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Goßmannsdorf: "Die Stimmung ist mir zu aufgeladen": Warum Landwirt Hans Dünninger die Bauernproteste gut findet - und kritisiert

Goßmannsdorf

"Die Stimmung ist mir zu aufgeladen": Warum Landwirt Hans Dünninger die Bauernproteste gut findet - und kritisiert

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    Bio-Landwirt und Grünen-Politiker: Hans Dünninger bewirtschaftet einen Bauernhof im Landkreis Haßberge - und blickt differenziert auf die Bauernproteste. 
    Bio-Landwirt und Grünen-Politiker: Hans Dünninger bewirtschaftet einen Bauernhof im Landkreis Haßberge - und blickt differenziert auf die Bauernproteste.  Foto: Lukas Reinhardt

    Hans Dünningers Hof liegt nur wenige hundert Meter entfernt von der Bundesstraße 303 bei Hofheim. Landwirte haben hier im Landkreis Haßberge die wichtige Verkehrsader zwischen Schweinfurt und dem oberfränkischen Coburg in den vergangenen Tagen immer wieder blockiert. Dünninger, der für die Grünen im Kreistag Haßberge sitzt, war nicht dabei.

    Der 67-Jährige bewirtschaftet mit seiner Familie bio-dynamisch eine Fläche von gut 75 Hektar, hält etwa 40 Schweine und führt einen Hofladen. Im Gespräch erklärt Dünninger, wieso er den Frust versteht - aber meint, dass einige seiner Kollegen inzwischen aber über das Ziel hinausschießen.

    Frage: Herr Dünninger, als Grünenpolitiker sehen viele Menschen in Ihnen einen Vertreter der Ampel. Als Landwirt sind Sie von möglichen Subventionskürzungen betroffen. Wie gehen Sie mit diesem Zwiespalt um?

    Hans Dünninger: Grundsätzlich unterstütze ich den Protest. Es ist notwendig, dass die Landwirte klar sagen, dass es so nicht weitergeht.

    Warum entlädt sich die Wut der Bauern gerade jetzt so vehement?

    Dünninger: Ich merke seit Jahren, dass sich die Stimmung aufheizt. Es gibt immer mehr Auflagen. Der Preisdruck ist enorm. Landwirte stehen zunehmend in einem negativen Licht. Von den Kostensteigerungen ganz zu schweigen. Es gibt ein enormes Frustpotential, das sich jetzt bei dieser Gelegenheit Bahn gebrochen hat.

    Knapp eine Woche lang den Verkehr lahmzulegen oder zu beeinträchtigen, obwohl die Kürzungen teilweise zurückgenommen wurden: Ist das Ausmaß der Proteste berechtigt?

    Dünninger: Wir Bauern haben das Recht zu demonstrieren. Gewerkschaften wie die GDL legen Jahr für Jahr den Bahnverkehr lahm. Wir sollten die Menschen allerdings nicht über einen zu langen Zeitraum belasten. Die Straßenproteste sind ein wichtiger Aufrüttler. Jetzt gilt es meiner Meinung nach, noch mehr Verständnis für die Probleme der Landwirtschaft zu schaffen.

    Die Dieselsubventionen sollen nun schrittweise fallen. Wie sehen Sie die Kürzungen?

    Dünninger: Ich würde mir wirklich wünschen, keine Zuschüsse für Diesel bekommen zu müssen. Gar keine Zuschüsse. Jeder Bauer möchte von seinem Beruf leben können. Niemand will auf Staatsgelder angewiesen sein. Aber das geht nur, wenn sich am Grundproblem etwas ändert, und das sind die Preise. Das ist die Ursache allen Übels, das kaschiert wird mit Zuschüssen.

    "Das Paradoxe: Um Herbizide und Pestizide einzusparen, verbrauche ich mehr Diesel."

    Hans Dünninger, Landwirt und Grünen-Politiker

    Sind Sie existenzgefährdet, wenn der Dieselzuschuss wegfällt?

    Dünninger: Mich als Biobetrieb trifft es besonders. Ökolandwirte müssen mehr Arbeit in die Bodenbearbeitung stecken als die konventionellen Kollegen. Wir sind häufiger mit dem Traktor auf dem Feld unterwegs. Wir hacken, striegeln, nutzen manuelle und maschinelle Unkrautbekämpfung ohne Chemie. Das Paradoxe: Um Herbizide und Pestizide einzusparen, verbrauche ich mehr Diesel. Unserem Betrieb würden im Jahr rund 2000 Euro Zuschüsse fehlen. Mehr nicht, aber auch nicht weniger. Gefährdet ist die Existenz unseres Hofes damit nicht.

    Aber das ist genau, was besonders vehement gegen die Streichungen ins Feld geführt wird: dass sie existenzgefährdend seien. 

    Dünninger: In Einzelfällen mag das stimmen. Kürzungen erschweren die Situation immer und verbessern sie nicht. Das gilt im Übrigen nicht nur für die Bauern, sondern auch für andere Teile der Gesellschaft, die jetzt vom Haushaltsloch betroffen sind und nicht so laut zu hören sind wie wir. Aber die Kürzungen bedeuten nicht das wirtschaftliche Aus der gesamten Landwirtschaft. Das ist eine Zuspitzung, die meiner Ansicht nach so nicht zutrifft.

    Die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe sinkt seit vielen Jahren. Ist die aktuelle Bundesregierung der richtige Adressant für die geballte Wut?

