Es ist eine historische Entscheidung: Der Bamberger Schlachthof ist 120 Jahre nach seiner Gründung Geschichte. Das hat der Stadtrat am Mittwoch beschlossen. Grund für die geplante Schließung ab Sommer 2024 ist demnach die fehlende wirtschaftliche Perspektive. Das kommunale Unternehmen war in den vergangenen Jahren massiv in finanzielle Schieflage geraten. Es drohte, zum dauerhaften Millionengrab für die ohnehin klamme Kasse der oberfränkischen Domstadt zu werden.
Während Tierschützerinnen und Tierschützer die Schließung als Erfolg feiern, beklagen Landwirte und Metzgerinnen den Schritt. Denn die nun gefällte Entscheidung ist für sie weitreichend. Die Auswirkungen auf die regionale Produktion von Fleisch als Lebensmittel dürften deutlich über die Stadtgrenzen hinaus zu spüren sein. Es trifft Betriebe im gesamten Nordwesten Bayerns. Besonders stark aber den unterfränkischen Landkreis Haßberge. Von dort wurden im vergangenen Jahr 25.259 Schweine zur Schlachtung nach Bamberg gebracht. Aus keinem anderen Landkreis kamen mehr Tiere.
Bauernverband beklagt längere Transportwege
Entsprechend groß ist neben der Unsicherheit nun auch der Ärger unter einigen Landwirtinnen und Landwirten in der Region. "Für uns ist die Schließung eine Sauerei", sagt etwa Schweinebauer Bernhard Müller aus dem Hofheimer Ortsteil Goßmannsdorf. Für einen Fleischkonzern hatte der 53-Jährige bislang zwischen 40 und 80 Mastschweine in den Schlachthof liefern lassen. Pro Woche.

Jetzt, so Müllers Sorge, könnte das Ende der Einrichtung in Bamberg zulasten des eigenen Geldbeutels und des Tierwohls gehen. "Die Transportwege verlängern sich, und damit steigen die Kosten." Die nächsten Schlachthöfe mit freien Kapazitäten lägen wohl im oberfränkischen Hof oder im baden-württembergischen Crailsheim. Womöglich aber könnten Erlangen und Bayreuth Teilkontingente übernehmen.
Müller, der auch für den Bayerischen Bauernverband (BBV) Haßberge spricht, sieht damit vor allem kleine landwirtschaftliche Betriebe in Gefahr. Er fürchtet eine Pleitewelle unter Tierhalterinnen und -haltern in der Region.
Regionale Schlachtstätten liegen im Sterben
Dabei stecken die kleinen Betriebe bereits seit Jahrzehnten in der Krise. So zählte das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) Schweinfurt Anfang der 1970-er Jahre fast 2100 Zuchtsauenhalter im Landkreis Haßberge. Heute sind es gerade einmal 19. Gleichzeitig sank der Schweinebestand von rund 67.000 Tieren auf gut 24.000, also um fast zwei Drittel. Bei den Milchkuhaltern sieht die Entwicklung nicht anders aus.
Die Marktkonzentration trifft aber nicht nur die Tierzucht, sondern ebenso die Fleischproduktion. Wie in ganz Deutschland liegen auch in Bayern die regionalen Schlachtstätten im Sterben. In Aschaffenburg steht die letzte unterfränkische Einrichtung nach einem mutmaßlichen Skandal um Tierquälerei vor dem Aus.

Der Verein "Soko Tierschutz" hatte die Missstände im vergangenen Jahr aufgedeckt. Die Aktivistinnen und Aktivisten sehen in Schließungen wie jüngst in Bamberg einen Erfolg, gleichzeitig ist es für sie nur ein erster Schritt: "Der Schlüssel für das Ende des Leids liegt nicht in Schlachthöfen, sondern in der Veränderung hin zu einer nachhaltigen, gesunden und leckeren Ernährung ohne Tierleid", heißt es auf Nachfrage.
In Aschaffenburg hat die Stadt den Pachtvertrag mit dem Betreiber inzwischen gekündigt und Räumungsklage erhoben. Geschlachtet wird noch immer. Wie es dort weitergeht, bleibt offen.
Drohendes Defizit von bis zu 4,7 Millionen Euro
In Bamberg fiel die Entscheidung über die Zukunft am Mittwochabend. Draußen standen sich zuvor Tierschützerinnen sowie Landwirte mit ihren Plakaten und Transparenten gegenüber. Drinnen stimmten nach vierstündiger Diskussion 31 Stadträtinnen und -räte für, 14 gegen die Schließung, von der 165 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter betroffen sind. Zu schwer wog am Ende ein drohendes Jahresdefizit von bis zu 4,7 Millionen Euro.

