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Haßfurt: Es liegt an jeder und jedem einzelnen von uns

Haßfurt

Es liegt an jeder und jedem einzelnen von uns

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    Michael Feller.
    Michael Feller. Foto: Markus Hauck

    Viele von uns, vermutlich wir alle, kennen das Gefühl fassungslos, angewidert, wütend, hilflos, verletzt, traurig, verzweifelt, schockiert, sprachlos, gequält und leiderfüllt sein.

    In mir löst der Missbrauch, der auch in "meiner" katholischen Kirche immer wieder geschehen ist und geschieht, genau oben genannten Gefühle aus. Ich will, dass in "meiner" Kirche, in der Gesellschaft, in der ich lebe, das nicht vorkommt und wenn es doch vorkommt, dass gehandelt wird zum Schutz und Wohle der Betroffenen.

    Das Bistum Würzburg hat nun am 8. April von der Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs (UKAM) im Bistum Würzburg ein Gutachten überreicht bekommen, 802 Seiten lang. Derzeit habe ich das Dokument bis Seite 93 gelesen und ich merke, dass all diese Gefühle wieder in mir hochsteigen, dass ich es nicht verstehen und begreifen kann, dass Menschen Leid erfahren, gedemütigt, gequält und missbraucht werden. Und dennoch liegt es an uns allen, uns nicht davon abzuwenden, wenn wir Grenzverletzungen wahrnehmen, sondern dass wir darüber reden, wenn jemand unsere Grenzen verletzt. Dabei ist es wichtig, dass wir immer wieder gemeinsam ins Gespräch darüber kommen. Ich, und ich denke auch viele von Ihnen, fürchten sich davor, Situationen falsch zu interpretieren: Sage ich etwas, was sich dann als haltlos herausstellt? Oder schweige ich und es stellt sich heraus, dass ich doch etwas hätte sagen sollen? Und mit wem kann ich eigentlich gut ins Gespräch darüber kommen?

    Mein Glaube fordert mich immer wieder dazu auf, für Menschen da zu sein, für sie einzutreten und dabei Nächstenliebe, Heilung, Befreiung und Frohsinn zu bringen. Sonntag für Sonntag hören wir dazu Texte aus der Bibel und Gott sucht nicht zuletzt darin, Anteil an unserem Leben zu nehmen. Es liegt an jeder und jedem einzelnen von uns, wie sie und er sich zu Gottes Ansprache an uns verhält.

    Gerade jetzt, in der Karwoche und der sich anschließenden Osterzeit dürfen wir uns von Gott in besonderer Weise angesprochen wissen. Bevor er eines Tages wiederkommt, begleiten wir im gemeinsamen Erinnern Jesus an seinen letzten irdischen Tagen: den Einzug als König in Jerusalem, das letzte gemeinsame Mahl mit den Jünger, die angstvollen Stunden im Garten Gethsemane, in welcher Jesus mit seinem Schicksal ringt, die Verhöhnung durch die Priester, die Verachtung des Volkes, die Verurteilung durch Pilates, die körperliche Peinigung mit dem Ende am Kreuz, das Einschlagen der Nägel, der Tod Jesu, das leerer Grab. Wir dürfen uns hineinversetzten in die Gefühlswelt Jesu, in der auch die Fassungslosigkeit, die Wut, die Hilflosigkeit, die Trauer und das Verletzt sein zur Sprache kommen. In einem letzten Aufbäumen am Kreuz ruft Jesus als das aus sich heraus: "Mein Gott, mein Gott, warum hast Du mich verlassen?"

    Mit Jesus dürfen wir lernen, was es heißt, einen Menschen zu begleiten, für den eigenen Glauben und für das eigene Leben einzustehen. Hier dürfen wir die Gefühle wahrnehmen und aushalten lernen, hier können wir nicht eingreifen, hier können wir nur mitgehen, mitleiden.

    Wie können wir nun Menschen in unserer Nähe, die sich aktuell in Not, Verzweiflung, Angst und Pein befinden, wahrnehmen, ihnen begegnen und ihr Leid anerkennen? Ich denke, indem wir mit offenen Augen und Ohren selbstbestimmt die Welt wahrnehmen, achtsam und wertschätzend miteinander umgehen, Grenzen wahrnehmen und die Räume klein machen, in welchen Missbrauch geschehen kann. So sind wir alle Teil eines Netzes, das verhindern, auffangen und tragen kann. Hören Sie dabei auf Ihr Bauchgefühl und holen Sie sich gegebenenfalls Hilfe (zum Beispiel Interventionsbeauftragte des Bistums, Netzwerk Ehe-Familie-Lebensberatung, Polizei).

    Ich wünsche uns allen einen guten Platz zum Tun und Sein in einem tragfähigen Netz, dass wir als Gesellschaft einen achtsamen, einen wertschätzenden, einen gewaltfreieren, einen wunderbaren Ort für alle Menschen anbieten können, eine Gesellschaft mit viel Platz für gute Gefühle.

    Der Autor: Michael Feller ist Pastoralreferent vom Pastoralen Raum Haßberge West mit den Pfarreiengemeinschaften Aidhausen/Riedbach, Haßfurt, Hofheim und Theres.

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