Laut dem Propheten Mohammed sollen Muslime dort beerdigt werden, wo sie gelebt und gearbeitet haben. Dennoch werden nach Schätzungen der Deutschen Islam Konferenz rund 90 Prozent der Muslime in Deutschland zur Beisetzung in ihr Heimatland überführt. Woran liegt das? Viele Muslime möchten, gemäß ihrem Glauben, lediglich in einem Leinentuch beerdigt werden. Doch in einigen deutschen Bundesländern, darunter im von rund 500 000 Muslimen bevölkerten Bayern, herrscht Sargzwang.
„Es ist unglaublich traurig, dass die armen Leute in einem Sarg beerdigt werden müssen, obwohl das ihrem Glauben widerspricht“, sagt Sabine Stegerwald, Mitarbeiterin des welt-Bestattungsunternehmens. In Unterfranken habe sie „schon einige Muslime beerdigt“, die ihre letzte Ruhestätte im Gräberfeld des Waldfriedhofs Würzburg fanden. Die Toten immer nach Mekka ausgerichtet, doch anstelle des Leichentuchs im schlichten Holzsarg begraben.
Chance statt Provokation
„Die meisten Muslime wenden sich an die Bestattungsinstitute größerer Städte wie Nürnberg oder Frankfurt, um sich in ihrem Heimatland beisetzen zu lassen“, sagt Jürgen Häring, Inhaber des international agierenden Bestattungs- &Überführungsinstituts Friede aus Würzburg. Zwischen 1970 und 1990 sei das noch anders gewesen und das Bestattungsinstitut Friede hatte Verträge mit dem Jugoslawischen und Türkischen Konsulat in Bayern, um die Verstorbenen in deren Heimatland zu überführen. Dennoch gebe es einen Wandel in der Mentalität. „Die in Unterfranken lebenden Muslime akzeptieren die Regelungen häufig“, sagt Häring. Dazu zählt auch das Gebot des Korans, die Toten innerhalb von 24 Stunden zu bestatten. In Bayern darf eine Beisetzung aber frühestens nach 48 Stunden erfolgen. Was viele als provokante Regelung der konservativen Behörden sehen, sieht der Geschäftsführer des Bundesverbandes Deutscher Bestatter, Oliver Wirthmann, als Chance. „Inkulturation sollte auch bedeuten, dass unsere Bestattungsriten Einfluss auf die Menschen nehmen, die hier leben“, sagt er. Der Tod ist Teil einer jeden Kultur und verbinde somit uns alle. In Anbetracht von fast fünf Millionen in Deutschland lebender Muslime sei es zwingend notwendig stärker aufeinander zuzugehen.
Muslime als ein Teil von uns
Die Idee gesonderter Friedhöfe hält Wirthmann für falsch. „Gettoisierung trennt und verbindet nicht“, sagt er. „Stattdessen wäre es richtig zu sagen, auch sie haben einen Platz auf unserem Friedhof. Muslime sind keine Menschen zweiter Klasse, sondern Teil von uns.“
Diese Überzeugung gibt er als Dozent des Bundesausbildungszentrums für Bestatter in Münnerstadt (Lkr. Bad Kissingen) sowohl an den Nachwuchs als auch an die bereits ausgebildeten Bestatter weiter. Bemühungen, die den in Franken lebenden Muslimen nicht verborgen bleiben. „Alle kooperieren sehr gut und überlassen uns die wichtigen Entscheidungen“, lobt Ehsan Ul-Haque, Präsident der muslimischen Ahmadiyya Gemeinde in Würzburg. Auch die „ewige Totenruhe“ umzusetzen sei kein Problem. „Wir müssen die Gräber nur für 25 Jahre mieten und können sie danach beliebig verlängern. Das tun wir auch, denn wir wollen nicht, dass unsere Toten wieder ausgegraben werden.“
Die Stadt Würzburg wies zudem ein muslimisches Gräberfeld mit „jungfräulicher Erde“, also Erde, in der noch niemand begraben wurde, auf dem Waldfriedhof aus. Es umfasst bisher 32 Grabstellen, neun davon sind frei. Auch das erfreut Ehsan Ul-Haque: „Wir sind glücklich und stoßen auf keine Probleme. Bei anderen Muslimen in Deutschland sieht das vielleicht anders aus.“ Bei einer Beisetzungsquote von 90 Prozent der deutschen Muslime im Ausland ist Unterfranken wohl ein Sonderfall.