Verlassen liegt es da. Kurz vor Morgengrauen. Ein Gewerbegebiet in Haßfurt. Es ist der zweite Weihnachtsfeiertag vor neun Jahren. Kurz vor fünf Uhr früh taucht ein Kleinwagen auf. Das zeigen Aufnahmen mehrerer Überwachungskameras. Der Beifahrer steigt aus. Sein Kollege am Steuer nimmt Anlauf und rast mit dem Auto durch die beiden Glastüren eines Elektro-Fachmarktes. Die Splitter werden bis zu 15 Meter weit geschleudert. Sachschaden insgesamt rund 120.000 Euro.
Die Ramm-Aktion löst einen Alarm bei der privaten Wach- und Schließgesellschaft aus, die das Objekt betreut. Doch am anderen Ende der Leitung tut sich nichts. Keiner kommt vorbei, um nachzusehen, was da los ist. Keiner ruft die Polizei, damit sie möglichen Tätern nachsetzen kann.
Missgeschick beim Einbruch: Auto verkeilt sich im Türrahmen
Die beiden vermummten Männer hasten ins Geschäft. Sie wissen genau, was sie suchen. Sie zertrümmern eine Vitrine. Vom Regal mit den hochwertigen Smartphones wischen sie insgesamt 38 Geräte in große Einkaufstaschen. Dann verlassen sie den Laden wieder. Die ganze Aktion hat nicht einmal eine Minute gedauert. Die Beute: rund 26.000 Euro.
Bei der Flucht erleben sie allerdings eine böse Überraschung: Der Kleinwagen, mit dem sie eingebrochen sind, hat sich im Türrahmen verkeilt und lässt sich nicht mehr bewegen. Sie müssen ihre Komplizen um Hilfe bitten, die sie einige Minuten später mit zwei Autos in der Nähe abholen – damit man in verschiedene Richtungen flüchten kann.

Erst Stunden später erfährt die Polizei Haßfurt von dem "Blitz-Einbruch". Weil eine Spaziergängerin mit dem Hund eine morgendliche Runde dreht und das Loch im Laden entdeckt. Für Fahndungsmaßnahmen ist es nun zu spät. Die Ermittlungen zeigen, dass die Täter sehr vorsichtig vorgegangen sind. Es gibt keinerlei Fingerabdrücke. Auf den Videoaufnahmen sind die beiden Männer nicht zu identifizieren.
Auch Schuhabdrücke in einem Kiesbett bringen nichts. Und um keine digitalen Spuren in den Funkzellen der Umgebung zu hinterlassen, haben sie keine Mobiltelefone benutzt, sondern tragbare Funkgeräte. Beinahe wären die Täter ungeschoren davongekommen. Wenn ihnen nicht das Malheur mit dem Auto passiert wäre.
Täter können DNA-Spuren nicht wie geplant vernichten
Der Kleinwagen stammt aus Fürth, wo man ihn tags zuvor auf offener Straße aufgebrochen, kurzgeschlossen und mitgenommen hat. Es ist ein älteres Modell, mit dem die Einbrecher gut zurechtkommen. Freilich ist es nur zweite Wahl, weil ein erster Versuch am Bahnhof Ebelsbach/Eltmann fehlgeschlagen ist. Offenbar gelingt es im Laufe des Heiligen Abends nicht, das Gefährt zu starten.
Eigentlich wollen die Täter den Rammbock auf vier Rädern nach dem Einbruch wieder mitnehmen und weitab vom Tatort an einer abgelegenen Stelle in Flammen aufgehen lassen, sodass die Ermittler keinerlei DNA-Spuren mehr sichern können. Bei anderen "Blitz-Einbrüchen" zu jener Zeit in der Region passiert es genau so. Aber das Auto hängt im Elektro-Fachmarkt fest.
Haftstrafe für einen Täter, der andere bleibt unbekannt
Das ermöglicht es der Kriminalpolizei Schweinfurt, nach Hautschuppen, Schweißflecken oder Haaren zu suchen. Tatsächlich werden die Ermittler unter anderem am Griff der Fahrertür, an der Unterseite des Lenkrades und am Zündschloss fündig. Sie können zwei Verdächtige ausmachen.
Der eine Mann aus Moldawien ist bereits in der europäischen DNA-Datenbank gespeichert. Man kann ihn einige Monate später in Bielefeld festnehmen, das Amtsgericht Bamberg verurteilt ihn zu einer Haftstrafe von zwei Jahren und sieben Monaten. Doch darüber, wer sein Komplize war, schweigt er vor Gericht. Dessen DNA ist bislang unbekannt. Er bleibt ein Phantom.

Dann herrscht jahrelang Funkstille. Bis sich die DNA-Datenbank plötzlich meldet: Das Phantom ist aufgetaucht – in Österreich. Das Landesgericht Wiener Neustadt hat einen Moldawier mit drei weiteren Landsleuten wegen schweren Einbruchdiebstahls verurteilt – zu 27 Monaten mit Bewährung. Es geht um mehrere Einbrüche in Handy-Läden, bei denen man die Glastüren mit Waschbetonplatten, Spitzhacken oder Gelenkwellen eingeschlagen hat.
Angeklagt werden schweren Banden-Diebstahls: Amtsgericht Bamberg verhandelt
Die Beute sind teure Smartphones im Wert von mehr als 300.000 Euro, die im Ausland verkauft werden. Nach dem Richterspruch im März dieses Jahres wird der Mann, dessen DNA mit der aus Haßfurt übereinstimmt, wegen eines Europäischen Haftbefehls noch aus dem Justizpalast heraus nach Deutschland ausgeliefert.
Nun sitzt er wegen schweren Banden-Diebstahls und Sachbeschädigung auf der Anklagebank des Amtsgerichts Bamberg – neun Jahre nach dem Vorfall in Haßfurt. Doch schon die beiden ersten Verhandlungstage zeigen: Es dürfte ein juristisch kniffliger Prozess werden.