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KREIS HASSBERGE: Da antwortet der MP3-Specht

KREIS HASSBERGE

Da antwortet der MP3-Specht

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    Direkt am nördlichen Stadtrand von Zeil in Fahrtrichtung Krum geht es rechts rein. Dann einige hundert Meter über einen geschotterten, von frühlingshaft hellgrünen Bäumen gesäumten Waldweg stetig leicht bergan. Vorbei an zwei, drei Fischteichen. Auf einem kleinen Platz am Rande einer Wegkreuzung steht eine Flotte von mehreren gleichfarbigen BMW X 3. Die Revierleiter des Amts für Landwirtschaft und Forsten Schweinfurt treffen sich, um sich über die derzeit laufenden Vogel-Kartierarbeiten informieren zu lassen.

    Warum die Kartierung der Vogelarten? Seit Jahren gibt es das Bestreben, europaweit ein Netzwerk von Schutzgebieten für bedrohte Pflanzen- und Tierarten zu knüpfen. „Natura 2000“ ist das Projekt überschrieben. Wichtige Bausteine in einem solchen Netzwerk sind auch Vogelschutzgebiete, international als SPA (Special Protection Areas) bezeichnet. Eines dieser Schutzgebiete heißt „Haßbergtrauf und Bundorfer Wald“. Wie der Name verrät, besteht es eigentlich aus zwei Flächen, die sich nicht einmal berühren (siehe Grafik).

    Nachdem in den vergangenen Jahren die Schutzgebiete räumlich festgelegt wurden, geht nun die Feinabstimmung in den einzelnen Parzellen weiter. Dabei geht es unter anderem um Fragen, was im jeweiligen Schutzgebiet beispielsweise bei der Holzbewirtschaftung später noch möglich ist oder eben nicht.

    Dafür müssen für alle Schutzgebiete Managementpläne erstellt werden. Darin wird zusammengetragen, was das Gebiet besonders schutzwürdig macht. Population und Qualität der Lebensräume wird ermittelt, um sicherzustellen, dass diese hohe Qualität erhalten bleibt. Auf Basis des Managementsplans wird schließlich festgelegt, dass alles, was zu einer erheblichen Verschlechterung der Lebensräume und Arten führt, verboten ist.

    Die Gruppe der Revierleiter, mit ihrem Abteilungsleiter, Forstoberrat Franz Eder, wird von Harald Schott und Manfred Hußlein mit Handschlag begrüßt. Diplom-Forstwirt Schott arbeitet für das Gutachterbüro IVL (Institut für Vegetationskunde und Landschaftsökologie), Hußlein ist in Teilzeit bei der Unteren Naturschutzbehörde am Landratsamt Haßberge beschäftigt und unterstützt Schott und das Büro IVL als freier Mitarbeiter. Beide Männer sollen im Schutzgebiet „Haßbergtrauf und Bundorfer Wald“ die Vogelpopulation zu untersuchen.

    Noch während der Begrüßung reißt Schott plötzlich sein Fernglas hoch. Keine 15 Meter entfernt, klettert ein bunter Vogel im Wipfel eines teilweise abgestorbenen Baums herum, steckt seinen Kopf in ein Loch. Er füttert. Man hört das Fiepen junger Vögel, dann fliegt der Altvogel weg, lässt einen keckernden Laut hören. „Das war ein Mittelspecht“, ein inzwischen durchaus selten gewordener Vogel, erklärt Schott. Gerade solche raren Arten bezeugen die hohe Wertigkeit des Schutzgebietes.

    Für ihre Untersuchungen haben sich Schott und Hußlein vier Probeflächen von je vier Quadratkilometern ausgesucht. Jede dieser Flächen muss im Laufe des Jahres mehrfach begangen werden. Die dabei beobachteten oder zumindest gehörten Vögel werden in Kartenmaterial eingetragen, wenn sie mindestens dreimal festgestellt wurden. Alle so entdeckten Vögel werden in einer Gesamtartenliste aufgeführt. Hußlein schätzt, dass man so an die 60 verschiedenen Arten im Schutzgebiet zusammenbringen wird – Amsel, Kohlmeise, Buchfink oder Rotkehlchen. Das Hauptaugenmerk der beiden gilt dabei aber den so genannten „wertgebenden Arten“, besonders seltenen und darum schützenswerten Vögeln wie Mittel- und Schwarzspecht, Hohltaube, Habicht und Halsbandschnäpper. Aus den in den vier Probeflächen gewonnenen Erkenntnissen können die Fachbehörden dann den Vogelbestand im gesamten Schutzgebiet hochrechnen.