In den Wochen und Monaten zuvor aber hatte die Verwaltung verschiedene Szenarien erarbeitet, die auch einen Erhalt des Schlachthofs in Betracht zogen. Ein Betreiberverbund mit umliegenden Landkreisen – vor allem jenen, die von der unrentablen Bamberger Einrichtung besonders profitieren – war Teil der Gedankenspiele. Eine entsprechende Anfrage über eine mögliche Beteiligung hatte das Landratsamt Haßberge am 27. Februar aus der Domstadt erhalten.
Doch das Schreiben lässt zumindest Restzweifel zu, wie ernst gemeint dieses Anliegen wirklich war. "Die Unterlagen waren sehr lückenhaft und enthielten keine belastbaren Zahlen, die für eine Bewertung ausreichend gewesen wären", teilt das Landratsamt auf Nachfrage mit. Die Behörde war deshalb bemüht, Unterlagen nachzufordern. Inzwischen aber ist dieser Schritt überholt: "Mit dem doch sehr schnellen Beschluss der Stadt Bamberg hat sich das erledigt", heißt es aus dem Landratsamt Haßberge.
Kein kommunaler Schlachthof für den Landkreis Haßberge
Fraglich bleibt, ob für den Landkreis Haßberge eine Beteiligung angesichts klammer Kassen überhaupt möglich gewesen wäre. Denn auch wenn die "Auswirkungen" auf die Region "gravierend" sind, ist an einen eigenen kommunalen Schlachthof offenbar nicht zu denken. Der Grund: "Der Landkreis Haßberge verfügt derzeit nicht über die finanziellen und personellen Spielräume, ein solches Projekt anzugehen", schreibt das Landratsamt. Für betroffene Betriebe bedeutet das wohl, dass sie sich selber auf die Suche nach Alternativen machen müssen.
"Eine große Chance sehe ich in einem Verbund."
Nadine Hornung, Geschäftsführerin Metzgerei Hornung
Regionalität in der Fleischerzeugung könnte so künftig auf der Strecke bleiben. Die Metzgerei Hornung mit Sitz im Eltmanner Stadtteil Limbach möchte das verhindern. Das Familienunternehmen betreibt acht Filialen im Landkreis Haßberge. Vor 15 Jahren hatte es die Schweineschlachtung nach Bamberg verlegt, "somit ist die Schließung ein massiver Einschnitt für uns", sagt Geschäftsführerin Nadine Hornung.

Die Metzgerei wirbt mit jener Regionalität, die nun auf dem Spiel steht. Derzeit prüfe man alle Möglichkeiten, sagt Hornung. "Eine große Chance sehe ich in einem Zusammenfinden mit Kollegen aus dem Landkreis zu einem Verbund, der es ermöglicht, zentral im Landkreis oder dem näheren Umkreis zu schlachten." Und sie ergänzt beinahe trotzig: "Wir sind regional und bleiben regional."
Viel Zeit bleibt nicht. Spätestens zum 30. Juni dieses Jahres möchte die Stadt Bamberg den Schlachthof stilllegen, so sieht es der Beschluss vor. Doch das Landratsamt ist schon jetzt wenig optimistisch, was eine zeitnahe regionale Lösung betrifft. Einen gemeinschaftlichen Verbund ins Leben zu rufen, das sei unterstützenswert, heißt es aus der Behörde, jedoch weder kurz- noch mittelfristig umzusetzen. "So ein Vorhaben muss sensibel und vorausschauend geplant werden."