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ZEIL: Der Irrglaube der Zeiler

ZEIL

Der Irrglaube der Zeiler

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    Vor 35 Jahren inszenierte man am Fasenachtssonntag auf dem Zeiler Marktplatz eine Hexenverbrennung. Dabei war die Grenze zwischen der Märchenhexe und den Opfern des Hexenwahns nur wenig geläufig.
    Vor 35 Jahren inszenierte man am Fasenachtssonntag auf dem Zeiler Marktplatz eine Hexenverbrennung. Dabei war die Grenze zwischen der Märchenhexe und den Opfern des Hexenwahns nur wenig geläufig. Foto: Fotos: Ludwig Leisentritt

    Mit dem Ende des Hexenwahns zwischen 1616-1631, der rund 400 Opfer forderte, endete in Zeil nicht der Glaube an Zauberei und Hexerei, wie bereits im ersten Teil berichtet.

    Einen weiteren Einblick in den doch recht weit verbreiteten Teufelsglauben dieser Zeit gibt ein Vorfall aus dem Jahre 1686. Stefan Niehl wehrte sich gegen den Vorwurf der Ehefrau von Conz Wels. Dieser soll ihr etliche weiße Wäschestücke aus dem Haus gestohlen haben. In diesem Zusammenhang hatte sie eine Schachtel mit geheimnisvollem Inhalt in das Grab eines verstorbenen Mannes geworfen. Zwei Frauen hätten ihr erzählt, dass der Wäschedieb dadurch ausdorren werde. Die Witwe sah ihr unrechtes Tun ein. Der Pfarrer, der davon hörte, hatte ihr bereits eine Kirchenstrafe von drei Talern auferlegt.

    Auch der Stadtrat war höchst ungehalten über derlei Aberglauben. Nach längerem Verhör kam zutage, dass Gertraud Pausewein den zwei Frauen diese „teuflische Lehr“ anvertraute. Diese gab an, sie habe davon schon vor langer Zeit gehört. Sie wisse aber nicht, zu was sie diene. Als Urheberin strafte sie der hohe Rat mit dem Tragen der Geige ab.

    1684 ließ Bürgermeister Eitelglas den aufmüpfigen Wagner Klaus Götz in Haft nehmen. Auf dem Weg ins Gefängnis fing Götz an, den Bürgermeister einen Schelmen und Bärenhäuter zu nennen. Er wäre ein viel ehrlicherer Mann als der Bürgermeister, zumal ihm kein Vater und keine Mutter – wie dem Bürgermeister – verbrannt worden sei. Das so attackierte Stadtoberhaupt verlangte „ex officio“, also von Amts wegen, den Klaus Götz zur öffentlichen Abbitte anzuhalten. Der berief sich darauf, einen Rausch gehabt zu haben und nicht mehr zu wissen, was er geredet habe. Weil es eine Anordnung der Obrigkeit gegen derlei Verleumdungen gegenüber einem Stadtoberhaupt gab, musste der Mann neben einer Geldstrafe vor der ganzen Bürgerschaft Abbitte leisten.

    Geigen und Schnabel tragen: Mit dem Tragen der Schandgeige oder des Schnabels wurden Frauen bzw. Männer bestraft, die noch Generationen nach der Hexenverfolgung Mitbürger als Hexen und Hexer verleumdet haben.
    Geigen und Schnabel tragen: Mit dem Tragen der Schandgeige oder des Schnabels wurden Frauen bzw. Männer bestraft, die noch Generationen nach der Hexenverfolgung Mitbürger als Hexen und Hexer verleumdet haben. Foto: Ludwig Leisentritt

    Ein besonders krasses Beispiel von Teufels- und Hexenglauben taucht in den Ratsakten 1692 auf. Die Frau des Vorstadtmüllers Max Jäcklein wurde von Nikolaus Götz beschuldigt, sie habe seine Ehefrau eine „geborene Hexe“ gescholten. Vor dem Rat gab die Frau dieses Schimpfwort zu, wies jedoch darauf hin, dass die Müllerin sie zuvor eine Hur geheißen habe. Außerdem soll sie erzählt haben, die Frau des Klägers sei deswegen in der Amtstadt Bamberg mit dem Stock ausgehauen und „gesteiniget“ worden.

    Doch nicht genug: Als der Müller seinen Mühlschutz fegte, habe die Frau gedroht , sie wolle ihm „eins anmachen“, worauf er dann auch kurz darauf erkrankte. Anlässlich einer Wallfahrt nach Vierzehnheiligen wollte der Müllermeister diesen Vorgang einem dortigen Beichtvater anvertraut haben. Auf dem Zeiler Rathaus gab er zu Protokoll, dass dieser ihm geraten hätte, er solle nach Hause gehen und die Frau totschießen. Des Weiteren berief sich der Müller auf eine Aussage der Klägerin, dass ihre Mutter ihr mit einem vergifteten Apfel ein Aug ausgeworfen habe. Das sei der Grund, warum sie behaupte, die Frau sei eine Hexe, „wie ihre Mutter auch.“

