Nur ein Punkt stand auf der Tagesordnung einer kurzfristig einberufenen Sondersitzung des Gemeinderats Theres am Montagabend. Doch der hatte es in sich. Nach rund eineinviertel Stunden Beratung kam es zur Abstimmung. Danach war klar: Die Gemeinde zieht ihre Klage gegen die Flüchtlingsunterkunft im ehemaligen Gasthof Schafhof in Obertheres zurück.
Einigkeit über Parteigrenzen hinweg
Dabei war vielen Ratsmitgliedern deutlich anzusehen, dass ihnen die Entscheidung nicht leicht fiel. Denn über alle Partei- und Fraktionsgrenzen hinweg sind sich die Thereser Gemeinderätinnen und -räte einig: für die Gemeinde nicht zu gewinnen sein würde.
. Deshalb hatte das Gremium im März beschlossen, gegen das Vorhaben vor Gericht zu ziehen. Dass die Gemeinde diese Klage nun zurückzieht, liegt daran, dass es ein deutliches Signal vom Verwaltungsgericht Würzburg gegeben hatte. Damit war praktisch klar, dass der ProzessDas Thema beschäftigt den Gemeinderat nun seit vielen Monaten. Denn die Regierung von Unterfranken sucht händeringend nach Unterkünften für Geflüchtete und muss diese auf die einzelnen Landkreise verteilen. Somit stehen auch die Landratsämter unter Druck, der Regierung mögliche Standorte dafür zu liefern. Aus Sicht der Behörden erschien der Schafhof daher zunächst als Glücksfall, denn dessen Eigentümer war bereit, den ehemaligen Gasthof zu vermieten und ihn damit als Gemeinschaftsunterkunft zur Verfügung zu stellen.
Wenig Mitspracherecht für die Gemeinde: Die Entscheidung liegt beim Landratsamt
Der Gemeinderat der Standortkommune hat in solchen Fällen wenig Mitspracherecht. Letztlich liegt die Entscheidung über eine Baugenehmigung beim Landratsamt. Die gab es dann auch, sodass im März die ersten Geflüchteten in die Gemeinschaftsunterkunft einziehen konnten – dem gleichen Monat, in dem der Gemeinderat beschloss, gegen diese Baugenehmigung zu klagen.
Zusätzlich zur Klage stellte die Gemeinde einen Eilantrag auf aufschiebende Wirkung. Wäre dieser genehmigt worden, hätte das bedeutet, dass bis zum Urteil im eigentlichen Verfahren keine Geflüchteten im Schafhof hätten wohnen dürfen. Diejenigen, die sich bereits in der Unterkunft befinden, hätten dann wieder ausziehen müssen.
Für eine Entscheidung über die aufschiebende Wirkung schauen sich die zuständigen Richterinnen und Richter schon vor dem eigentlich Prozess die Sachlage an und treffen eine erste Einschätzung. Kommen sie zum Ergebnis, dass der Kläger gute Erfolgsaussichten hat, wird der aufschiebenden Wirkung stattgegeben.
Verwaltungsgericht lehnt Eilantrag der Gemeinde ab
Doch am 12. Juni lehnte das Verwaltungsgericht Würzburg den Antrag der Gemeinde Theres ab. Deshalb traf sich der Gemeinderat am Montag zur Sondersitzung, um über das weitere Vorgehen zu beraten. Mit in der Sitzung war auch Rechtsanwalt Dr. Matthias Schneider (namensgleich mit dem Thereser Bürgermeister), der die Gemeinde vertritt. Ungewöhnlich sei laut dem Juristen, dass sich das Gericht für die Entscheidung über den Eilantrag drei Monate Zeit gelassen habe. Normalerweise gehe das deutlich schneller. Ebenfalls ungewöhnlich sei die Ausführlichkeit, mit der das Gericht die Ablehnung begründet: 46 Seiten hat das Schreiben, das auch dieser Redaktion vorliegt.