    Dünninger: Das Dilemma der Landwirte mit der zunehmenden Bürokratisierung besteht seit Jahrzehnten, und in dieser Zeit waren auch andere verantwortlich für die Agrarpolitik und damit für die Fehler, die zum heutigen Frust geführt haben.

    Sprechen Sie von CSU und CDU, die seit 1993 sechs von neun Landwirtschaftsministern oder Landwirtschaftsministerinnen gestellt haben?

    Dünninger: Richtig. Der Fokus ging unter Schwarz und auch Rot immer stärker in Richtung Industrialisierung und Ökonomisierung der Landwirtschaft. Es ging zunehmend um Quantität statt Qualität, deswegen sind viele kleine Betriebe verschwunden. Eine wirkliche Anerkennung für unseren Berufstand habe ich in dieser Zeit auch nie gespürt.

    Der 67-jährige Bauer Hans Dünninger bewirtschaftet bei Hofheim (Lkr. Haßberge) eine Fläche von gut 75 Hektar und hält etwa 40 Schweine.
    Der 67-jährige Bauer Hans Dünninger bewirtschaftet bei Hofheim (Lkr. Haßberge) eine Fläche von gut 75 Hektar und hält etwa 40 Schweine. Foto: Lukas Reinhardt

    Und trotzdem geben sich bei den Protesten nun vor allem CSU-Politiker als Kämpfer für die Belange der Landwirte: etwa der Bezirksvorsitzende und Landtagsabgeordnete Steffen Vogel. Sehen Sie ihn und die CSU als Vertreter Ihrer Sache?

    Dünninger: Für mich als Biolandwirt nicht, nein. Weil die Konsequenz fehlt. Es wird von Seiten der CSU schon lange davon gesprochen, dass es mehr Biolandwirtschaft in Bayern braucht. Aber es werden keine Maßnahmen unternommen, die das wirklich unterstützen.

    Warum haben es die Grünen nie geschafft, die Partei der Bauern zu werden?

    Dünninger: Eigentlich finde ich schon, dass wir eine starke Vertretung sind. Doch inzwischen hat sich der Wind so gedreht, dass alles Negative zu Lasten der Grünen geht. Und das ist einfach übertrieben. Ich möchte nicht alles abtun und klein reden, auch ich bin von Cem Özdemir in Teilen enttäuscht. Ich hatte mir mehr positive Maßnahmen für die Landwirtschaft erhofft. Aber – trotz aller berechtigten Sachkritik – ist die Stimmung in eine Richtung abgedriftet, die ich in diesem Ausmaß nicht verstehe.

    Sie meinen die Stimmung während der Proteste?

    Dünninger: Auch, ja. Den grünen Wirtschaftsminister Robert Habeck in seinem Urlaub so anzugehen, das darf nicht passieren. Ich fand es aber ebenso ungerecht, dass Bauern vor Manuela Rottmanns Büro in Hammelburg Steine abgeladen haben. Sie hat sich stets für die Landwirte in der Region eingesetzt. Die Grünen sind für viele inzwischen ein rotes Tuch.

    Wie haben Sie die Stimmung auf der Straße bislang erlebt?

    Dünninger: Bislang habe ich nicht persönlich an den Protesten teilgenommen.

    Warum das?

    Dünninger: Das hat mehrere Gründe. Einer davon ist, dass mir die Stimmung eben teilweise zu aufgeladen ist. So empfinde ich es leider. Auch das Grünen-Bashing ist mir zu viel geworden.

    "Für mich ist Schluss, wenn Galgen durch die Gegend gefahren werden."

    Hans Dünninger, Landwirt und Grünen-Politiker aus den Haßbergen

    Wie weit darf der Protest in Ihren Augen denn gehen?

    Dünninger: Für mich ist Schluss, wenn Galgen durch die Gegend gefahren werden. Das ist eine gesellschaftliche Verrohung, die kann ich nicht tolerieren. Bislang sind die Proteste aber friedlich verlaufen, vor allem hier in unserer Region.

    Fürchten Sie eine rechte Unterwanderung?

    Dünninger: Auf jeden Fall. Seit Jahren suchen rechte Kräfte nach Möglichkeiten, um Bewegungen und Demonstrationen zu unterwandern. Da ist höchste Vorsicht geboten. Ich weiß von wenigen Bauern, die zuhause geblieben sind, weil sie fürchten mit Rechten und Querdenkern in einer Reihe zu stehen.

    Aus der Bevölkerung auf dem Land spüren die Bauern bislang einen großen Rückhalt. Wäre die Solidarität beim Einkaufsverhalten aber nicht viel wichtiger als bei den Protesten auf der Straße?

    Dünninger: Erst einmal bin ich froh, dass uns Bauern so viel Verständnis entgegengebracht wird. Aber natürlich haben Sie Recht. Es gibt andere Schritte, um die Landwirtschaft noch besser zu unterstützen. Etwa indem Verbraucher alle Formen von Direkteinkäufen auf Höfen und Märkten nutzen. Auf diese Weise sehen sie, wo die Produkte herkommen. Und wir haben die Möglichkeit, die Preise selbst zu gestalten – ohne Zwischenhändler. Natürlich müssten die Menschen auch bereit zu sein, mehr Geld auszugeben. Wer Billigfleisch kauft, handelt zu Lasten der Tiere und der Landwirte.

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