    Brunnenrelief: Dieses Relief am Speiersgässer Brunnen, soll das traurige Kapitel des Hexenwahns auch für die Zukunft wach halten.
    Brunnenrelief: Dieses Relief am Speiersgässer Brunnen, soll das traurige Kapitel des Hexenwahns auch für die Zukunft wach halten. Foto: Ludwig Leisentritt

    Der Schultheiß ermahnte beide Parteien, sich nachbarlich zu vertragen. Doch das Schmähen und Schimpfen setzte sich fort, worauf das Stadtgericht sich zum energischen Durchgreifen entschloss. Die beiden Männer mussten für etliche Stunden in den Turm gehen, die Klägerin die Geige tragen und die Müllerin wurde mit dem Narrenhaus abgestraft. Allen wurde noch eine Geldstrafe angedroht, wenn sie das Schmähen nicht unterlassen.

    Auch Vorwürfe gegen Schwiegermutter

    1701 bezichtigte Hans Michel Schell den Schreiner Jacob Voit, er und seine Frau hätten ihm und seiner Verwandtschaft nachgesagt, dass seine Schwiegermutter Hexerei halber berüchtigt gewesen und ihre Mutter gar verbrannt worden sei. Die Angeschuldigten wiesen derartige Äußerungen weit von sich. In den Augen des Rates waren die Beweise zu dürftig. Dem Beklagten Schreiner wurde auferlegt, bei Vermeidung von fünf Gulden Strafe, sich solcher Reden künftig zu enthalten. Im Übrigen mussten sich beide Parteien einander die Hand geben und geloben, künftig gute Freunde und Nachbarn zu sein.

    Das übergroße X (Bestandteil des Wortes Hexen) enthält die Namen von rund 400 Opfer der Hexenverbrennung in Zeil. Unter ihnen sind auch Leute aus umliegenden Amtsdörfern sowie aus Bamberg. So will man den bislang namenlosen Opfern ein Gedenken bewahren.
    Das übergroße X (Bestandteil des Wortes Hexen) enthält die Namen von rund 400 Opfer der Hexenverbrennung in Zeil. Unter ihnen sind auch Leute aus umliegenden Amtsdörfern sowie aus Bamberg. So will man den bislang namenlosen Opfern ein Gedenken bewahren. Foto: Ludwig Leisentritt

    Der Zimmermann Conrad Hofmann musste sich 1732 verantworten, weil er aus „einem schmähsüchtigen und vorsätzlichen Grund“ die Frau des Johann Heinrich Röder im Beisein eines Ratsherren und anderer ehrlicher Bürger eine „öffentliche Hexe“ gescholten hatte. Der Ehemann verlangte einen Beweis „des bezüchtigten Hexenstückes“. Wenn dieser nicht zu erbringen wäre, solle man ihm und seiner Frau „Satisfaction“, das heißt „Genugtuung“, verschaffen. Der Zimmermann gab die Schmähung zu, blieb jedoch den Beweis für die Hexerei schuldig, es wäre ihm aus Zorn herausgefahren.

    Doch blieb dem Hofmann die öffentliche Abbitte nicht erspart. Außerdem musste er einen Tag in die Grausen (Gefängnis) gehen und einen Gulden Strafe in den Stadtsäckel entrichten.

    Besonders niederträchtig verhielt sich 1738 Hans Georg Reuthe gegenüber seiner Mutter. Am Oberen Tor taxierte der Torwächter Jakob Schönmann eine Fuhr Holz, bevor sie in die Stadt gefahren werden durfte. Der Wagen sollte zur mütterlichen Wohnung des Reuthe gebracht werden. Dabei sagte der Sohn, man sollte seine Mutter auf diese Fuhre Holz setzen und sie darauf verbrennen. Das wäre 107 Jahre nach der letzten Hexenverbrennung in Zeil durchaus noch möglich gewesen. Schließlich ist die letzte Hexe (die Ordensfrau Renata Singer) 1749 in Höchberg verbrannt worden. Schönmann, der dies anzeigte, bat, weil der Frau dieses Reden „zu Hertz gedrungen den Sohn mit einer der Obrigkeit beliebigen Strafe zu belegen.“ Weil dies „eine wichtige Sach sei“, wurde der Vorfall vertagt bis der Oberamtmann Hofrat Burckardt wieder in Zeil weilte. Dessen Urteil findet sich leider nicht in den Akten des Zeiler Archivs.