Und das macht den Gegnerinnen und Gegnern der Flüchtlingsunterkunft im Schafhof wenig Hoffnung. Denn auch wenn es sich lediglich um die Ablehnung des Eilantrags auf aufschiebende Wirkung handelt, liest es sich bereits wie eine ausführliche Urteilsbegründung, mit der das Gericht auch die eigentliche Klage ablehnen könnte. So sagte Rechtsanwalt Schneider bezogen auf die Würzburger Richterinnen und Richter: "Es ist sehr unwahrscheinlich, dass sie in zukünftigen Verfahren von dieser Rechtsauffassung abrücken."
Zwei Wochen Frist für eine Beschwerde
Die Gemeinde hatte unter anderem die Verfassungsmäßigkeit von Paragraf 246, Absatz 14 des Baugesetzes angezweifelt, der die Einrichtung von Flüchtlingsunterkünften auch gegen den Willen der Standortkommune ermöglicht. Dieser stelle einen zu großen Eingriff in die Planungshoheit der Gemeinden dar. Das Verwaltungsgericht kam dagegen zum Ergebnis, "das öffentliche Interesse an staatlicher Aufgabenerfüllung zur Unterbringung von Flüchtlingen und Asylsuchenden" überwiege gegenüber dem Interesse der Gemeinde, "von einem punktuellen Eingriff in ihre Planungshoheit verschont zu bleiben".
Für den Gemeinderat ging es nun um zwei Fragen. Zum einen, ob man gegen die Ablehnung des Eilantrags Beschwerde beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof einlegen solle. Die zweiwöchige Beschwerdefrist läuft am Wochenende ab – der Grund für die kurzfristige Ladung zur Sondersitzung. Zum anderen ging es um die Frage, ob es angesichts der geringen Erfolgsaussichten nicht sinnvoller sei, auch die eigentliche Klage zurückzuziehen.

Rechtsanwalt Schneider sprach keine klare Empfehlung aus, ob die Gemeinde aufgeben oder weiterkämpfen solle. Was er den Ratsmitgliedern aber nahelegte, könnte sich mit "Ganz oder gar nicht" zusammenfassen lassen. So würde es seiner Einschätzung nach keinen Sinn ergeben, die Klage in der Hauptsache weiterlaufen zu lassen, ohne eine Beschwerde gegen die Ablehnung des Eilantrags zu stellen. Denn: "Es wird aus Würzburg keine andere Rechtsauffassung geben."
Bürgermeister spricht von einer enormen Herausforderung für den Helferkreis
Damit sei auch eine Möglichkeit vom Tisch, auf die die Gemeinde hätte setzen können, wenn der Eilantrag mit einer weniger deutlichen Begründung abgelehnt worden wäre: ein Vergleich. Denn hätte für beide Seiten noch ein gewisses Risiko bestanden, den Prozess zu verlieren, wäre es vielleicht möglich gewesen, ein Kompromiss auszuhandeln. Der hätte beispielsweise so aussehen können, dass die Gemeinde Theres die Flüchtlingsunterkunft akzeptiert, wenn die Regierung von Unterfranken zusagt, diese nie voll zu belegen. Denn die Unterkunft ist für bis zu 60 Personen ausgelegt, aus Sicht der Kommune wäre es aber schon eine Erleichterung gewesen, diese Zahl zu reduzieren.

Bürgermeister Matthias Schneider (CSU) brachte auch in der Sitzung zum Ausdruck, dass es eine "enorme Herausforderung" für den kleinen Helferkreis sei, eine derart große Zahl an Menschen zu integrieren. "Die Leute werden sich erstmal selbst überlassen. Und der Helferkreis wird an die Wand gefahren", so der Bürgermeister.
Zweiter Bürgermeister sieht es kritisch, wenn Gesetze ausgesetzt werden
Zweiter Bürgermeister Manfred Rott (CSU) bekundete in der Sitzung seinen Unmut darüber, dass zur Aufnahme von Geflüchteten Ausnahmen von ansonsten geltenden Regeln gemacht werden könnten. "Es stört mich, wenn in einer Demokratie Gesetze ausgesetzt werden – auch wenn's nur auf Zeit ist."
Letztlich stimmte der Gemeinderat mit 8:6 Stimmen gegen eine Beschwerde am Verwaltungsgerichtshof und anschließend mit 10:4 Stimmen gegen die Fortführung des Prozesses. Jurist Matthias Schneider erhielt damit den Auftrag, im Namen der Gemeinde die Klage zurückzuziehen.