Im Jahr 1961 gründete Diplom-Ingenieur Günter Baur in Haßfurt einen Ein-Mann-Betrieb. Mittlerweile ist aus dem Architektur- und Ingenieurbüro "Baurconsult Architekten Ingenieure" ein mittelständisches Unternehmen mit mehr als 300 Mitarbeitenden geworden, 220 davon am Standort Haßfurt. Das Wachstum hat nun eine weitere Veränderung nötig gemacht: Neuerdings ist das Unternehmen eine Aktiengesellschaft. Und das ist durchaus etwas Besonderes.
Erst seit diesem Jahr haben Architekturbüros in Deutschland überhaupt die Möglichkeit, sich die Rechtsform "AG & Co. KG" zu geben. Baurconsult gehört eigenen Angaben zufolge zu den ersten, die diese genutzt haben. Im Gespräch mit der Redaktion erklären Mitglieder der Geschäftsführung sowie Marketingleiterin Marina Willinger, was es damit auf sich hat.
Wachstum des Unternehmes macht neue Rechtsform notwendig
"Dieser Schritt unterstreicht das kontinuierliche Wachstum und die Zukunftsausrichtung des Unternehmens", so Willinger. Bisher war Baurconsult eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR). Für kleinere Unternehmen mag diese Rechtsform angemessen sein, ab einer gewissen Größe ergäben sich daraus aber Probleme, wie die Peter Kuhn erklärt.
Kuhn ist heute Geschäftsführer von Baurconsult. Zuvor hatte er die Firma zusammen mit Andreas Baur geleitet, dem Sohn des Firmengründers. Mittlerweile hat sich Andreas Baur in den Ruhestand verabschiedet.
Haftung bis in die Privatinsolvenz: Die Probleme einer GbR
Im Gespräch mit der Redaktion machen Peter Kuhn und sein Sohn Sebastian, der ebenfalls zur Geschäftsführung gehört, deutlich, dass die Rechtsform einer GbR für ein Unternehmen dieser Größe nicht mehr zeitgemäß sei. Zudem sei "die private Haftung bei über 300 Mitarbeitern schon eine Ansage". Denn in einer GbR müssten alle Gesellschafter mit ihrem Privatvermögen haften – bis zur persönlichen Insolvenz.
Für die Geschäftsführung von Baurconsult stellte sich somit die Frage, für welche neue Rechtsform man sich entscheiden sollte. Peter Kuhn erklärt, dass es für Architekturbüros erst seit diesem Jahr in Deutschland überhaupt möglich sei, eine Form zu wählen, die auf "...& Co. KG" endet. Zuvor war Freiberuflern – wie Architekten – der Zugang zu einer Kommanditgesellschaft (KG) verwehrt.
Schließlich kann es schwere Folgen haben, wenn beispielsweise eine Ärztin, ein Architekt oder eine Anwältin einen Fehler macht. Für solche Fehler sollten die Angehörigen der betreffenden Berufsgruppen weiterhin zur Verantwortung gezogen werden können, weshalb der Gesetzgeber ihnen keine Rechtsform erlaubte, die die Haftung dafür reduziert.
Neue Möglichkeit, das unternehmerische Risiko zu reduzieren
Das Problem dabei: Je mehr eine Firma und damit auch die Zahl ihrer Mitarbeitenden wächst, desto größer wird auch das unternehmerische Risiko, erklärt Sebastian Kuhn. Deshalb sei jetzt ein neues Modell geschaffen worden, das es möglich macht, die Haftung für das unternehmerische Risiko zu reduzieren, aber weiterhin für Fehler zu haften.

Von vielen Unternehmen der Branche würde zu diesem Zweck eine GmbH & Co. KG gegründet. "Das wollten wir aber nicht", so Sebastian Kuhn, "damit wir uns schon darin deutlich von einem Bauunternehmen abgrenzen."
Aufsichtsratsposten als Anreiz für Fachleute
Ein wichtiger Grund, warum für Baurconsult die Form einer Aktiengesellschaft (AG) besonders interessant war, hat etwas mit Netzwerkarbeit zu tun. Sebastian Kuhn erklärt: "Wir haben uns bewusst entschieden, Partner zu holen, die uns weiterbringen." Doch um diesen wichtigen Input von Fachleuten zu bekommen, müsse man ihnen auch etwas bieten können. Da sei es von Vorteil, dass eine Aktiengesellschaft im Gegensatz zu einer GmbH einen Aufsichtsrat hat. So komme man an Expertinnen und Experten heran, für die ein Aufsichtsratsposten interessant ist.
Darüber hinaus eröffne die AG & Co. KG mehr Flexibilität in der Unternehmensführung, indem Prokura und andere wichtige Funktionen an qualifizierte Mitarbeiter übertragen werden könnten. "Der Rechtsformwechsel stärkt daher nicht nur unsere Managementstrukturen, sondern fördert auch die Weiterentwicklung und Verantwortung unserer Mitarbeitenden", so Peter Kuhn. "Für unsere Geschäftspartner und Kunden bleibt dabei alles unverändert."

Auch für die Belegschaft werde sich durch den Wechsel der Rechtsform nichts ändern. "Die Arbeitsverhältnisse bleiben erhalten, es erfolgt kein Arbeitgeberwechsel", sagt Sebastian Kuhn. Seit Mitte Oktober ist die Änderung der Rechtsform offiziell in trockenen Tüchern. Sie gilt allerdings rückwirkend ab 1. Januar.
Aktien, die nicht an der Börse gehandelt werden
Die Aktien werden übrigens nicht an der Börse gehandelt. Und das sei gar nicht unüblich, erklärt Sebastian Kuhn. Denn auch wenn viele Menschen bei dem Wort sofort an den Wertpapierhandel denken: Letztlich handelt es sich bei einer Aktiengesellschaft lediglich um eine Rechtsform, bei der die Geschäftsanteile als Aktien bezeichnet werden. Eine Pflicht, diese auszugeben und mit ihnen handeln zu lassen, gibt es aber nicht.
Gerade für mittelständische Unternehmen könne es daher sinnvoll sein, diese Rechtsform zu wählen, die Aktien aber selbst zu behalten und damit das Eigentum an der eigenen Firma nicht aus der Hand zu geben. Für ebendiesen Weg hat sich Baurconsult entschieden.
Neuer Standort in München
Neben der Umstrukturierung expandiert Baurconsult weiter. Das Unternehmen hat mittlerweile neun Standorte in ganz Deutschland, zuletzt kam einer in München dazu. Das neue Büro mache "die Wege kürzer", erklärt Sebastian Kuhn, beispielsweise zur Technischen Universität München, die bayernweit die einzige universitäre Architekturausbildung bietet. Der Standort ermögliche eine noch engere Zusammenarbeit mit lokalen Auftraggebern und Partnern in der Region.

Dass der neue Standort einen besonderen Fokus auf Projekte in der Wasserversorgung legt, hängt laut Geschäftsführer Peter Kuhn damit zusammen, dass derzeit eine Studie die Wasserverteilung von Süden nach Norden in Bayern untersuche – ein Thema, dessen Brisanz in den kommenden Jahren gewaltig zunehmen werde.