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Ebern: Deutsch-deutsche Aufmerksamkeitsbeweise: Radiojournalist Eberhard Schellenberger berichtete aus und über die DDR

Ebern

Deutsch-deutsche Aufmerksamkeitsbeweise: Radiojournalist Eberhard Schellenberger berichtete aus und über die DDR

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    Diese Fahne hing einst am Grenzübergang Eußenhausen und ist für Eberhard Schellenberger ein wichtiges Erinnerungsstück.
    Diese Fahne hing einst am Grenzübergang Eußenhausen und ist für Eberhard Schellenberger ein wichtiges Erinnerungsstück. Foto: Rudolf Hein

    Ein Zeitzeuge der deutsch-deutschen Vergangenheit war am vergangenen Donnerstag zu Gast am Friedrich-Rückert-Gymnasium in Ebern. Vor rund 60 Schülerinnen und Schülern der Jahrgangsstufe 10 berichtete der Rundfunkjournalist Eberhard Schellenberger über seine Tätigkeit als Reporter aus und über die DDR in den letzten fünf Jahren vor der Wiedervereinigung.

    "Radio machen ist mein Leben und für mich der schönste Beruf der Welt". Eberhard Schellenberger, in Bamberg geboren und in Zeil aufgewachsen, begann nach dem Abitur zunächst als freier Mitarbeiter beim Bayerischen Rundfunk (er schrieb auch für das Haßfurter Tagblatt und die Neue Presse Coburg) und wechselte 1983 als Redakteur zum neu gegründeten Regionalstudio Mainfranken nach Würzburg, das er von 1996 bis zu seiner Pensionierung leitete. Am 3. Oktober 1990 berichtete er vom ehemaligen Grenzübergang Eußenhausen bei Meiningen über die Feierlichkeiten zur Wiedervereinigung, als "ich mit Tränen in den Augen die schönste Reportage meines Reporterlebens feiern durfte. Von der friedlichen Weltgeschichte vor unserer fränkischen Haustüre".

    Fast zwangsläufig kam er durch seinen Beruf auch mit der DDR in Berührung. Sei es durch die Grenzberichterstattung des BR, die auf der anderen Seite aufmerksam verfolgt wurde, sei es durch Kontakte zur Kirchengemeinde Zeulenroda im Rahmen des "Arbeitskreises innerdeutsche Kontakte" oder auch durch die Berichterstattung über die "internationale" Städtepartnerschaft zwischen Würzburg und Suhl. Hinzu kamen private Kontakte.

    Akte auf über 400 Seiten angewachsen

    Grund genug für die Suhler Organe der Staatssicherheit, eine Akte über Schellenbergers journalistische Aktivitäten anzulegen, in der jeder Schritt des Westlers akribisch dokumentiert wurde und die im Laufe der Zeit auf über 400 Seiten anwuchs. Als Deckname wurde sinnigerweise "Antenne" gewählt.

    Hätte sich eine weniger friedvolle Entwicklung eingestellt – die Operationspläne für eine bewaffnete Auseinandersetzung lagen bereit.
    Hätte sich eine weniger friedvolle Entwicklung eingestellt – die Operationspläne für eine bewaffnete Auseinandersetzung lagen bereit. Foto: Rudolf Hein

    Aus persönlichen Erinnerungen und Akteninhalten entstand ein knapp 200 Seiten starkes Buch mit dem Titel "Deckname Antenne". Wesentliche Impulse kamen von einer jungen, nach der Wende geborenen Journalistenkollegin, Sarah Beham, die Fragen und Anregungen der jüngeren Generation einbrachte. Entstanden ist ein Kaleidoskop von Geschichte und Geschichten, die den Älteren im Publikum noch sehr vertraut sind. Der Vermerk "Geschenksendung keine Handelsware" auf den Westpaketen, der Begriff "Abschnittsbevollmächtigter" oder die Schikanen beim Grenzübertritt sind noch im Gedächtnis.

    Fotos, Filmmaterial und O-Töne

    Der Vortrag, übrigens genau der 50. seit Erscheinen des Buches, eine gekonnte Mischung aus Lesung und freiem Vortrag, unterlegt mit Fotos, Filmmaterial und Originaltönen aus der Zeit, fesselte die 15- und 16-jährigen Zuhörerinnen und Zuhörer von Anfang bis Ende, 90 Minuten später. Kaum zu glauben für die Jugendlichen, dass sich in der unterfränkischen Reisegruppe nach Suhl ein Stasi-Spitzel befand, dass es in einem Suhler Hotel eine "voll verwanzte Etage" zur lückenlosen Überwachung der Westbesucher gab, dass ein Zwangsumtausch von 25 DM pro Besucher und Tag vorgeschrieben war. Ganz zu schweigen von der tödlichen Undurchlässigkeit einer Grenze, an der nach neuesten Zahlen fast 500 Menschen bei Fluchtversuchen den Tod fanden.

    Schellenbergers Vorträge sind bis weit ins Jahr 2024 ausgebucht. Er wird vor den unterschiedlichsten Menschen sprechen und weiterhin als Zeitzeuge zur Verfügung stehen. Zunehmend wird er von Schulen angefragt, die wie er an das "weltweit einmalige Glück" erinnern wollen, dass die Demonstrationen des Jahres 1989 dank des besonnenen Handelns aller Beteiligten nicht in einen bewaffneten Konflikt mündeten.

    Für die Schülerin Lucia war es eine "krasse" Vorstellung, dass so etwas hier in unmittelbarer Nähe von Ebern passiert ist, der Schüler Raphael bedankte sich für eine Geschichtsstunde, die ihm die Ereignisse vor 34 Jahren sehr verständlich gemacht hat: "Ich war manchmal den Tränen nahe".

    Blick zurück auf den ersten Tag nach der Grenzöffnung. Der Besucherstrom aus dem Osten war schier endlos.
    Blick zurück auf den ersten Tag nach der Grenzöffnung. Der Besucherstrom aus dem Osten war schier endlos. Foto: Rudolf Hein
    Dieser grundsätzliche Fehler in Schellenbergers Akte wurde erst spät korrigiert.
    Dieser grundsätzliche Fehler in Schellenbergers Akte wurde erst spät korrigiert. Foto: Rudolf Hein
    Typisches Bild im Sperrgebiet an der Grenze: ein Bauer, zwei Grenzschützer und drei Beobachter.
    Typisches Bild im Sperrgebiet an der Grenze: ein Bauer, zwei Grenzschützer und drei Beobachter. Foto: Rudolf Hein
    Schulleiter Martin Pöhner freut sich, an seiner Schule einen hochinteressanten Zeitzeugen als Gast zu haben.
    Schulleiter Martin Pöhner freut sich, an seiner Schule einen hochinteressanten Zeitzeugen als Gast zu haben. Foto: Rudolf Hein
    Eberhard Schellenberger, 66, liest aus seinem Buch "Deckname Antenne" und erzählt von seinen Besuchen in der ehemaligen DDR.
    Eberhard Schellenberger, 66, liest aus seinem Buch "Deckname Antenne" und erzählt von seinen Besuchen in der ehemaligen DDR. Foto: Rudolf Hein
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