Bis zur "Fastnacht in Franken" sind es 70 Kilometer. Zumindest wenn es nach dem Wegweiser geht, der vor dem Haus steht. Im Garten ist die Fahne des 1. FC Nürnberg gehisst. Über den Hof geht es zur Scheune, die hier in Oberschwappach im Landkreis Haßberge die "Bescheuerte Weindunstbühne" beherbergt. Es ist das Zuhause von Fastnachtsstar Oti Schmelzer. Die Entfernung nach Veitshöchheim, dem Veranstaltungsort von "Fastnacht in Franken", hat er selbst auf dem Wegweiser vermerkt.
"Veitshöchheim war ja fast schon meine zweite Heimat. Auch das Drumherum. Ich hab das äußert genossen", sagt Schmelzer einen Monat nach seinem letzten Auftritt. Der 64-Jährige hat in diesem Jahr bei der Kultsendung des BR seine Abschiedsvorstellung gegeben. 1999 hatte er zum ersten Mal bei "Fastnacht in Franken" auf der Bühne gestanden, als kurzfristiger Ersatz. Seit 2011 dann zählte der Oberschwappacher zum festen Stamm.
Eine Woche Urlaub eigens für Veitshöchheim
Während er am Tag seines allerersten Auftritts bei "Fastnacht in Franken" andernorts noch zwei weitere Auftritte hatte, nahm sich Schmelzer – von Beruf Straßenwärter – in den vergangenen 14 Jahren eigens für Veitshöchheim stets eine Woche Urlaub. Angesichts des Schichtbetriebs bei der Autobahnmeisterei und der "damals noch strengen Winter" gar nicht so einfach, erzählt er.

Ab Sonntag vor der Sendung war er dann durchgehend vor Ort, besuchte auch die Kindersitzung – und ließ am Samstagabend danach mit Secco auf dem heimischen Sofa die Sendung noch einmal Revue passieren. "Ich habe das aufgesaugt", sagt Oti Schmelzer. Doch jetzt ist Schluss. Er will Platz für den närrischen Nachwuchs machen. "Es ist nicht so, dass es mir leicht gefallen ist", sagt der 64-Jährige.

Eigentlich habe er ja vorgehabt, gar nicht mehr auf die Bühne zu gehen. Doch aus Fastnachtskreisen gab es Protest: "Das kannst du nicht machen, das bist du deinen Fans schuldig, das bist du dir schuldig, das bist du uns schuldig", habe es geheißen, berichtet Schmelzer. Und so kam es in diesem Februar in Veitshöchheim doch noch mal zu einem Auftritt des Stars aus Oberschwappach – und zur Best-of-Kostüm-Parade.
Von der stillen Nebenrolle ins Scheinwerfer-Licht: 1980 als "stummer Ehemann" debütiert
Eine runde Sache, befindet Schmelzer vier Wochen später. "Fastnacht in Franken" sei immer sein Ziel gewesen. "Das ist für jeden Künstler das Nonplusultra." Ganze 45 Jahre liegen zwischen diesem Finale in Veitshöchheim und seinem ersten Auftritt überhaupt: 1980 hatte Schmelzer in der Büttensitzung in Oberschwappach sein Bühnendebüt – in einer Nebenrolle, als "stummer Ehemann".

"Applaus macht süchtig", sagt der Kabarettist. Er muss darauf künftig nicht verzichten – und seine Anhängerschar nicht auf ihn: "Ich bin für heuer total ausgebucht und probiere auch Neues aus." Er sei dann zwar nicht im Fastnachts-Verkleidungsmodus unterwegs, aber "bissl verrückt freilich, das ist mein Markenzeichen".
Manchmal seien die Leute überrascht, dass er ein ganzes Programm habe, berichtet Schmelzer. "Weil die halt Veitshöchheim sehen und denken, der macht da sieben, acht Minuten – mehr kann der net." Sein treues Stammpublikum freilich weiß es besser: "Es gibt Leute, die können meinen Text mitsprechen", sagt der Kabarettist.

Der große Unterschied bei "Fastnacht in Franken": "Da sitzen Politiker drin. Ich sag es mal saublöd, scheiß egal, was du da oben machst, die sind halt da." Manchmal müsse dann einer "doch aus Versehen lachen". Aber beim eigenen Programm – "da kommen die Leute wegen dir", erklärt der 64-Jährige, der unter anderem beim Kultursommer im Oberschwappacher Schlosspark zu sehen sein wird.
Theater auf Schmelzers "Weindunstbühne"?
Näher liegt nur die "Bescheuerte Weindunstbühne": 19 Meter sind es laut Schmelzer'schem Wegweiser. Diese werde er künftig spontan aufmachen. "Das ist noch Corona geschuldet. Als Künstler bist du da schon weng gebrannt", erklärt Schmelzer. Vor der Pandemie gab es die Tickets bereits lange im Voraus. Dann folgte Lockdown um Lockdown.

Er könne sich auch vorstellen, auf der "Bescheuerten Weindunstbühne" mal Theater zu spielen. Und ein Auftritt bei einem Poetry Slam würde ihn reizen, sagt Schmelzer, der in ein paar Monaten dann auch als Straßenwärter in den Ruhestand geht. Was er jetzt auf jeden Fall machen will: ein Buch schreiben. Worum es gehen wird? "Ich bin ein Kosmopolit und interessiere mich für alles, das kann man ja vermischen." Er habe so seine Ideen, sagt der 64-Jährige. "Ich will aber nicht zu viel verraten."

Langweilig wird es dem "Fastnacht in Franken"-Ruheständler wohl nicht werden. Da sind ja auch noch die zwei Töchter, die drei Enkelkinder und die Lebensgefährtin. "Meine Lebensverschönerin", wie Schmelzer sagt. Außerdem bereitet er sich gerade auf den Halbmarathon beim Weltkulturerbelauf in Bamberg vor. Und als Winzer ist der "Multifunktionsfranke" regelmäßig im eigenen Weinberg unterwegs.
Für ihn ein bewusster Ausgleich: "Da gibt's kein Radio und sonst was. Da hör' ich meinen Eichelhäher, meinen Falken und meine Lerche oben rumzwitschern. Da kann ich mit mir schweigen." Ja, sagt Oti Schmelzer noch, mit Augenzwinkern: "Ich bin da, glaub ich, leicht schizo." Er könne einen ganzen Saal und ein Millionen-Fernsehpublikum unterhalten, aber privat auch mal komplett schweigen.