Augen zu und durch. Das war das Vernünftigste, was der Lohrer Stadtrat in der verfahrenen Situation machen konnte. Wittstadts Schneewittchen in Bronze ablehnen, weil es keinen Gefallen findet, wäre das Dümmste gewesen. Es hätte die Stadt aller Voraussicht nach eine Stange Geld gekostet und deutschlandweit dem Gespött preisgegeben– noch mehr als bisher schon. Denn wer bekommt, was er bestellt hat, dann aber nicht bezahlen will, der verspielt sein Ansehen gänzlich.
Dabei ist die umstrittene Skulptur unumstritten ein medialer Erfolg, der nicht mit Gold aufzuwiegen ist: Lohr ist jetzt in ganz Deutschland bekannt. Diesen Effekt gilt es positiv zu nutzen. Die jetzige Entscheidung ist ein erster Schritt in diese Richtung, deren Akzeptanz wäre der nächste. Eine Folge, ein Erfolg ist es auch, dass in Lohr wohl noch nie so emotional und intensiv über Kunst gestritten wurde. Genau dies will, kann und soll zeitgenössische Kunst auch: Man darf sich ruhig an ihr reiben. Sich daran aufzureiben, dazu ist keiner verpflichtet.
Nun ist die Kuh erst mal vom Eis. Den Fladen, den sie hinterlassen hat, muss der Stadtrat noch wegräumen. Dass Fehler im eigenen Hause gemacht wurden, etwa dass der Preis für das Kunstwerk nicht gedeckelt wurde, bestreitet keiner der Stadträte. Diese aufzuarbeiten, ist beschlossene Sache. Auf das Ergebnis dieser Vergangenheitsbewältigung zu warten, bevor man seine vertragliche Verpflichtung einhält, wäre hingegen ein fataler Fehler gewesen – so verständlich die Forderung auch sein mag.
Es gibt noch mehr Positives: Jenes zauberhafte Schneewittchen, das sich viele Lohrer von dem Kunstwettbewerb erhofft hatten, das bekommen sie ja auch. Parallel zum Kunstwettbewerb nämlich hat der Arbeitskreis Schneewittchen längst das Geld zusammengekratzt für ein zweites Schneewittchen, das sich wohl auf einer Bank in der Anlage niederlassen wird. Ein gegenständliches Schneewittchen zum Anfassen, eines zum Fotografieren, Selfies eingeschlossen.