Auftritt Nadja Stafl. Die stellvertretende Vorsitzende der Alternative für Deutschland (AfD) in Unterfranken erscheint verhüllt zum Redaktionsbesuch: Ihren Schal in Palästinenser-Optik hat sie umständlich um den Kopf und vor das Gesicht geschlungen. „Ich wollte Ihnen zeigen, wie es ist, wenn wir künftig mehr Rücksicht auf religiöse Befindlichkeiten nehmen müssen“, erklärt sie in Anspielung auf verschleierte muslimische Frauen. Dass sie die Pegida-Demonstrationen aktiv unterstützen, daraus machen Stafl und ihr Begleiter, der unterfränkische AfD-Chef Gottfried Walter, keinen Hehl. Beide nehmen regelmäßig an den Kundgebungen in Würzburg teil, betonen aber: „Wir sind als normale Mitbürger unterwegs, nicht als Organisatoren.“ Eine Vernetzung zwischen AfD und Pegida verneinen sie.
Dennoch sind Parallelen nicht zu übersehen. Die diffuse Angst vor einer mutmaßlichen Islamisierung der Gesellschaft und einer „schleichenden Demontage unserer Standards“ (Stafl) sowie die Forderungen nach einer „restriktiveren Asylpolitik“ (Walter) und einem konsequenten Durchsetzen deutscher Interessen in der Wirtschafts- und Außenpolitik („Warum sollen wir die ganze Welt finanzieren?“) einen Partei und Pegida. Bei einer aktuellen Emnid-Umfrage gab mehr als die Hälfte der AfD-Anhänger (54 Prozent) an, sicher oder sehr wahrscheinlich an Pegida-Kundgebungen teilzunehmen. Nadja Stafl charakterisiert die Aufmärsche in Dresden, Kassel, Düsseldorf, Bonn oder Würzburg so: „Das ist der verzweifelte Hilferuf von Menschen, die sich in diesem Staat nicht repräsentiert fühlen. Da kommen die Gefrusteten, die Nichtwähler.“ Eine Beschreibung, die eben auch auf viele AfD-Sympathisanten passt.
Pegida nehmen die beiden Unternehmer aus dem Landkreis Main-Spessart nicht als rechte Bewegung wahr. „Die meisten, die dabei sind, sind rechtschaffene Bürger, Ältere und Jüngere aus der Mittelschicht. Viele demonstrieren das erste Mal in ihrem Leben.“ Das Risiko, Seite an Seite neben Republikaner- und NPD-Funktionären oder Vertretern des verbotenen „Freien Netz Süd“ abgelichtet zu werden, nehmen sie in Kauf. Pegida-Forderungen würden nicht dadurch falsch, so sagen sie, dass sie auch von „zwei, drei Rechtsextremen“ geteilt werden. Er würde, beteuert Walter, auch auf die Straße gehen, wenn linke Parteien zur Unterstützung von freier Presse und gegen die Unterdrückung von Journalisten in der Türkei oder China aufriefen. „Die Inhalte sind entscheidend.“ Der Zweck heiligt eben die Mittel.
Stafl und Walter ärgert der Vorwurf, die Pegida-Bewegung sei fremdenfeindlich und rassistisch. „Ich bin dabei, um Nächstenliebe anzubieten“, erklärt Walter. Wie er das meint? Nur wenn alle Menschen, deren Asylbegehren bereits abgelehnt wurde, konsequent abgeschoben würden, könne man den Menschen, die „wirklich verfolgt“ seien und „unsere Werte anerkennen“, ein gutes Auskommen garantieren. „Wir mögen Ausländer“, bekräftigt Stafl, „ich bin begeistert von meiner türkischen Friseurin“. Walter schwärmt von seiner marokkanischen Mieterin. „Das passt.“ Zudem sei er beruflich in aller Welt unterwegs gewesen – und könne schon deshalb nicht ausländerfeindlich sein. Allerdings wisse er daher auch, „dass nicht alle Mentalitäten zu uns passen“. Schon heute werde zu viel Rücksicht auf Muslime genommen. Konkreter wird Walter nicht. Ob Jesus sich die Nächstenliebe im Abendland wohl so vorgestellt hat?
Die aktuelle Studie der Bertelsmann-Stiftung, wonach Ausländer, die in Deutschland leben, im Schnitt deutlich mehr an Steuern und Sozialabgaben zahlen, als sie den Staat kosten, überzeugt Stafl und Walter nicht. Lieber verweisen sie auf einen Internetartikel, in dem unter Berufung auf den Wirtschaftswissenschaftler Hans-Werner Sinn von einer „Medienlüge“ und gewaltigen Mehrkosten für Ausländer die Rede ist. Nachvollziehbar sind die Berechnungen nicht.
Überhaupt die Medien. Ein Lieblingsthema bei Pegida, wo von der „Lügenpresse“ die Rede ist. Stafl und Walter würden das gegenüber anwesenden Journalisten so nicht sagen; sie glauben aber auch, dass Meinungen, die nicht zum Mainstream passten, unterdrückt werden. So sei zum Beispiel nirgendwo zu lesen gewesen, dass die sächsische Regierung Anti-Pegida-Aktivisten für Geld angeworben habe. Dass diese Behauptung, die auf der Internetseite eines Verlags verbreitet wird, der für rechte Verschwörungstheorien bekannt ist, durch nichts belegt ist, sagen sie nicht.
Stafl und Walter scheinen zufrieden, dass ihr Gefühl der Ohnmacht gegenüber gesellschaftlichen Veränderungen („Warum dürfen Kinder nicht mehr bei ihren Eltern groß werden, sondern müssen gleich nach der Geburt in den Kindergarten?“) und der Gängelung durch den Saat („immer mehr Steuern, immer mehr Vorschriften“) mit Pegida ein Ventil findet. Wenn die AfD davon profitiert, umso besser. Dass die Trennung zwischen Demo-Protest und Parteipolitik nicht gelingt, zeigt eine E-Mail Stafls vom Wochenende. Über ihre AfD-Adresse wirbt sie für die Pegida-Demo in Würzburg. Im Betrefffeld der Nachricht steht: „Wir lieben Deutschland, wir sind hier zuhaus', jeder der das anders sieht: raus, raus, raus!“ Mitarbeit: Gisela Rauch