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ZEIL: Der Tod der Hexenleut'

ZEIL

Der Tod der Hexenleut'

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    Mit Fratzen-  und Schreckköpfen hofften unsere Vorfahren, böse Geister von Haus und Hof fernzuhalten. Heute schmücken sie Torbögen und Fachwerkfassaden.
    Mit Fratzen- und Schreckköpfen hofften unsere Vorfahren, böse Geister von Haus und Hof fernzuhalten. Heute schmücken sie Torbögen und Fachwerkfassaden. Foto: Ludwig Leisentritt

    Vor 400 Jahren hat man in Zeil erstmals vermeintliche Hexen auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Mit dem Ende des Hexenwahns zwischen 1616-1631, der rund 400 Opfer forderte, endete jedoch nicht der Glaube an Zauberei und Hexerei. Darüber gibt es mittlerweile unzählige Artikel und Publikationen. Forscht man in den Archivalien danach, findet man Spuren, die diese schreckliche Zeit im Gedächtnis der nachfolgenden Generationen hinterlassen hat. Da ist es nicht verwunderlich, dass bei Streitereien immer wieder Mitbewohnern die angeblichen Verfehlungen ihrer Vorfahren vorgehalten wurden.

    Allein die aktenkundigen Fälle, mit denen sich die städtische Gerichtsbarkeit befassen musste, sind ein Beweis hierfür. Sie waren nur die Spitze des Eisberges, denn so mancher Streit und Tratsch ist wohl ohne gerichtliches Nachspiel geblieben.

    Kaum dass die Glut des Hexenwahns in Zeil ausgetreten war, meldet sich bereits 1633 ein in Zeil aufhaltender Reitschmied auf dem Rathaus. Er gab an, des Nachts hätte ihn die Witwe Eva Wermut auf die Achsel geschlagen und ihn behext. Der Mann glaubte anderntags, dass seine Schmerzen von ihr kämen, die jeden Tag schlimmer wurden. Er bat die örtliche Obrigkeit, diese Frau vor den Rat zu fordern und ihr vorzuhalten, dass sie seinen Arm krank gemacht habe. Sie solle ihn auch wieder gesund machen.

    Hexenverbrennung auf dem Marktplatz 1979: Vor 35 Jahren inszenierte man am Fasenachtssonntag auf dem Zeiler Marktplatz eine Hexenverbrennung. Dabei war die Grenze zwischen der volkskundlichen Märchenhexe und den Opfern des Hexenwahns nur wenigen geläufig.
    Hexenverbrennung auf dem Marktplatz 1979: Vor 35 Jahren inszenierte man am Fasenachtssonntag auf dem Zeiler Marktplatz eine Hexenverbrennung. Dabei war die Grenze zwischen der volkskundlichen Märchenhexe und den Opfern des Hexenwahns nur wenigen geläufig. Foto: Fotos: Ludwig Leisentritt

    24 Jahre nach dem Ende der Hexenprozesse in Zeil, taucht 1655 in den Zeiler Ratsprotokollen erneut der Vorwurf der Hexerei auf. Vor dem Rat beschwerte sich Stoffel Gullmann, dass Andres Baunacher seine Frau eine Hexe gescholten habe. Der Verleumder behauptete, ihr Vater und ihre Mutter seien einst verbrannt worden. Der Ehemann war darüber so ungehalten, dass er den Mann übel beschimpfte und daraus eine Schlägerei entstand. Beide mussten sechs beziehungsweise vier Tage für die Kommune arbeiten. Außerdem mussten sie sich einander „mit Hand und Mund“ vergeben und verzeihen.

    Wären die Rechtsnormen der Hexenverfolgung zwischen 1616-1631 noch voll praktiziert worden, hätten derartige Bezichtigungen für manche Zeiler schlimm enden können. Jedenfalls – so belegen es die Einträge in den Ratsakten – war es viele Jahrzehnte lang noch üblich, Mitbürger als Hexer und Hexen zu bezichtigen. Anderen Mitbürgern warf man vor, Familienangehörige seien einst als Hexen und Hexer verfolgt und verbrannt worden. Dabei spielten noch so manche tief verwurzelte abergläubische Rituale eine Rolle.

    Ein weiterer Schreckkopf, mit dem sich die Zeiler vor bösen Geistern schützen wollten.
    Ein weiterer Schreckkopf, mit dem sich die Zeiler vor bösen Geistern schützen wollten. Foto: Ludwig Leisentritt

    1663 beklagte sich Hans Kerner, sein Nachbar Sebastian Leisentritt lasse ihn nicht in Frieden. Dieser bezeichnete ihn zu nächtlicher Zeit „mit losen Schmähworten als Hexerey Kind“. Leisentritt rechtfertigte sich, „dass er in vielen die Wahrheit sparen täte“, das heißt, er wollte nicht alles sagen, was er zu wissen glaubte. Im Übrigen kam heraus, dass „das meiste Geschwätz“ von den Eheweibern der Beteiligten herrührte und auch Geschwister nicht ganz unschuldig waren. Sie wurden vor den Rat zitiert, wo man ihnen androhte, als Strafe fünf Pfund Wachs für das Gotteshaus zu spenden, wenn dergleichen Rederei und Uneinigkeit nicht aufhörten.

