teilweise hatten wir jahrelang überhaupt keine Jugendfeuerwehr bei uns, da mussten wir reagieren“, sagt Vereinsvorsitzender Marcus Remlein. Mit zwölf sei es einfach zu spät, nach neuen Mitgliedern Ausschau zu halten. Jugendliche sind in diesem Alter schon intensiv in andere Vereine eingebunden. „Mit der Kinderfeuerwehr ist es uns gelungen, von der Einschulung an präsent zu sein. Das ist ein großer Vorteil“, sagt Remlein. Die Zahlen bestätigen ihn: 13 Mädchen und Jungen hat die Kinderfeuerwehr bereits zum Eintritt bewogen, fünf davon sind inzwischen in die Jugendfeuerwehr übergetreten.
Ein Erfolg, den auch Bianca Thomas, Leiterin der Kinderfeuerwehr „Star-Fire-Kids“ Wiesthal, ebenfalls Landkreis Main-Spessart, bestätigen kann. „Die rennen dir ja nicht die Bude ein, wenn Du jedem, der jünger ist als zwölf die Türen verschließt. Ein Beitrittsalter von sechs Jahren war uns allerdings doch etwas zu jung, deswegen haben wir es jetzt auf acht Jahre gesetzt“, sagt Bianca Thomas. Ob theoretische Brandschutzerziehung, Hindernisparcours, Waldtouren oder gemeinsames Grillen, bei den Star-Fire-Kids kommt an, was Bianca Thomas und ihre Mitstreiterinnen sich ausdenken. 13 Mitglieder hat die Truppe schon, zum kommenden Schuljahr haben sich ein weiteres Dutzend Kinder angekündigt. „Gerade die Mädels sind mit Feuereifer dabei und sich sicher, dass sie großartige Feuerwehrfrauen werden“, erzählt Bianca Thomas lachend.
Trotz aller Begeisterung gibt es auch kritische Stimmen. „Das ist doch Quatsch, der Mensch wird wieder nur zu einer Funktion hin instrumentalisiert“, meint die pensionierte Erzieherin und Sonderpädagogin Anneliese Butz aus Würzburg. „Die Kinder werden vollgestopft mit schön klingenden Dingen und das Reifeverhalten wird völlig außer Acht gelassen. Die Zeit, die der Mensch für seinen geistigen Raum braucht, wird eingesogen und in Rubriken unterteilt.“ Zwar verstehe sie, dass die Vereine um neue Mitglieder werben müssen, doch „sollte man wachsen lassen, was da wächst und nicht zu viel manipulieren“, sagt sie.
Julia Lindner, Pressesprecherin des Bayerischen Kultusministeriums, teilt diese Einschätzung nur teilweise. „Es stellt sich immer die Frage, ob die Kinder das packen, aber das hat mit den Vereinen nichts zu tun“, sagt sie. Zu bemerken, wann es zu viele Aktivitäten werden, stünde in der Verantwortung der Eltern. Dies sei schließlich von Kind zu Kind unterschiedlich. Manche Jungen und Mädchen hätten Energie für den Einsatz in drei Vereinen, während andere mit einem Verein vollauf zufrieden seien. „Wir wollen, dass die Kinder etwas neben der Schule machen und dort eine möglichst breite Auswahl haben. Insofern begrüßen wir die Idee der Kinderfeuerwehr.“ Ist das in den letzten Jahren aufgekommene Projekt also die Erfolg versprechende Waffe gegen den demografischen Wandel? Die Zahl von bundesweit 12 000 Kinderfeuerwehrlern lässt hoffen.