(mim) Ordentlich bis sehr gut ist die Hausarzt-Versorgung im Raum Hofheim, meint Dr. Erhard Stubenrauch (Foto). Als Obmann der Kreisgruppe der Hausärzte im nördlichen Landkreis Haßberge überblickt der Hofheimer Allgemeinmediziner die Situation. Er sieht dennoch das Problem, dass künftig die Luft für Arztpraxen auf dem Land dünner wird. Neben dem Nachwuchsmangel macht er für die Probleme der Praxen maßgeblich die Gesundheitspolitik und die Krankenkassen verantwortlich, die Allgemeinärzten drangsalierten und in den Bankrott trieben.
In Hofheim praktizieren derzeit in fünf Praxen neun Ärzte – „das ist eine sehr gute Situation“, sagt Stubenrauch. Er selbst ist 63 Jahre alt und denkt noch nicht ans Aufhören. Er betreibt seine Praxis zusammen mit einem Kollegen. Auch in der Umgebung gebe es (noch) genügend Hausärzte, zählt Stubenrauch auf: zwei in Burgpreppach (beide um die 50 Jahre alt), zwei in Maroldsweisach/Ermershausen (um die 40), ab Juli noch einer in Königsberg (Mitte 40) und ein Ärzte-Ehepaar in Mechenried (Anfang 50). In der Summe sind das 16 Ärzte. Im ganzen Landkreis praktizieren aktuell 45 Hausärzte.
Was dem Hofheimer Arzt Sorgen-, aber auch Zornesfalten auf die Stirn treibt, das ist das finanzielle Desaster, in dem nach Stubenrauchs Schilderungen die meisten Hausärzte stecken, sowie die überbordende Bürokratisierung, die Politik und Krankenkassen den Ärzten überstülpten. Um die Kritik des Ärzte-Obmanns deutlich zu machen, genügt – bei aller Verkürzung des komplexen Themas – eine nachvollziehbare Rechnung: Eine kleine Hausarztpraxis verursacht (inklusive Arztgehalt) jährlich Betriebskosten von etwa 300 000 Euro. Bei 1000 betreuten Patienten muss die Praxis also pro Nase und Quartal 75 Euro einnehmen – um die Kosten zu decken. Krankenkassen und Kassenärztliche Vereinigung haben jedoch eine Behandlungspauschale von 50 Euro pro Quartal und gesetzlich versichertem Patient festgelegt.
Hinzu kommt, so Stubenrauch, die Staffelung der ausgezahlten Pauschalen („eine echte Sauerei“): Je mehr Patienten ein Arzt betreut, desto weniger verdient er an jedem Einzelnen – ab dem 1601. Patienten gibt es demnach gar nichts mehr. Eine weitere Unmöglichkeit sind nach Ansicht Stubenrauchs – und vieler seiner Kollegen – die Regressforderungen, die die Krankenkassen von Ärzten einklagen können, wenn diese mehr Kosten durch verschriebene Medikamente und Heilmittel verursachen, als zugestanden.
„Kein Arzt verschreibt mehr als nötig“, sagt Stubenrauch. Dennoch reiche das Budget nicht. „Gegen mich bestehen Regressforderungen von 320 000 Euro“, sagt der Hofheimer Arzt offen. Solche Drohungen, verbunden mit dem emotionalen Druck, sagt er, können Praxen ruinieren – oder jungen Ärzten die Motivation nehmen, eine Allgemeinpraxis zu eröffnen.
Stubenrauchs Verdacht geht soweit, dass er behauptet, dass Krankenkassen und Politik gar kein Interesse daran hätten, dass Arztpraxen auf dem Land fortbestehen. Seine Begründung: Drei Millionen Euro Kosten verursacht eine durchschnittliche Praxis jährlich – für verschriebene Behandlungen, Krankenhausaufenthalte, Medikamente und den Betrieb. Die ließen sich zumindest teilweise sparen, wenn das Netz der Arztpraxen ausdünnt. Denn: Nicht jeder Patient kann über 30 Kilometer hinweg problemlos zum nächsten Arzt fahren, erklärt er am Beispiel von Kirchlauter, wo vor kurzem eine Praxis geschlossen hat. Da wird dann auf manchen Arztbesuch verzichtet – was natürlich auch Folgekosten verursacht, weil zu spät behandelte Krankheiten oft deutlich teurer kommen, als wenn rechtzeitig behandelt worden wäre.