Mit seinem Jahreskonzert entführte der Kammerchor Ebern am vergangenen Wochenende in den Kirchen in Gleisenau und Ebern in die musikalische Geschichte eines über 2000 Jahre alten Gebetes: Das Vater unser. Kein langes Gebet, mit kurzen und einfachen Sätzen, mit dem sich der Beter an Gott wendet, stand im Mittelpunkt des 90-minütigen Programms, „das unserer Seele Labsal“ und zu Herzen gegangen war, so der Gastgeber und Pfarrer der evangelischen Kirchengemeinde in Gleisenau, Volkmar Gregori. Auch die Instrumentalmusiker Michael Wicklein aus Reckendorf und Diana Duarte aus Nürnberg, die zum ersten Mal mit dem Kammerchor auftraten, begeisterten an Orgel und Querflöte an beiden Orten.
Verbindung über Sprachen hinweg
„Das Vater unser ist ein Gebet aller christlichen Konfessionen, das die Menschen über viele Sprachen hinweg verbindet“, machte die künstlerische Leiterin, Ulrike Zeidler, zu Beginn des Konzertes deutlich. Auch wenn sich viele der Komponisten bei ihren Vater unser-Vertonungen auf die Gregorianik bezogen, so hatte jedes Werk, das der Kammerchor präsentierte, seine Eigenart und immer wieder eine andere Sprache.
Angefangen auf der grünen Insel: Der Engländer Robert Stone komponierte im 16. Jahrhundert den vierstimmigen Gesang „The Lord's Prayer“, der sich mittlerweile zu seinem bekanntesten Werk entwickelt hat. Die sprachliche Vater unser-Reise führte der Vokalgesang „Otche Nash“ von dem Russen Nicolai Kedrov fort. Der orthodoxen Melodik folgte kein Minderer als der große italienische Opernkomponist Guiseppe Verdi. Verdi vertonte gleichsam eine Vater unser-Geschichte des italienischen Philosoph und Dichters Dante Alighieri aus dem 14. Jahrhundert. Dramatik und Leidenschaft schrieb Verdi nicht nur in die sechsstimmige Partitur, sondern war auch den 32 Sängerinnen und Sänger in Ausdruck und Stimmgewalt zugeschrieben. Ein absolut genialer Kontrast zu der Eröffnung des Konzertes mit einem gregorianischen „Pater noster“-Männergesang.
Sehr beliebt: auf lateinisch
Letzteres hallte übrigens nicht nur von Jacob Handl aus dem 16. Jahrhundert durch den Kirchenraum. Mit den zeitgenössischen Komponisten Albert de Klerk aus den Niederlanden und Peteris Vasks aus Lettland machte Ulrike Zeidler bei der Programmauswahl deutlich, dass das Vater unser-Gebet auch noch im 20. Jahrhundert im Trend liegt und sich die Komponisten dabei immer wieder der lateinischen Sprache bedienen. Mit Überzeugung, Präzision, teils aufbrausendem und mächtigem Gesang und gleich darauf wieder andächtiger Piano-Melodie führten so die Männer und Frauen des Eberner Kammerchors durch die Musikgeschichte des Gebetes „Vater unser“.
Die Beiträge von Michael Wicklein (Orgel) und Diana Duarte (Querflöte) ergänzten die Programmatik nicht nur, sondern kontrastierten auch mit Professionalität. Beispielsweise mit der Suite op. 34, eines der glanzvollsten Kammermusikwerke des Franzosen Charles-Marie Widor. Die Orgel tritt dabei aus der Rolle des Begleitinstrumentes heraus und bestreitet einen eigenen farbenreichen Part. Ähnlich akrobatischer Purzelbäume der Finger drangen die Töne zu den Ohren des Publikums vor und durchkreuzten den linearen Klangteppich des Chores. Mit der Orgelsonate VI in d-moll schloss Michale Wicklein den Kreis zum thematischen Mittelpunkt der Konzertabende in Ebern und Gleisenau: Dieses brillante Werk von Felix Mendelssohn Bartholdy basiert laut historischen Überlieferungen auf der Hymne von Martin Luther „Vater unser im Himmelreich“.
Etwas ganz Besonderes
„Danke, dass wir das hier in diesem Raum erleben durften“, verbeugte sich Pfarrer Volkmar Gregori in der Gleisenauer Kirche sprachlich vor den Sängern aus dem Landkreis Haßberge sowie Coburg und Bamberg, „in Gleisenau haben wir nicht viel Kirchenmusik, aber wenn wir etwas haben, dann etwas Besonderes.“ Die intensive und engagierte Probenarbeit des Chores unter der Leitung von Ulrike Zeidler wurde so bestätigt und den Auftretenden bewiesen, dass sie mit ihrem Gesang das Publikum auf unterschiedlichste Weise berührten.