Ebern (BD) Der Aufruf der IG Metall zu Warnstreiks fand gestern bei den Beschäftigten von FTE automotive in Ebern großen Widerhall. Allein 900 Männer und Frauen - von insgesamt 1200 Anwesenden - legten zum Streikbeginn in der Frühschicht um 1030 Uhr die Arbeit nieder.
Am anschließenden Demozug in die Stadtmitte und der Kundgebung vor dem Alten Rathaus beteiligten sich den Schätzungen von IG Metall und Polizei zufolge etwa 700 Menschen. Für den Abend und die Nacht kündigte Jürgen Hennemann, Mitglied des Ortsvorstandes von IG Metall, weitere Warnstreiks der zweiten und der dritten Schicht an.
Bei der Kundgebung auf dem Marktplatz stand neben den aktuellen Tarifverhandlungen die drohende Verlagerung von 350 Arbeitsplätzen bei FTE im Blickpunkt. Hauptredner Gottfried Schneider, 1. Bevollmächtigter der IG Metall Bamberg, kritisierte in diesem Zusammenhang Äußerungen der CSU-Politiker Landrat Rudolf Handwerker, Sebastian Freiherr von Rotenhan und Bürgermeister Robert Herrmann (Ebern) bei der Podiumsdiskussion der CSA zum Arbeitsmarkt Haßberge vergangene Woche in Ebern. Er warf ihnen vor, nur die Position der Geschäftsleitung zu vertreten.
Landrat Rudolf Handwerker hatte dabei von einem "blockierten Arbeitsmarkt für Besitzende" aufgrund von Arbeits- und Tarifrecht gesprochen. Schneider forderte Handwerker auf, konkret zu sagen, welche Rechte zu viel seien, "und nicht außen rum zu reden".
Zur Aussage von MdL Sebastian Freiherr von Rotenhan, eine Ausbildungsvergütung von 500 bis 600 Euro sei zu hoch, sagte Schneider, kein Unternehmen sei bislang wegen der Höhe der Ausbildungsvergütung insolvent gegangen. Laut einer Studie kämen außerdem 70 bis 80 Prozent der Ausbildungsvergütung durch die Leistungen der Azubis wieder herein.
Bürgermeister Robert Herrmann hatte zu Bedenken gegeben, dass eine teilweise Verlagerung von Arbeitsplätzen notwendig sein könnte, damit nicht der ganze Betrieb in Ebern "gegen die Wand fährt". Demgegenüber sagte Schneider: "Der Betrieb fährt nicht wegen der Position gegen die Verlagerung an die Wand, sondern wegen der Politik der Geschäftsleitung". Diese setze mit der Eröffnung des neuen Werks in Tschechien auf billige Löhne und Mitnahme-Effekte.
Jürgen Hennemann machte noch einmal deutlich, dass es den Beschäftigten um eine langfristige Sicherung des Betriebs in Ebern und der Arbeitsplätze hier geht. Die Zahl der Verlagerungen von 350 müsse reduziert werden, sonst werde es kein Entgegenkommen der IG Metall in Form von Abschlägen auf die Tarifverträge geben.
Für den 11. Mai kündigte er den Besuch einer Delegation in Berlin an. Die Gewerkschaftler aus Ebern wollen Arbeitsminister Franz Müntefering und Wirtschaftsminister Michael Glos die Situation bei FTE schildern und dabei vor allem die Notwendigkeit von Investitionen in dem Eberner Betrieb vor Augen führen. Es sei notwendig "das Geld in die Hand zu nehmen, das wir im Betrieb verdienen, und zu investieren". Die Verhandlungen von IG Metall und Betriebsrat mit der Geschäftsleitung über die Verlagerung sollen nach dem Ende der Tarifverhandlung aufgenommen werden.
Zu den Tarifverhandlungen sagte Hennemann, er habe die Hoffnung auf einen Abschluss noch nicht aufgegeben. "Wir wollen keinen Streik, aber wir werden nicht davor zurückschrecken, um unsere Forderungen durchzusetzen".
Gottfried Schneider sagte zum Angebot der Arbeitgeber in den laufenden Tarifverhandlungen - eine Erhöhung der Löhne und Gehälter um 1,2 Prozent sowie Einmalzahlungen von 0,6 Prozent im Jahr 2006 und 0,4 Prozent in 2007 - , dieses sei für die IG Metall "nicht verhandelbar". Er warf den Arbeitgebern vor, sich ständig in ihren Positionen zu wiederholen. Dies lasse den Schluss zu, dass sie keine Lösung am Verhandlungstisch wollen.
Den Verlauf der bisherigen Verhandlungen fasste Schneider mit den Worten "alter Wein in neue Schläuche" zusammen. Was in den wenigen Tagen bis zum Beschluss über eine Urabstimmung und einen möglichen Streik "eine echte Gratwanderung" sei. Er ließ keinen Zweifel daran, dass IG Metall und Beschäftigte zu beidem entschlossen seien, wenn die Arbeitgeber "nicht die letzte Chance für ein vernünftiges Angebot und Verhandlungsergebnis nutzen".
Sollte bis kommenden Montag kein Ergebnis zustande kommen, werden die Verhandlungen für gescheitert erklärt, kündigte Schneider an. Dann werde die Urabstimmung für den Tarifbezirk Bayern beantragt. "Wer kämpft, kann verlieren, wer nicht kämpft, hat schon verloren", sagte Schneider unter dem Beifall der Beschäftigten.