Sie sind nicht glücklicher als die "armen Teufel, die der Väter zu viele haben", schrieb der Physiker Christoph Lichtenberg im Schaltjahr 1796 über Geburtstagskinder vom 29. Februar in seinem Essay "Trostgründe für die Unglücklichen, die am 29sten Februar geboren sind".
Trost braucht Emil Guthardt nicht. Er ist einer der rund 55 000 Schalttag-Geburtstagskinder, die es in Deutschland gibt - weltweit sind es nur etwa vier Millionen Menschen. "Ich habe mir nie viel aus meinem Geburtstag gemacht", sagt er. "Früher hat niemand nach dem Geburtstag gefragt."
Wenn es nach ihm ginge, würde er auch dieses Jahr nicht feiern. Aber Kinder und Enkelkinder haben sich bereits angesagt - er feiert seinen 80. Geburtstag, oder anders ausgedrückt: er hat erst zum zwanzigsten Mal in seinem Leben am 29. Februar Geburtstag. Das klingt richtig jung. "Ich sag halt immer, wenn andere alt sind, bin ich noch in den besten Jahren", schmunzelt Guthardt.
Wie fühlt es sich an, wenn man nur ein Viertel seiner Geburtstage am "richtigen" Tag gefeiert hat? "Da habe ich mich nie darum gekümmert", so Guthardt. "Ich habe dann halt am 28. Februar gefeiert. Schließlich habe ich im Februar Geburtstag, nicht im März."
Der 29. Februar vor acht Jahren war im Landkreis etwas ganz Besonderes: Gleich drei Frauen aus Aidhausen entbanden an dem ungewöhnlichen Tag. Eins der Kinder von damals ist Elisa Bartenstein. An ihren letzten "richtigen" Geburtstag vor vier Jahren kann sie sich nicht mehr erinnern. Dafür wird dieses Jahr ganz groß gefeiert, gleich zwei Tage lang vom 29. Februar bis 1. März.
"Sonst feiern wir immer am 1. März", sagt ihre Mutter Petra Bartenstein. "Das finde ich besser, als vorher zu feiern." In einem Schul-Aufsatz, in dem gefragt war, was es mit dem Schaltjahr auf sich hat, schrieb Elisa: "Da hat man nur alle vier Jahre Geburtstag." Die Lehrerin schrieb darunter: "Darum bist du etwas ganz Besonderes!"
Ob es nicht schöner wäre, jedes Jahr ohne Ausnahmen am selben Tag Geburtstag feiern zu können? Elisa schüttelt schüchtern den Kopf. Nein, ist schon gut, wie es ist. Obwohl sie manchmal gehänselt wird, zum Beispiel von ihrem Bruder, der behauptet, sie werde dieses Jahr keine acht, sondern nur zwei Jahre alt.
Thomas Glücker, Verwaltungsangestellter in Hofheim, hat sich an die Scherze zu seinem Geburtstag inzwischen gewöhnt. "Zu meinem 24. Geburtstag bekam ich eine Schultüte geschenkt, war ja erst der sechste 29. Februar, an dem ich gefeiert habe."
Wenn denn mal Schaltjahr ist, dann feiert er auch richtig. "Da wird dann nichts nach vorne oder hinten geschoben, kommt ja selten genug vor", sagt er. Sonst hat er sich für den 1. März als Ersatz-Termin entschieden.
Kompliziert ist das Datum vor allem für die Gratulanten, die nie genau wissen, wann sie denn gratulieren sollen. Am 28. Februar? Am 1. März? Meistens klingelt das Telefon also zwei Tage lang. Außer es ist wirklich mal ein Schaltjahr, so wie jetzt.
Warum aber gibt es den Schalttag überhaupt? Unser Kalender zählt pro Jahr 365 Tage. Das entspricht einer Drehung der Erde um die Sonne. Fast zumindest, denn tatsächlich sind es 365,2422 Tage, bis die Erde auf der leicht elliptischen Umlaufbahn wieder am Ausgangspunkt ankommt.
Diese Umrundung der Sonne bestimmt die Jahreszeiten. Ohne Schalttage würden im Lauf der Jahrhunderte die Jahreszeiten und die Monate auseinander klaffen. Dann könnte man im Juli Schneemänner bauen oder im Januar vielleicht sogar ins Freibad.
Bei Kalendern, die am Lauf des Monds ausgerichtet sind, beispielsweise der islamische Kalender, ist das nicht ungewöhnlich. So fällt der berühmte Fastenmonat Ramadan manchmal in den Sommer, manchmal in den Winter.
Um den Januar hier bei uns aber im Winter, und den Juli im Sommer zu halten, muss man die zusätzliche Zeit, die sich bei einer Sonnen-Umrundung ansammelt, wieder loswerden. Und das geschieht durch den Schalttag alle vier Jahre, der nur dann ausfällt, wenn in einem Jahrhundert die Jahreszahl nicht durch 400 teilbar ist. So waren 1700, 1800 und 1900 keine Schaltjahre, das Jahr 2000 aber schon.
Für all jene Geburtstagskinder, die ganz genau wissen wollen, wann sie feiern sollen, hat sich Heinrich Hemme, Professor für Maschinenbau an der Fachhochschule Aachen, ans Rechnen gemacht. Sein Ergebnis:
Da das tatsächliche Jahr wie oben beschrieben 0,2422 Tage mehr hat, also rund sechs Stunden, muss man diese sechs Stunden zu seiner Geburtsstunde hinzuzählen, um mathematisch korrekt zu feiern. Wer also vor 18 Uhr geboren ist, der fällt noch in den 28. Februar. 18 Uhr plus sechs Stunden ergibt genau Mitternacht, also: Wer nach 18 Uhr geboren ist, der darf erst am 1. März feiern.