Standpunkt
Die Grafen und späteren Fürsten zu Castell haben seit 1091 die Region geprägt. Der Satz steht so auf der Homepage des Hauses und ist nicht in Gänze falsch, aber eben auch nicht ganz richtig. Es gibt den Adelsstand bereits seit 1919 nicht mehr, also gibt es seitdem auch keine Grafen, Fürsten und Herzöge. Der moderne Staat kennt nur Bürger, und die sind vor dem Gesetz gleich.
Der „Graf“ oder „Fürst“ ist nicht mehr als ein Teil des Nachnamens. Große Teile der Bevölkerung merken (und wissen) das nicht. Weil „Adelige“ systematisch „Graf“ und „Fürst“ wie Titel vor den Vornamen stellen und Wert auf die Anrede „Durchlaucht“ und „Erlaucht“ legen. Weil die Regenbogenpresse – und nicht nur sie – den durchlauchtigsten Hoheiten zu Füßen liegt. Weil das gemeine Volk – und nicht nur es – regen Anteil am Leben derer nimmt, denen man blaues Blut und besonders gute Manieren nachsagt: „Fürstin Gloria“ aus dem Hause Thurn und Taxis oder der „Freiherr Karl-Theodor“ aus dem Hause Guttenberg sind nur zwei markante Beispiele.
„Der Adel“ ist also quicklebendig. Er weiß das Vertrauen, das man ihm landauf-landab entgegenbringt, geschickt für seine Zwecke zu nutzen. Er mehrt Besitz und Ansehen – und setzt beharrlich die eigenen Spielregeln durch, das „Adelsrecht“ beziehungsweise das Hausrecht der jeweiligen Familie.
Dem modernen demokratischen Rechtsstaat aber ist das Hausrecht der Fürstenfamilien fremd. Er darf sich nicht zum verlängerten Arm von Lobbyisten der Adelsverbände machen lassen. Im Freistaat Bayern aber geschieht genau das. Über das Namensrecht werden Erstgeburtstitel wie zu Kaisers Zeiten reihenweise an die Oberhäupter von Adelsfamilien verliehen – indem man sie als Namensänderung kaschiert.
Eine Rechtsbeugung? Vielleicht. Auf jeden Fall ein Einknicken vor den „Durchlauchten“ und ihren Interessen. Die hohen Staatsdiener, die das anordnen, erweisen dem Rechtsstaat einen Bärendienst.