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Hofheim: Die Überreste des gefallenen Sohns in Frankreich gefunden: Werner Mock erinnert sich an eine traurige Geschichte

Hofheim

Die Überreste des gefallenen Sohns in Frankreich gefunden: Werner Mock erinnert sich an eine traurige Geschichte

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    Was bleibt von ihnen außer den Namen im Stein? Die Gedenktafel der Gefallenen und Vermissten der beiden Weltkriege der Stadt Hofheim (rechte Seite, oberer Abschnitt).
    Was bleibt von ihnen außer den Namen im Stein? Die Gedenktafel der Gefallenen und Vermissten der beiden Weltkriege der Stadt Hofheim (rechte Seite, oberer Abschnitt). Foto: Werner Mock

    Die Mehrzahl jener, die den 2. Weltkrieg bewusst erlebt haben, ist mittlerweile verstorben. Mahnende Worte wie die Tragödie "Draußen vor der Tür" oder Kurzgeschichten wie "Die Küchenuhr" von Wolfgang Borchert, der an der Ostfront kämpfen musste, geraten in Vergessenheit, bedauert der Hofheimer Werner Mock, der von folgender trauriger Begebenheit erzählt: 

    Auch vor dem 1. Weltkrieg verhallten mahnende Stimmen ungehört im aufwallenden Patriotismus. In Erinnerung an den Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71 wurde gleich zu Beginn des Kriegs der Sieg über den Erzfeind gefeiert. Mein Stiefvater Oskar Zwierlein war im Kampf um Verdun dabei, wo über 700.000 deutsche und französische Soldaten fielen. Am 21. Februar 1916 begann der deutsche Angriff. Und im Dezember standen die Truppen dort, wo der Kampf um Verdun begonnen hatte.

    Seine dortigen Erlebnisse hat er in einem Gedicht niedergeschrieben. Ein Auszug: Da trifft ein gellendes Geschrei unser Ohr,/ zu Tausenden brechen Franzosen aus dem Wald hervor./ Zurück wogt der Ansturm, wohl dreimal erneut,/ bis die aufgehende Sonne bringt Erlösung uns heut./ Was wir da gesehen, ich erzähl es euch nicht,/ so mancher von uns wendet ab sein Gesicht./ Hell leuchtend begrüßt uns das Morgenrot, /über das Schlachtfeld schreitet der Tod.

    Der Hofheimer Bürger, Weltkriegsteilnehmer und langjähriger VdK-Funktion Oskar Zwierlein, so wie viele ihn kannten.
    Der Hofheimer Bürger, Weltkriegsteilnehmer und langjähriger VdK-Funktion Oskar Zwierlein, so wie viele ihn kannten. Foto: Atelier Fritsch, Reproduktion Werner Mock

    Kameradschaft war ein Band, das selbst den Tod überdauert. So leistete Oskar Zwierlein Beistand unter Lebensgefahr und rettete Kameraden vor deren sicheren Tod. Er selbst, schwer Kriegsbeschädigter des Weltkrieges, wusste am besten, wo es auch nach dem Krieg zu helfen galt. Und so gründete er schon 1919 in Hofheim den ersten Verband für Kriegsbeschädigte.

    Nach dem Zweiten Weltkrieg stand er für die gleiche Aufgabe sofort zur Verfügung. Er war Mitbegründer des VdK Hofheim (Verband der Kriegsbeschädigten, Kriegshinterbliebenen und Sozialrentner Deutschlands), Vorsitzender und viele Jahre VdK-Kreisvorsitzender. Für seine ehrenamtlichen Tätigkeiten wurde Oskar Zwierlein mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Selbst als er 1968 verstorben war, veranlassten dankbare Kriegskameraden, dass, solange sie lebten, eine Blumenschale auf seinem Grab stand.

    Unvergessen bis heute ist für mich der Besuch von einem dieser Kriegskameraden und seiner Ehefrau, also ich zwölf Jahre alt war. Wir, mein Stiefvater, meine Mutter, der Kriegskamerad mit Frau und ich, saßen im Wohnzimmer. Dabei kam auch das Schicksal ihres Sohnes Johannes zur Sprache, der wie sein Vater in Frankreich kämpfen musste; der Vater im Ersten, der Sohn im Zweiten Weltkrieg.

    Eltern machen sich im Krieg auf nach Frankreich

    Sie erzählten: "Nach dem Zusammenbruch der französischen Armee wird der Waffenstillstand im Wald von Compiègne am 22. Juni 1940 unterzeichnet. Viele Monate vergingen, aber wir haben von unserem Sohn Johannes nichts mehr gehört. Täglich beteten wir, hofften und warteten wir auf ein Lebenszeichen. Die Ungewissheit zerrte an unseren Nerven. Wir konnten nicht mehr, waren überfordert, hielten es nicht mehr aus, waren psychisch am Ende. So beschlossen wir, uns auf den Weg nach Frankreich zu machen und unseren Sohn zu suchen."

    Auf Grund einer letzten Nachricht von ihm hatten die Eltern gewusst, wo sein Bataillon zuletzt im Einsatz war. Weiter erzählten sie: "Als wir dort ankamen, war es sehr heiß. Die Sonne brannte. Uniformreste, Helme, Tornister, Stiefel, Feldflaschen, menschliche Überreste lagen verstreut im hohen Gras auf einer Wiese und wir ahnten das Schlimmste. Misstrauische Blicke verfolgten uns. Da uns ein Franzose unsere Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung ansah, sprach er uns an und verwies uns auf ein abseits gelegenes einsames Gehöft."

    "Hier lagen Fetzen der Uniform, der Schädel, der eindeutig der von unserem Johannes war, und verstreut seine Knochen"

    Aus der Erzählung der Eltern des gefallenen Soldaten

    Dort erfuhren die Eltern, dass der Eigentümer alle persönlichen Gegenstände der Gefallenen eingesammelt und aufbewahrt hatte. In einem dunklen Gang seien aufgereiht auf einem Tisch gelegen: zerschlissene Landkarten, Fotos, kleine Notizbücher, Blei- und Farbstifte, Messer, Kompasse, Ferngläser, Feldflaschen, Geldbörsen, vergilbte Briefe, Notizheftchen. Und dazwischen das Notizheftchen ihres Kindes. Dies sei der Beweis gewesen, dass Johannes nicht mehr am Leben war.

    Weiter erzählten die Eltern: "Der Eigentümer deutete in die Richtung, wo er glaubte, das Notizheftchen an sich genommen zu haben. Er hatte recht. Dies war der schlimmste Tag unseres Lebens. Wir wehrten uns dagegen, dies alles zu begreifen, aber es war wahr. Hier lagen Fetzen der Uniform, der Schädel, der eindeutig der von unserem Johannes war, und verstreut seine Knochen, die wir, nachdem wir uns etwas gefasst hatten, aufsammelten und in eine Erdvertiefung legten. Auf einem naheliegenden Feld blühten Sonnenblumen. Wir pflückten einige dieser Blumen und bedeckten damit die sterblichen Überreste unseres Kindes."

    Immer wieder versagte dem Elternpaar von Johannes beim Erzählen die Stimme, unterbrochen von Weinkrämpfen. Es war erschütternd und hat sich tief bei mir eingebrannt, den nie endenden Schmerz dieser leidgeplagten Eltern anzusehen.

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