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Ebelsbach: Hass und Hetze im Internet: Wie die CSU-Politikerin Dorothee Bär damit umgeht – und was das mit Frauen macht

Ebelsbach

Hass und Hetze im Internet: Wie die CSU-Politikerin Dorothee Bär damit umgeht – und was das mit Frauen macht

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    Dorothee Bär (CSU) ist sehr aktiv in den sozialen Netzwerken. Sie wird dort jedoch auch mit Hass konfrontiert.
    Dorothee Bär (CSU) ist sehr aktiv in den sozialen Netzwerken. Sie wird dort jedoch auch mit Hass konfrontiert. Foto: Joerg Rueger

    Auf Twitter hat sie über 103.000 Follower, auf Instagram folgen ihr über 48.000 Menschen und kommentieren ihre Postings. Unter deutschen Politikern und Politikerinnen ist kaum jemand zu finden, der oder die im Internet so aktiv ist wie Dorothee Bär.

    Auf Social Media Plattformen aktiv zu sein, bringt für die CSU-Bundestagsabgeordnete aus Ebelsbach (Lkr. Haßberge) jedoch nicht nur PR – sondern auch Hass und Häme. Wie die 44-Jährige damit umgeht, ob sie sich mehr gefallen lassen muss als ihre männlichen Kollegen und warum sie versteht, dass Frauen darauf keine Lust haben, erzählt sie im Interview.

    Frage: Sie gehören zu den aktivsten Politikerinnen und Politikern in den sozialen Netzwerken in Deutschland. Wie kommt das?

    Dorothee Bär: Als Facebook und Twitter neu waren, war ich jeweils sehr früh vertreten auf den Plattformen. Das war eine neue, teilweise aufregende Zeit. Plötzlich war es Tag und Nacht möglich, mit meinen Bürgerinnen und Bürgern in Kontakt zu treten – ohne, dass jemand zwischengeschaltet war. Man hat nicht mehr nur Pressemitteilungen verschickt, sondern auch unmittelbares Feedback bekommen. Das fand ich toll.

    Das hat doch aber sicherlich auch Schattenseiten mit sich gebracht?

    Bär: Im Laufe der Jahre kam dann die Kehrseite der Medaille: Hass, Hetze und Gewaltandrohungen haben zugenommen. Und das hat nichts mit der Anonymität im Netz zu tun, mittlerweile finden Beleidigungen, Bedrohungen, Hass und Hetze fast ausschließlich unter Klarnamen statt. In den vergangenen Jahren hat es sich dann stetig mehr ins physische Leben verschoben.

    Wie äußert sich das?

    Bär: Man wird im Alltag sehr häufig aggressiv angesprochen – und mehr und mehr angepöbelt. Die Distanz ist weg. Zumeist sind es Männer, die Politikerinnen wahrscheinlich schon hundertmal online beleidigt haben. Und wenn dann eine real vor ihnen steht, ist die Hemmschwelle weg.

    Sie werden im Alltag mittlerweile öfter beleidigt?

    Bär: Das variiert etwas. In der laufenden Legislaturperiode weniger, aber im Wahlkampf nimmt das deutlich zu. Von krassen Bedrohungsszenarien bis zu krankhafter Besessenheit ist dann alles dabei.

    Gibt es Inhalte, die besonders polarisieren oder hängen die Reaktionen mit Ihnen als Person zusammen?

    Bär: Zu 99 Prozent hat der Hass nichts mit dem zu tun, was ich gesagt habe. Eine Auseinandersetzung mit Argumenten und Inhalten findet zumeist gar nicht statt. Es hängt auch nicht mit meiner Person zusammen. Es ist ein allgemeines Phänomen, von dem vor allem Frauen betroffen sind. Ich will uns nicht als Opfer gerieren, aber ich sehe täglich den Unterschied. Auch meine männlichen Kollegen bekommen hasserfüllte Nachrichten, aber bei Politikerinnen kommt fast immer noch ein sexualisierter Kontext hinzu. Das ist allerdings kein Phänomen, das nur auf Politikerinnen zutrifft. Das betrifft alle Frauen, die sich in der Öffentlichkeit bewegen, wie auch Moderatorinnen, Sportlerinnen oder allgemein Personen des öffentlichen Lebens.

