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Sand am Main: Ampel am Galgen: Drastischer Darstellung bei Faschingszügen im Landkreis Haßberge sorgt für Kontroverse

Sand am Main

Ampel am Galgen: Drastischer Darstellung bei Faschingszügen im Landkreis Haßberge sorgt für Kontroverse

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    An mehreren Faschingszügen in der Region war ein Wagen beteiligt, an dem eine Ampel an einem Galgen hing. Dieses Bild entstand beim Umzug in Obertheres.
    An mehreren Faschingszügen in der Region war ein Wagen beteiligt, an dem eine Ampel an einem Galgen hing. Dieses Bild entstand beim Umzug in Obertheres. Foto: Christian Licha

    Der Fasching ist für diese Saison vorbei. Doch die Art, wie im Landkreis Haßberge die Regierung kritisiert wurde, erfordert aus Sicht von Kritikern eine Aufarbeitung. Dabei ist ein Wagen in den Fokus geraten, der an mehreren Faschingsumzügen in der Region teilgenommen hat, unter anderem in Sand, Obertheres und Dampfach. Mit diesem war eine Gruppe unterwegs, deren Mitglieder sich als Cowboys verkleidet hatten, der Wagen selbst war in Western-Optik dekoriert. Am Wagen war ein Galgen angebracht, an dem ein Strick hing. In der Schlinge baumelte eine hölzerne Ampel.

    Kritiker spricht von "Vergiftung der politischen Landschaft"

    Dass es sich hier um eine Anspielung auf die Bundesregierung handelt, die aufgrund der Parteifarben auch als "Ampel" bezeichnet wird, dürfte offensichtlich sein. "Ich finde es vollkommen unangebracht", sagt Paul Hümmer, der den Wagen auf dem Faschingsumzug in Sand gesehen hat. "In einer Demokratie braucht es eine Streitkultur, aber es muss nach Spielregeln gehen."

    "In einer Demokratie braucht es eine Streitkultur, aber es muss nach Spielregeln gehen."

    Paul Hümmer (SPD), ehemaliger Gemeinderat in Sand

    Doch mittlerweile seien die Sitten verroht, betont der SPD-Politiker, der lange Mitglied im Sander Gemeinderat und früher selbst als Dritter Bürgermeister am Faschingszug beteiligt war. Heute spricht er von einer "Vergiftung der politischen Landschaft".

    Faschingskomitee verteidigt den Wagen

    Eine Kontaktaufnahme mit der Gruppe, die den Wagen gestaltet hatte, war der Redaktion nicht möglich. Beim Faschingskomitee Sand kann man die Verärgerung über den Wagen nicht nachvollziehen. "⁠Kritik an der Politik gehört traditionell zum Fasching dazu", betont Julian Müller in einer Stellungnahme, die er im Auftrag des Komitees verfasst hat. CSU-Politiker Müller war am Tag des Faschingsumzugs zudem amtierender Bürgermeister, da Rathauschef Jörg Kümmel (Freie Sander Bürger) krank war und Müller sein Stellvertreter ist.

    Der Wagen war in Western-Optik gestaltet, die Gruppe trug Cowboy-Kostüme. Hier fährt der Wagen durch die Straßen von Sand.
    Der Wagen war in Western-Optik gestaltet, die Gruppe trug Cowboy-Kostüme. Hier fährt der Wagen durch die Straßen von Sand. Foto: Christian Licha

    Er verweist unter anderem auf die recht drastischen Darstellungen auf den Motivwagen in Karnevalshochburgen wie Köln oder Düsseldorf. Dort war unter anderem Bundeskanzler Olaf Scholz mit einem großen Loch im Kopf dargestellt worden, betitel als "Kanzler Hohlaf Scholz". Müller betont, diese und andere Darstellungen seien "von der Kunstfreiheit gedeckt".

    Hümmer sieht in dem Galgen Gewaltverherrlichung

    Den Vergleich will Paul Hümmer aber nicht gelten lassen. Dass jemand als dumm darstellt wird, müsse man hinnehmen, sagt er. Was ihn störe, sei nicht, dass die Regierung kritisiert wird, sondern die Symbolik, die hinter einem Galgen steht. "Ein Galgen hat immer etwas mit einer Hinrichtung und Gewalt zu tun", betont Hümmer. In Diktaturen werde diese Hinrichtungsmethode oft zur Abschreckung verwendet.

    Harte Kritik, aber ohne Gewaltfantasien: Beim Rosenmontagszug in Düsseldorf wurde Bundeskanzler Scholz als Hohlkopf dargestellt.
    Harte Kritik, aber ohne Gewaltfantasien: Beim Rosenmontagszug in Düsseldorf wurde Bundeskanzler Scholz als Hohlkopf dargestellt. Foto: Federico Gambarini, dpa

    In einer Demokratie müsse mit Worten um die richtige Lösung gestritten werden. Bei Gewaltverherrlichung – und eben die sieht er in dem Galgen – sei eine Grenze überschritten, was der Veranstalter des Faschingszuges nicht hätte tolerieren dürfen. Seiner Meinung nach hätte das Faschingskomitee klar sagen müssen: "Entweder der Galgen geht weg oder der Wagen fährt nicht mit." Hümmer betont, er wolle jetzt nicht "nachkarten", aber es sei wichtig, so etwas künftig zu vermeiden. "Man kann ja aus Fehlern lernen, dann war der Fehler auch nicht umsonst."

