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Würzburger plante den „schönen Tod“

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Würzburger plante den „schönen Tod“

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    Unerwünscht: Nicht nur Erwachsene fielen der NS-„Euthanasie“ zum Opfer, sondern auch mindestens 5000 Kinder. Das Foto aus den 1930er Jahren zeigt geistig behinderte Kinder des Gottlob-Weißer-Hauses in Schwäbisch Hall mit zwei Diakonieschwestern.
    Unerwünscht: Nicht nur Erwachsene fielen der NS-„Euthanasie“ zum Opfer, sondern auch mindestens 5000 Kinder. Das Foto aus den 1930er Jahren zeigt geistig behinderte Kinder des Gottlob-Weißer-Hauses in Schwäbisch Hall mit zwei Diakonieschwestern. Foto: ArchivFoto: dpa

    Mediziner aus Würzburg waren in der Zeit des Nationalsozialismus an der Ermordung und an Zwangssterilisationen sogenannter Ballastexistenzen mitbeteiligt. Psychiater, Frauenärzte, Chirurgen. Ihre Opfer waren Menschen mit körperlichen Behinderungen, psychischen Erkrankungen, aber auch gesunde Mädchen und Frauen. Sie galten als „lebensunwertes Leben“, „geistig tot“ oder unerwünscht aus „rassehygienischen“ Gründen.

    Auf einer Gedenkveranstaltung vor vier Jahren in Berlin stellte sich die deutsche Psychiatrie erstmals in aller Deutlichkeit diesen Tatsachen. „Die Psychiatrie war verführbar und hat verführt, hat geheilt und hat vernichtet“, sagte Professor Frank Schneider, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde. Schneider sprach auch aus, was viele Opfer und Angehörige bis dahin vermisst haben: „Wir schämen uns.“ Zudem bat er um Entschuldigung für das erlittene Unrecht und Leid.

    Für dieses Unrecht und Leid war ein Würzburger Professor an führender Stelle mitverantwortlich: Werner Heyde. Er hatte von 1939 bis 1945 den Lehrstuhl für Psychiatrie und Neurologie inne, war Direktor der Nervenpoliklinik und zugleich Ärztlicher Leiter der „Aktion T4“.

    Diese Bezeichnung wurde erst nach 1945 geprägt. Sie steht für die systematische Ermordung von mindestens 70 000 Menschen zwischen 1940 und 1941 und leitet sich ab von der Adresse der Zentraldienststelle in der Tiergartenstraße 4 in Berlin. Diese Tarnorganisation war verantwortlich für die Durchführung des NS-„Euthanasie“-Programms. Adolf Hitler beauftragte unter anderen seine Reichskanzlei mit der Organisation des „schönen Todes“. In einem Schreiben, das auf den 1. September 1939 zurückdatiert wurde, wies Hitler an, dass unheilbar Kranken „der Gnadentod“ gewährt werden könne.

    Werner Heydes NS-Karriere begann bereits vor diesem Datum aufgrund einer schicksalhaften Begegnung in Würzburg. Heyde, der als besonders begabt galt und alle Prüfungen mit Bestnoten abschloss, traf auf SS-Oberführer Theodor Eicke. Der rabiate Nazi aus der Pfalz hatte Ärger mit dem dortigen Gauleiter Josef Bürckel. Dieser soll im März 1933 kurzerhand Eickes Einweisung in die Würzburger Psychiatrie veranlasst haben. Eicke versuchte, in Bittbriefen an SS-Chef Heinrich Himmler seinen Ruf zu retten. Heyde hatte daran entscheidenden Anteil. Er informierte am 22. April 1933 Himmler, dass es bei Eicke keinerlei Anzeichen einer Geistes- oder Gehirnkrankheit oder „abnormalen Persönlichkeitsveranlagung“ gebe. Wenige Tage später trat Werner Heyde auf Empfehlung Eickes in die NSDAP ein. Eicke wurde Kommandant des Konzentrationslagers Dachau.

    Auch Heydes „Aufstieg“ ging zügig voran. Er wurde Leiter des Rassepolitischen Amtes in Würzburg und Beisitzer im Erbgesundheitsgericht, wo er über Zwangssterilisationen entschied. Am 1. Juni 1936 begann seine Laufbahn in der SS. Dort wurde er „Leiter der psychiatrischen Abteilung beim Führer der SS-Totenkopfverbände/Konzentrationslager“. Bis 1941 schickte Heyde dann als Obergutachter der „Aktion T4“ Menschen in den „Gnadentod“.

    Der Ablauf des Vernichtungssystems machte es den gezielt unter der Ärzteschaft ausgewählten 40 Gutachtern und zwei Obergutachtern einfach. Sie mussten ihren Opfern nicht in die Augen schauen, sondern fällten ihre Urteile aufgrund von Meldebögen. Diese wurden ab 9. Oktober 1939 von Heil- und Pflegeanstalten eingefordert. Entscheidend waren anschließend die „Bewertungen“ der Gutachter in einer auf den Bögen schwarz umrandeten Freifläche: Ein rotes Pluszeichen bedeutete Tod, ein blaues Minus Leben. Hatten die Gutachter Zweifel, setzten sie ein Fragezeichen. Die Obergutachter übernahmen dann den letzten Schritt.

    Werner Heyde war sich bis zu seinem Suizid am 13. Februar 1964 im Gefängnis keiner Schuld bewusst. Er lebte bis 1959 unbehelligt als „Dr. Fritz Sawade“ in Flensburg.

    Nicht alle Psychiater haben damals Schuld auf sich geladen, betont Professor Jürgen Deckert, Direktor der Würzburger Klinik und Poliklinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie. Viele hätten damals versucht, keine Meldebögen abzugeben und damit den Abtransport ihrer Patienten zu verhindern. Denn schnell kamen Gerüchte auf, dass sie nicht nur in andere Pflege- und Heilanstalten, etwa nach Lohr oder Werneck, verlegt, sondern nach Kurzaufenthalten in Zwischenstationen in eine der sechs Tötungskliniken gefahren und vergast wurden.

    Nach Angaben von Professor Deckert stellt sich jetzt die Universität Würzburg auch äußerlich ihrer Verantwortung und setzt ein Zeichen beziehungsweise eine Stele zum Gedenken der Opfer. „Hier sind die Bezirkskrankenhäuser in Lohr und Werneck uns vorangegangen.“ Dort erinnern seit 1993 beziehungseise 1996 Denkmäler an die Toten. Im Zentrum der Gedenkveranstaltung stehen die Opfer wie der Wernecker Patient Wilhelm Werner.

    Am Samstag, 25. Oktober, wird um 13 Uhr die Stele im Torbogen der alten Würzburger Nervenklinik enthüllt. Zuvor findet ab 9 Uhr eine Gedenkveranstaltung im Zentrum für Psychische Gesundheit statt (Füchsleinstraße 15).

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