    Wie lauten denn solche Nachrichten an Sie?

    Bär: Ich will keine Beispiele nennen, weil ich den Tätern nicht noch die Bühne bereiten möchte, die sie gerne haben würden.

    Wie gehen Sie damit um?

    Bär: Je nach Tagesform erdulde ich die Kommentare mal mehr und mal weniger leicht. Bei Kommentaren unterhalb der Gürtellinie, aber ohne strafrechtliche Relevanz, kommt es vor, dass ich entsprechende Nutzer blockiere. Andere zeige ich an. Aber was man nicht vergessen darf und mir wirklich wichtig ist: Nur, weil jemand anderer Meinung ist, ist es noch keine Hetze. Inhaltliche Kritik fordere ich auch ein – immer! Das ist der große Vorteil an den Plattformen, wie ich ihn eingangs beschrieben habe.

    Aber Sie erhalten regelmäßig Beleidigungen oder sexuelle Anspielungen. Was macht das mit Ihnen?

    Bär: Ich bin sicher nicht abgestumpft, aber man muss unterscheiden: auf welcher Plattform passiert das, zu welcher Uhrzeit und von wem kommt es. Der größte Hass geht von Accounts mit den wenigsten Followern aus. Ich würde mich als sehr resilienten Menschen beschreiben. Aber ich bin froh, dass mir das nicht passiert ist, als ich mit 24 Jahren in den Bundestag gekommen bin. Heute bin ich Mutter von drei Kindern und seit fast 20 Jahren im Deutschen Bundestag. Da hat man schon viel erlebt. Und ich möchte es den Hatern auch nicht gönnen, dass sie Einfluss auf mich und mein Wohlbefinden haben. Ich verstehe aufgrund dieser Erfahrungen aber sehr gut, wenn Frauen sagen, dass sie darauf keine Lust haben. Besonders in der Kommunalpolitik. Denn Hass aus dem Dorf, in dem man mit seiner Familie zuhause ist, wirkt sehr stark nach. Und das stimmt mich wirklich nachdenklich.

    Sie denken, dass das ein Faktor ist, warum weniger Frauen in der Politik tätig sind?

    Bär: Ja. Und ich beschäftige mich stark mit der Frage, wie wir es schaffen können, dass sich junge Frauen trotzdem für die Politik entscheiden. Das fängt nicht im Bundestag an, sondern in der Kommunalpolitik. In Deutschland haben wir weniger als zehn Prozent Bürgermeisterinnen. Wenn sich aber mit den Frauen ein Großteil der Gesellschaft zurückzieht, weil sie sich und ihre Familien vor Hass schützen wollen, ist die Demokratie in Gefahr. Denn wir wissen, dass besonders Frauen betroffen sind und sich dann stärker aus dem Diskurs zurückziehen. Damit fehlen uns 50 Prozent der Meinungen, Stärken, das Wissen und die Erfahrungen.

    Wie verbreitet sind solche Attacken?

    Bär: Laut einer Forsa-Umfrage für die Körber-Stiftung wurden 57 Prozent aller Bürgermeister und Bürgermeisterinnen aus größeren Gemeinden in Deutschland schon einmal beleidigt, bedroht oder tätlich angegriffen. Das sind Auswüchse, die es früher nicht gab. Wenn man Angst haben muss, seine Meinung zu sagen, führt das zu einer Schere im Kopf.

    Haben Sie diese Schere auch manchmal im Kopf?