    Öffentlich abbitten musste hingegen Georg Schwinn dem Linhardt Petzelmann. Ihm hatte Schwinn vorgeworfen, in seinem Haus wäre ein heimliches Urteil gefällt worden, wobei von „Hexenhändel“ die Rede war. Bei einem Trinkgelage beschimpfte 1666 Johann Spieß einige Zecher als Schelme und Diebe und einen Gast als einen Hexenmeister. Auch ließ er sich zu gotteslästerlichen Reden hinreißen. Michael Flasch und seine Leute seien Hexengesind', trügen alle Rosenkränze und täten in der Kirche als wollten sie unserem Herrgott die Füße abbeißen.

    Mit dem Tragen der Schandgeige oder des Schnabels wurden Bürger bestraft, die noch Generationen nach der Hexenverfolgung Mitbürger als Hexen und Hexer verleumdet haben.
    Mit dem Tragen der Schandgeige oder des Schnabels wurden Bürger bestraft, die noch Generationen nach der Hexenverfolgung Mitbürger als Hexen und Hexer verleumdet haben. Foto: Ludwig Leisentritt

    In Wirklichkeit seien sie die ärgsten Hexenleut, die man im Brennofen verbrennen sollte. Neben dem in früheren Jahrhunderten am häufigsten gebrauchten Schmähwort „Schelm“, waren 50 Jahre nach den Hexenverfolgungen „Hexenleut“, „Hexengesind“ und „Hexenmeister“ die am meisten gebrauchten Schimpf- und Schmähworte.

    Unverständlich erscheint, dass der Ehrbare Zeiler Rat 1666 einem Bürger Strafe androhte, weil er seine Magd, welche angeblich „der Hexerei wegen berüchtigt und aller Orten schon abgeschafft worden“ sei, nicht unverzüglich aus die Stadt gebracht habe. Wären die Ratsherren gerecht gewesen, hätten sie die Magd vor einer solchen Unterstellung in Schutz nehmen müssen.

    Neuerdings sind auf Dächern in Zeil Wetterhexen wie diese zu sehen.
    Neuerdings sind auf Dächern in Zeil Wetterhexen wie diese zu sehen. Foto: Ludwig Leisentritt

    Wer weiß – Vielleicht spielten auch noch andere Dinge eine Rolle. Im gleichen Jahr beschwert sich Frau Jungermann im Rathaus, dass ihr Mann öfter heimkehre und sie anschreie: „Hat dir der Teufel noch nicht den Hals gebrochen.“ Stephan Reuß beklagt sich 1667, ein Mädchen von Johann Spieß hätte in der Schule erzählt, seine Tochter sei des Teufels, was er nicht auf sich sitzen lassen wolle. Als ein „Hexenkind“ beschimpfte 1670 der Zimmermann Adam Kerner die Witwe Weyl. Wegen dieser „Hexereyschendung“ musste er fünf Gulden Strafe leisten und in den „Gehorsam“ (Gefängnis) gehen.

    1681 wurde Elisabeth Kestler, als sie aus ihrem Weinberg in der Mittelsetz einige Trauben schnitt, von einer Frau als eine Hur und Hexe gescholten. Die Angeschuldigte verteidigte sich damit, die Klägerin habe sie zuerst eine Hure genannt. Das Stadtgericht hielt beide für schuldig: Weil sich die beiden Frauen gegenseitig beschimpften und im Übrigen Zeugen fehlten, mussten sie einander Abbitte leisten und gute Freunde bleiben.

    Segenstillendes Büchlein: Der Besitzer Alten Freiung hat 1833 diesen abergläubischen Spruch in sein „segenstillendes Büchlein“ geschrieben.
    Segenstillendes Büchlein: Der Besitzer Alten Freiung hat 1833 diesen abergläubischen Spruch in sein „segenstillendes Büchlein“ geschrieben. Foto: Ludwig Leisentritt

    Wer wieder mit dem Schmähen anfange, sollte künftig mit der Geige oder mit dem Tragen des eisernen Schnabels abgestraft werden. Die Geige und der Schnabel waren in Zeil Strafinstrumente für Verleumdungen.

    In dieser Zeit war eine besondere Form von Hexenglauben weit verbreitet. Wenn jemand widerrechtlich einen Baum ausgegraben oder gefällt hatte, glaubte man durch Beschwörungen das Ausdorren und Sterben des Diebes herbeiführen zu können.

    Für einen so Beschuldigten war es in den Augen der Mitbürger so ehrenrührig, dass er das nicht auf sich sitzen lassen konnte. Katharina Kurz beklagte sich, Klaus Dietlein erzähle überall, sein kranker Sohn müsse ausdorren und sterben, weil er ihr angeblich einen Baum ausgegraben haben soll. Beide wurden ermahnt „gute Nachbarschaft zu halten“.

    Die Hexenbrände haben bekanntlich in Zeil am 26. November 1616 begonnen. Aus diesem Anlass veranstaltet die Volkshochschule um 16.15 Uhr in der Brauereigaststätte Göller eine Gedenkveranstaltung. Referent ist der oberfränkische Bezirksheimatpfleger Dr. Günther Dippold.

    Der zweite Teil bietet einen weiteren Einblick in die Zeit nach den Hexenbränden. Aberglaube beherrschte das damalige Leben.

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