„Das hat mich sehr verunsichert damals, heute bin ich heilfroh, dass es nicht geklappt hat.“
Schauspieler wurde der Kabarettist Frank-Markus Barwasser, 49, trotzdem. Er schrieb sich seine Rolle einfach auf den Leib, und nie wird jemand anderes sie spielen. Seit 1993 gibt er den Pelzig, Erwin. Ende 2007 eroberte der die Leinwand. 250 000 Menschen wollten „Vorne ist verdammt weit weg“ im Kino sehen. „In der Branche gilt der Film als Erfolg. Ich bin auch zufrieden“, sagt Barwasser, der mit Regisseur Thomas Heinemann – ein Freund aus den Tagen am Würzburger Theater am Neunerplatz, wo Pelzig das Laufen lernte – auch das Drehbuch schrieb und den Film produzierte.
Beim Versuch, im Koordinatensystem von Pelzig auf der einen und seinem Schöpfer auf der anderen Achse, neben der Figur den Menschen Frank-Markus Barwasser zu orten, landet man zwangsläufig immer wieder bei seinem, ja, man muss es so schreiben: zu Kult gewordenem Geschöpf. Es war mal ein alter Freund in einer Vorstellung, einer aus den „wilden Mopedzeiten in Würzburg“, mit dem Barwasser jahrzehntelang keinen Kontakt hatte. Der Spezi, der Pelzig noch nie gesehen hatte, sagte, dass es für ihn wie eine Reise in die Vergangenheit gewesen sei, weil er so viele Leute und Situationen wieder erkannt habe. „Da ist mir erst wirklich bewusst geworden, wie viel Erlebtes und Erlittenes drinsteckt im Pelzig.“
Kackbraunes Feincordhütli, ledernes Herrenhandtäschli, rot-weiß-kleinkariertes Hemdli unterm Trachtenjanker – optisch ist Erwin Pelzig die Fleisch gewordene Spießigkeit, inhaltlich die Mensch gewordene Moral. „Ich greife Themen auf, die mich beschäftigen, die mich amüsieren, die mich ängstigen, die mich bewegen, die mich ärgern und die mich freuen“, sagt Barwasser.
Neulich wurde der Kabarettist, der so ziemlich alle Preise der Zunft abgeräumt hat, jedenfalls die bedeutenden, zum „Unterhaltungsjournalist des Jahres 2008“ gekürt. „Eine unerwartete Auszeichnung“ über die er sich vor allem deshalb gefreut habe, weil... ...sie ihm zeigt, dass es „Menschen gibt, die die journalistische Qualität“ seiner Fernsehsendung „Aufgemerkt! Pelzig unterhält sich“ anerkennen. Das Spannende an diesem Format, das es vom Dritten Bayerischen ins Erste geschafft hat, ist ja, dass sich eine Kunstfigur mit realen Menschen unterhält, die diese Kunstfigur ernst nehmen müssen. „Ich will niemanden bloßstellen oder gar vorführen“, sagt Barwasser. Er habe Freunde, „die sagen, der Barwasser sei mittlerweile manchmal stärker zu spüren als der Pelzig“.
Wenn man so ratscht mit ihm über seinen Werdegang – als abgebrochener Jura-Student über die Redakteursausbildung bei der „Main-Post“ und das Politik- und Geschichtsstudium als Radio-Reporter beim Bayerischen Rundfunk gelandet zu sein –, wenn er erzählt, wie er seinen nur auf den ersten Blick einfach gestrickten Moralisten Pelzig entwickelt hat mit den Jahren und wie er versucht, mit dem Zickzack von Komik und Melancholie und Traurigkeit und Witz die Leute zu kriegen, und wenn er sich erinnert an Würzburg als „Stadt, an der man sich wunderbar reiben kann“, dann kann man auch ein Gefühl dafür bekommen, was er meint, wenn er sagt: „Heimatstädte sind ja dazu da, dass man sie liebt und hasst. Das Schlimmste ist doch, wenn sie einem gleichgültig sind.“
Bisweilen sei er schon Perfektionist, meint Barwasser. Perfektionisten werden gerne von Selbstzweifeln geplagt. „Die haben nie aufgehört.“ Er erhebt für sich den Anspruch, „immer eine ordentliche Trefferquote zu erzielen“, auch wenn er weiß, dass er nicht immer einen Volltreffer landen kann. „Ich möchte Routine nicht aufkommen lassen, und ich weiß auch, dass die Selbstzweifel nicht in Selbstzerfleischung ausarten dürfen, und sie dürfen nicht verhindern, dass man Erfolg zu akzeptieren lernt.“
Das sagt ziemlich viel über den Künstler aus, und vielleicht sagt es sogar noch mehr über den Menschen Frank-Markus Barwasser.