    Faschingskomitee gibt an, den Galgen nicht bemerkt zu haben

    Weiter sagt Müller, eine Ampel am Galgen stelle nach aktueller Rechtsauffassung keinen Straftatbestand dar, und verweist auf Fälle, in denen sich Staatsanwaltschaften mit der Frage beschäftigt hatten. "Als Faschingskomitee sind wir nicht die Sittenpolizei, die entscheidet, was geschmacklos ist und was nicht." Obwohl der Verein, der den Umzug organisiert, den Galgen mit der Ampel gegen Kritik in Schutz nimmt, heißt es in dem Schreiben auch: "Als Komitee sind wir vor Beginn der Veranstaltung alle Wägen abgegangen, dort ist uns der Galgen nicht aufgefallen."

    "Als Faschingskomitee sind wir nicht die Sittenpolizei, die entscheidet, was geschmacklos ist und was nicht."

    Julian Müller (CSU), zweiter Bürgermeister und Mitglied des Faschingskomitees

    Auch bei der DJK Dampfach, die den dortigen Nachtumzug mitorganisiert, heißt es aus dem Vorstand, man habe den Galgen am Wagen nicht bemerkt. Vorsitzender Bernd Riedlmeier und zweiter Vorsitzender Thomas Persch erklären, sie hätten sich vor allem um die Sicherheit und den reibungslosen Ablauf der Veranstaltung gekümmert und daher nicht auf jedes Detail an den Wagen geachtet.

    Persch sagt, da er den Wagen selbst nicht gesehen hat, könne er den Fall nicht beurteilen und wolle deshalb auch niemanden verurteilen. Riedlmeier meint: "Die Ampel ist halt in der Kritik." Jeder müsse mit sich selbst ausmachen, was er sieht oder sehen will. "Es ist halt Fasching."

    Faschingsmuseum Kitzingen: Wenn der Humor primitiven Beleidigungen weicht

    Und was sagt eine Expertin zu dem Fall? "Die Fastnacht ist seit ihren Ursprüngen im Mittelalter ein Fest der Grenzüberschreitung und Umkehrung", schreibt Dr. Katrin Hesse, Museumsleiterin des Deutschen Fastnachtmuseums in Kitzingen, "Das macht ihr Wesen aus als teuflische, sündige Gegenwelt zur auf sie folgenden frommen Fastenzeit."

    Im Rahmen der "political correctness" werde das Museum auch oft mit der Frage konfrontiert, "was man darf und wo die Grenzen sind". Das Museum habe vor allem die Aufgabe, Entwicklungen zu beobachten und zu dokumentieren. "Insgesamt lässt sich jedenfalls eine Tendenz beobachten, den (politischen und sonstigen) Gegnern bei Fastnacht auf wenig humoristische, manchmal sogar sehr primitive Weise die (realen oder eingebildeten) Verfehlungen um die Ohren zu hauen."

    Was sie von der Bundesregierung und speziell von den Grünen halten, macht die Gruppe auch mit einem Schild vorne am Zugfahrzeug deutlich.
    Was sie von der Bundesregierung und speziell von den Grünen halten, macht die Gruppe auch mit einem Schild vorne am Zugfahrzeug deutlich. Foto: Christian Licha

    Zum Vergleich führt sie Büttenreden aus den 70er Jahren an, die deutlich eleganter gewesen seien. Als Beispiel nennt sie das "Bonner Nachtgebet" von Rolf Braun. Es stammt aus der Zeit, als Franz Josef Strauß Bundeskanzler werden wollte. In seiner Büttenrede betete Braun, Gott möge Strauß Gesundheit und ein langes Leben schenken und endete mit: "Lass ihn noch viele Feste feiern, aber lass ihn auch in Bayern." Obwohl das "pointiert und doch nicht unter der Gürtellinie" gewesen sei, habe der "Bayern Kurier" damals erbost reagiert.

    Grenzen zu stecken ist Aufgabe der Gesellschaft

    "Aber auch das, wenngleich humorlos, bewegte sich im Rahmen einer zivilisierten Auseinandersetzung", kommentiert Museumsleiterin Hesse die Reaktion der CSU-Zeitung. "Insofern ist es auch immer Aufgabe der Gesellschaft, die Grenzen zu stecken." Wenn bei unwitzigen Witzen applaudiert werde, kämen davon noch mehr nach. "Aber wenn Widerspruch folgt, hat das durchaus Konsequenzen – und sei es auch nur, dass die Macher vielleicht ins Nachdenken kommen."

    Andererseits müsse man als Politiker damit leben, dass man durch den Kakao gezogen wird. "Vulgäre Beschimpfungen wiederum sollten in jedem Rahmen tabu sein - nicht nur bei der Fastnacht." Zum konkreten Fall des Galgens äußert sie sich aber nicht.

    Theres: Bürgermeister ist hin- und hergerissen

    Auf diesen angesprochen sagt Matthias Schneider (CSU), Bürgermeister von Theres, ihm selbst sei der Wagen auf dem Faschingszug in Obertheres nicht aufgefallen. In der Bewertung sei er hin- und hergerissen. Einerseits könne er verstehen, dass manche Leute ihren Frust über die Regierung loswerden wollten. Und immerhin habe ja keine konkrete Person am Galgen gehangen.

    Andererseits könne er auch die Kritik nachvollziehen, dass damit Gewalt verherrlicht werde. "Ich bin gegen Gewalt und Beleidigungen", sagt er. "Und es ist schon gefährlich, wenn man mit solchen Motiven hantiert."

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