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HELLINGEN: Geschichte (er-)leben

HELLINGEN

Geschichte (er-)leben

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    Zeitreise: Sebastian Slawik beschäftigt sich mit der Ordenskleidung der Mönche um 1300 und hat selbst schon Kutten gefertigt.
    Zeitreise: Sebastian Slawik beschäftigt sich mit der Ordenskleidung der Mönche um 1300 und hat selbst schon Kutten gefertigt. Foto: Fotos: Carolin Münzel

    Die Mönchskutte, die Sebastian Slawik von einem Kleiderbügel holt, scheint riesig. Der 26-jährige Historiker aus Hellingen hat sie selbst genäht. Nach dem Vorbild der Kutte des Heiligen Franz von Assisi und aus einem Stoff, der aus der ungefärbten Wolle brauner Schafe hergestellt wurde. Ein Jahr hat er daran gesessen, weil er „ein ungeduldiger Näher“ ist, der „das Ding auch schon mal in die Ecke gepfeffert hat“. Dennoch hat er sein Werk zu Ende gebracht und plant schon das nächste: die Ordenstracht eines Zisterziensermönches. Diesen Aufwand betreiben kann nur jemand, der für Geschichte brennt und der durch diese Arbeit etwas lernen und sein Wissen weitergeben will. Für dieses Engagement gibt es einen Namen: Living History.

    „Living History – Lebendige Geschichte – bezeichnet das Nachempfinden historischer Lebenswelten durch Darsteller in rekonstruierter Kleidung und Ausrüstung.“ Auf diese Erklärung, die Andrej Pfeiffer-Perkuhn auf der Internetseite geschichtsfenster.de veröffentlicht, verweist Slawik, wenn man ihn nach der Definition von Living History fragt. Er beschäftigt sich seit etwa fünf Jahren mit der Materie und hält große Stücke auf Pfeiffer-Perkuhn: „Er ist ein unglaublich begabter Erklärer, dem es gelingt, sogar mittelalterliche Mathematik spannend zu vermitteln.“ Die Anhänger der Living History wollen Geschichte zum greifbaren Erlebnis machen. „Für mich bezeichnet Living History den Versuch, Geschichte darzustellen, auch auf die Gefahr hin, dass sie der Wunschvorstellung widerspricht“, so Slawik.

    In Geschichte hineingewachsen

    Aufgewachsen ist Slawik in dem vor Historie nur so strotzenden Königsberg. „Eine meiner frühesten Erinnerungen ist der Fund von Tontöpfen in unserem Gewölbekeller“, meint er. Heute wisse er, dass diese aus dem 15. und 16. Jahrhundert stammten. Slawik liest viel. Vor allem Fantasy- und Mittelalterromane. 1997 kommt er über seinen Vater mit der Mittelalterszene in Berührung. Noch heute gehört er zum Freien Burgvolk Königsberg, nimmt hin und wieder an Rollenspielen teil und tritt mit der Mittelalter-Folkgruppe „Minniglich“ auf.

    Für Living History hat er sich später, vor allem während des Studiums der interdisziplinären Mittelalterwissenschaften, interessiert. Aber erst als Slawik seine Masterarbeit über die Ordensgewänder mittelalterlicher Mönche schrieb, hatte er einen Schwerpunkt und damit einen wirklichen Zugang zu Living History gefunden, deren Faustformel laute: „Suche dir einen Zeitraum, der nicht länger als 50 Jahre ist, entscheide dich für einen Ort und mache dir Gedanken über einen Bevölkerungsstand.“

    Slawik richtete seinen Fokus auf die italienischen Mönche um 1300 und fertigte parallel zu seiner Masterarbeit eine entsprechende Kutte an. „Selbst handwerklich tätig zu werden ist der große Reiz an Living History“, erklärt er. Dabei geht es nicht nur um die äußere Schicht: auch Hosen zum Daruntertragen, Tuniken und Gürtelstricke gehören zum Gesamterscheinungsbild.

    Einsichten ins Verborgene

    Dadurch, dass man die Gewänder selbst schneidere, bekomme man Einsichten, die einem sonst verborgen bleiben würden. Zum Beispiel, dass auch ein Bettelgewand handwerklich nicht schlecht gemacht sein musste. „Wenn man sich die Mühe machte, ein Stück zu fertigen, sollte es auch halten“, so Slawik. Er sei erstaunt gewesen, wie schnell er das Nähen gelernt habe.

    Im Februar darf Slawik im österreichischen Kloster Heiligenkreuz einen Vortrag über Ordenskleidung halten. Das hat seinen Ehrgeiz geweckt. Da es sich bei den Mönchen dort um Zisterzienser handelt, arbeitet er gerade an einer entsprechenden Kutte, die er dann als Anschauungsobjekt mitnehmen möchte.

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