    Es herrscht Hochbetrieb im Wald. Während manche Vogelarten noch mit der Balz beschäftigt sind, betreiben andere schon Brutpflege. Kein Wunder, dass ein vielstimmiges Vogelstimmenkonzert zu hören ist. Hußlein hört aufmerksam zu, bestimmt im Sekundentakt die einzelnen Rufe und ordnet sie den Arten zu. Beeindruckend.

    „Übung macht den Meister“, sagt Hußlein. „Das ist, wie wenn man Wörter einer Sprache lernt.“ Immer wenn er mit dem Auto unterwegs ist, legt er eine CD mit Vogelstimmen-Aufnahmen ein, prägt sich Tonarten und Klangfolgen ein. Keine leichte Aufgabe, wenn man bedenkt, wie viele Vogelarten es in der Region gibt und dass eine Vogelart je nach Anlass auch mehrere Rufe im Angebot hat. „Es gibt Experten, die hören bei einer Vogelart regional verschiedene Dialekte heraus und können so die Region bestimmen“, sagt Hußlein.

    Damit man alle Vögel eines Gebiets „verhören“ kann, ist es ratsam, einfach ruhig im Wald stehen zu bleiben. Und man kann dem Ganzen auch nachhelfen. „Mit einer Klangattrappe“, sagt Schott. Er holt einen MP 3-Player aus einer Hosentasche und schließt einen kleinen, schwarzen Kugellautsprecher an. „Über 600 Vogelarten mit ihren verschiedenen Rufen sind da gespeichert“, sagt er. Ein Knopfdruck von ihm und schon ertönt der Ruf eines Mittelspechts aus dem Lautsprecher. Gleich danach kommt die Antwort aus dem Wald. Ein echter Specht antwortet dem MP 3-Specht. „Das sind Rivalengesänge“, erklärt Schott den Förstern, „damit kann man das Männchen zur Weißglut treiben.“ Aus Naturschutzgründen bringe er deshalb seine digitale Klangattrappe nicht zu oft hintereinander zum Einsatz.

    Etwa 500 Meter weiter der nächste Halt der Exkursion: Bei ihren bisherigen Untersuchungen haben die beiden Vogelexperten eine mächtige Buche entdeckt, in deren oberen Hälfte sich ein längliches, knapp 15 Zentimeter großes Loch befindet. „Da brütet ein Schwarzspecht. Allerdings sind die Tiere sehr scheu“, sagt Hußlein. Er hat noch nicht fertig gesprochen, da ertönt über den Köpfen plötzlich der charakteristische Ruf des Schwarzspechts. Ein großer schwarzer Vogel mit einem leuchtend roten Fleck am Hinterkopf kommt angeflogen und setzt sich außen an das Loch. Fast eine Minute lang lässt sich das Tier bestaunen. Die Förster sind begeistert.

    Es geht weiter zum nächsten Halt. In einem lichten Eichenwald haben die Kartierer mehrere Greifvogel-Horste in den Baumkronen entdeckt. Es sei unklar, ob sie derzeit bewohnt sind, will Schott gerade erklären, als direkt vor der Gruppe ein Mäusebussard und ein Habicht aufsteigen. Schott ist wieder sichtlich begeistert. Mit Recht. Denn eine bessere Regie für die Führung hätte es nicht geben können.

    Zahlreiche Nachfragen der Förster haben die Vogelexperten zu beantworten. Es geht um die Spechtlöcher in Buchen, Eschen, Eichen, den Schutzradius um einen Habichtshorst, den Unterschied zwischen Mäuse- und Wespenbussard. Doch der Kern aller Fragen ist: Wie kann der Vogelschutz im Wald noch verbessert werden?

    Nach drei Stunden ist man wieder zurück am Ausgangspunkt. Franz Eder bedankt sich bei den beiden Führern mit Handschlag. Die X 3-Flotte der Förster setzt sich wieder in Bewegung. Und hoch oben, im grünen Dach des Waldes, geht das vielstimmige Konzert weiter.

    Haßbergtrauf und Bundorfer Wald

    Eine Fläche von rund 9300 Hektar umfasst das Vogelschutzgebiet Haßbergtrauf und Bundorfer Wald. Dreiviertel davon sind Waldgebiete. Rund 67 Prozent der schutzwürdigen Waldflächen gehören dem Freistaat Bayern, etwa 20 Prozent den Kommunen, und rund 13 Prozent sind in Privatbesitz. Das Gebiet reicht von Sulzfeld bis Stettfeld und berührt die Landkreise Schweinfurt, Rhön-Grabfeld und Haßberge. Ansprechpartner für die Landkreise Haßberge und Schweinfurt ist Gebietsbetreuer Stefan Friedrich am Amt für Landwirtschaft und Forsten Schweinfurt,Tel. (0 97 21) 2 09 85 51. Im Landkreis Rhön-Grabfeld ist es Michael Schneiderbanger, Tel. (09 71) 7 12 52 20.

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