    Die Nachwirkungen der Hexenverfolgung und die Auswirkungen auf die abergläubischen Menschen sind schließlich allmählich verebbt. In den Ratsakten gibt es zumindest ab Mitte des 18. Jahrhunderts keine Nachweise mehr auf Vorfälle wie die hier geschilderten. Ein höchst merkwürdiger Vorfall findet sich jedoch noch einmal 1814. Vor dem Rat erschien Margaretha Schütz die sich beschwerte, dass sie Georg Rudolph seit einigen Jahren mit den bei dem Publikum so sehr verächtlichen Namen Hexe „injuriere“. Aus Vernunft habe sie stets hierzu geschwiegen. Allein Georg Rudolph höre nicht auf, sie auf diese Art zu verleumden und zu beleidigen. Kürzlich habe er sie im Gasthaus „Zur Schwane“ und auf der Straße sich dieser und anderen schimpflichen Ausdrücken bedient. Nun dränge sie darauf, dass er ihr das sogenannte „Hexenstück“ beweise oder ihr aber Genugtuung leiste. Der vorgeladene Rudolph gab zu, die Klägerin eine Hexe geheißen zu haben. Der Grund für diese Behauptung lag über zehn Jahre zurück. In einem Anfall von Wahnsinn hatten der Schmiedemeister Georg Brand im Beisein des Scharfrichters von Arnstein, - beide waren mittlerweile verstorben - behauptet, seine Krankheit rühre von der Hexerei der Margaretha Schütz.

    Sie hätte ihm die Krankheit „angemacht“.

    Hexe oder rechtschaffene Frau

    Nach diesen Einlassungen bot Rudolph der Frau an, sie nicht mehr für eine Hexe zu halten, wenn sie auf seine Worte, die er vor ihr aussprechen werde, in einer bestimmten Weise reagiere. Er würde sie dann für eine rechtschaffene Frau anerkennen.

    Um sich vor diesem Unsinn und Aberglauben, der dahinter steckte, zu überzeugen, ließ man den Mann im Rathaus seine Worte aussprechen. Dreimal, jedes Mal mit höherer Stimme sprach er: „Gelobt sei Jesus Christus!“, worauf Margaretha Schütz jedes Mal wie selbstverständlich „In Ewigkeit“ antwortete. Darauf erklärte Rudolph: „Mir ist es recht, sie ist keine Hexe, jetzt bin ich zufrieden.“

    Neuerdings sind auf Dächern in Zeil Wetterhexen wie diese zu sehen.
    Neuerdings sind auf Dächern in Zeil Wetterhexen wie diese zu sehen. Foto: Ludwig Leisentritt

    Die so eigenartig rehabilitierte Frau war zwar mit dieser protokollarischen Erklärung zufrieden, bestand daneben aber noch auf eine öffentliche Abbitte, zu der es auf Zureden durch den Stadtschreiber schließlich auch kam. Georg Rudolph gab in Gegenwart zweier Bürger für die Frau Schütz eine Ehrenerklärung ab, verbunden mit dem Versprechen, nie mehr eine derartige Anschuldigung gegen sie zu erheben.

    Auch wenn sich in den Archivalien keine Aufzeichnungen über weitere ähnliche Vorkommnisse finden lassen: Der Aber- und Hexenglaube waberte wohl auch noch im 19. Jahrhundert unter der Bevölkerung weiter. Jahrhundertelang griffen Menschen auf unzählige volksmedizinische und magische Mittel gegen allerlei Krankheiten zurück.

    Für die Verbreitung des sogenannten „Besprechens“ bei Wurmbefall gibt es sogar ein Dokument im Stadtarchiv. Vermutlich aus einem alten Volksbuch schrieb 1833 der damalige Besitzer der „Alten Freyung“, Nikolaus Rieß, folgenden abergläubischen Segensspruch in ein als „segenstillendes Büchlein“ bezeichnendes Heft: „Gott und Loth die Fahren in den Acker hinaus und ackern drei Würmer heraus. Der eine ist der schwarze, der andere ist der weiße und der dritte ist Rot und alle diese Würmer sind todt. Im Namen der Aller heiligsten Drei Faltigkeit.“ Solche Zauber- und Segenssprüche waren zu dieser Zeit geläufig. Sie wurden in den Familien schriftlich oder mündlich an die nächste Generation weitergegeben und vererbt.

    Noch 1861 schreibt der Eltmanner Amtsarzt Schneider in einem Bericht an die Regierung in München: „In Zeil ist der Irrglaube noch ziemlich in der Blüthe. Man glaubt hier an mystische Kräfte der Amulette und an den Einfluss böser Wesen.“

    Heute dürfen sich Frauen und Männer als Hexen und Hexer bezeichnen. Manche zahlen sogar Steuern und haben Visitenkarten. Laut Umfragen glauben 10 bis 20 Prozent der Deutschen an Hexerei. In Amerika sind es zwischen 20 und 30 Prozent und auf dem afrikanischen Kontinent glaubt mehr als die Hälfte der Bewohner, dass es böse Menschen gibt, die hexen können.

    Lärm gegen Dämonen 1648 hängten sich die Zeiler eine große Glocke in den Kirchturm, auf der der Satz eingegossen ist: „Die bösen Gewitter vertreib ich.“ Mit dem Lärm wollte man diese von der Stadt fernhalten, die nach landläufigen Glauben von Dämonen gemacht werden. Wenn heute bei Polterabenden Geschirr zertrümmert wird, geht das ebenfalls auf den Aberglauben zurück, mit dem Lärm die neidischen Dämonen von jungen glücklichen Paaren fernzuhalten.

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