    Bär: Ich habe mir vorgenommen, dass das nicht so sein wird. Aber ich poste Themen, von denen ich weiß, dass sie Kritik hervorrufen, nur dann, wenn ich auch Zeit habe, darauf zu antworten. Und nur, wenn ich auch Lust auf den inhaltlichen Streit habe.

    Sie haben einmal gesagt, dass man als Frau mehr tun muss als ein Mann, um etwas zu erreichen. Ist das ein weiterer Grund dafür, dass es weniger Frauen in politischen Ämtern gibt?

    Bär: Man muss mehr aushalten. Kritik bricht sich immer noch gerne an der Kleidung oder am Familienmodell Bahn. Das ist immer am einfachsten, wenn man versucht, Frauen klein zu halten und einem inhaltlich wenig einfällt. Unser jüngster Sohn ist neun und ich bekomme immer noch Zuschriften, dass ich lieber daheim bei den Kindern sein sollte.

    Sie unterstützen in der Öffentlichkeit auch mal SPD-Politikerin Sawsan Chebli oder Ricarda Lang von den Grünen. Ist der Zusammenhalt unter Frauen wichtiger als das Parteibuch?

    Bär: Mir ist es grundsätzlich wichtig, dort wo Ungerechtigkeiten stattfinden, dann auch laut zu sein. Aus unterschiedlichen Gründen. Zum einen, weil man sich persönlich auch über Solidarität freut, und weil ich auch zwei Töchter habe und die mich nicht später fragen sollen, warum ich nichts getan habe. Ich kämpfe immer noch so manchen Kampf, den meine Oma und meine Mutter schon gekämpft haben. Das darf und soll so nicht bleiben. Dafür arbeite ich.

    Karriere und Familie scheint bei Ihnen aber gut zu funktionieren.

    Bär: Das hört sich super positiv an. Auch bei uns ist es nicht anders wie bei jeder anderen Familie. Am schwierigsten fand ich die Kindergarten-Jahre, weil der soziale Druck so hoch war. Ich habe dann für mich entschieden, dass ich nicht den sogenannten Muffin-Wettbewerb gewinnen muss. Immer als Politikerin erreichbar, dazu top gestylt und die perfekte Hausfrau und Köchin? Das geht einfach nicht. Man kann Familie, Beruf und Karriere hinbekommen, aber es muss nicht immer alles in jedem Bereich perfekt sein.

    Mütter mit Mandat sind immer noch nichts Alltägliches. Was muss getan werden, um das zu ändern?

    Bär: Wir haben schon einiges durchgesetzt. Bei Abstimmungen im Plenum musste ich meine Älteste noch bei den Saaldienerinnen im Kinderwagen vor der Tür lassen. Mittlerweile gibt es sogar einen Wickelraum auf der Plenarsaalebene. Wir müssen aber weiter bessere Rahmenbedingungen schaffen. Aktuell sehe ich die Gefahr, dass alle Termine wieder in Präsenz stattfinden sollen. Aber die digitale Teilnahme muss als Option weiter möglich sein, wenn man in Mutterschutz ist, ein Kind oder Angehöriger krank ist.

    Wie gehen Ihre Kinder damit um, dass beide Eltern in der Politik sind?

    Bär: Sie kennen das von Geburt an und sind damit aufgewachsen. Aber ich sehe bei unseren Kindern derzeit nicht den Berufswunsch, selbst Politiker oder Politikerin zu werden.

    Dorothee BärDie 44-Jährige Ebelsbacherin (Lkr. Haßberge) sitzt seit 2002 für die CSU im Bundestag. Ihr Wahlkreis umfasst die drei Landkreise Haßberge, Rhön-Grabfeld und Bad Kissingen. Von März 2018 bis Dezember 2021 war sie Staatsministerin für Digitales im Bundeskanzleramt. Seit Dezember 2021 ist sie stellvertretende Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion für Familie und Kultur. Sie ist verheiratet und hat drei Kinder. Ihr Mann Oliver Bär ist Landrat im Landkreis Hof.jsc

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