Er wird nicht groß auffallen, der Container, den das Stadtwerk Haßfurt und die Technische Hochschule Amberg-Weiden im Herbst im Haßfurter Hafen aufstellen wollen, auf dem Gelände der Power-to-Gas-Anlage. Allenfalls das zehn Meter hohe Abgasrohr und die Zuluft- und Abluftfilter auf dem Dach dürften erahnen lassen, dass es sich hier nicht um irgendeinen Container vom Schiff oder Lkw handelt. Was sich alsbald in seinem Inneren abspielen soll, ist ein bundesweites Pilotprojekt: Der Container wird ein Blockheizkraftwerk (BHKW) beherbergen, das sich mit reinem Wasserstoff befeuern lässt.
In herkömmlichen Blockheizkraftwerken wird zur Erzeugung von Strom und Wärme Erdgas, im Wesentlichen Methan, verbrannt. Wasserstoff ist bis zu einem bestimmten Prozentsatz beimengbar. „Zehn Prozent sind kein Problem“, erklärt Stadtwerksleiter Norbert Zösch, mit neuerer Technik seien auch 20 bis 30 Prozent vorstellbar. Da Wasserstoff teurer ist als Erdgas, scheint es indes keine großen Anreiz zu geben, Methan durch das erste Element im Periodensystem zu ersetzen.
Doch es gibt gute Gründe für das farblose Gas: „Wasserstoff verbrennt vollständig CO2-frei und nahezu ohne schädliche Emissionen – das Hauptprodukt der Verbrennung ist Wasser“, legt Raphael Lechner dar. Der Umweltingenieur leitet das Haßfurter Forschungsprojekt im Auftrag des Instituts für Energietechnik der Ostbayerischen Technischen Hochschule (OTH) Amberg-Weiden. Was Lechner meint: Wasserstoff ist als Brennstoff also weitaus umwelt- und klimafreundlicher als Erdgas.
Es verbleibt der Nachteil des höheren Preises und der schwierigeren Verfügbarkeit, doch hier öffnen sich neue Perspektiven: Wasserstoff lässt sich per Elektrolyse aus Wasser gewinnen – und hierfür steht immer mehr Strom aus Windkraft und Fotovoltaik zur Verfügung. Genau die werden in Haßfurt bereits ausgenutzt: Die Power-to-Gas-Anlage im Hafen, an die das künftige BHKW angeschlossen wird, verwendet den Strom aus dem Windpark im Sailershäuser Wald zur Wasserstoffproduktion. Das Gas, das sich laut Zösch hervorragend in Tanks speichern lässt, wird ins Erdgasnetz des Stadtwerkes eingespeist, wo es fünf Prozent ausmacht; es hat einen Anteil von zehn Prozent am Brennstoff im BHKW der Mälzerei Weyermann; und der Wasserstoff lässt sich – ganz im Sinne der Energiespeicherung – auch rückverstromen.
Was macht das auf drei Jahre angelegte Pilotprojekt so bedeutend? Die Technologie der (rein) wasserstoffbetriebenen Antriebsaggregate zur Strom- und Wärmeerzeugung sei im Labor bereits erprobt, sagt Raphael Lechner. Was bislang noch fehle, seien Langzeiterfahrungen unter realen Betriebsbedingungen, wie sie in Haßfurt vorliegen. „Das betrifft nicht nur das Blockheizkraftwerk an sich, sondern auch die Einsatzbedingungen, also zum Beispiel, zu welchen Zeiten das BHKW laufen sollte, um das elektrische Netz zu stützen.“
Wasserstoff-Kraftwerke stünden im Vergleich zu etablierten Technologien noch am Anfang der Entwicklung, sagt der Ingenieur. Von den Ergebnissen aus Haßfurt erhoffen sich die Forscher konkrete Ansatzpunkte für künftige Verbesserungen und Erkenntnisse darüber, wo in der Praxis Probleme auftreten könnten. „Das Forschungsvorhaben in Haßfurt ist daher enorm wichtig und hat Strahlkraft für die gesamte Energiebranche.“
Seitens des Stadtwerkes wird Projektleiter Markus Eichhorn dafür sorgen, dass die oberpfälzer Wissenschaftler ausreichend Praxisbetrieb des BHKW miterleben. Der Strom der Anlage, die übrigens dual – also auch mit Erdgas – laufen kann, fließt ins 20-Kilovolt-Stromnetz der Stadt. Die Abwärme soll über ein noch zu errichtendes Wärmenetz der Firma Weyermann zugute kommen – und auch der benachbarten Waldorfschule, wenn diese neugebaut ist, sowie dem noch zu errichtenden Waldorfkindergarten. Raphael Lechner und seine Mitstreiter werden Messtechnik am BHKW aufbauen, um zum Beispiel den Wirkungsgrad und die Emissionen zu messen, die Verbrennung in den Zylindern zu analysieren oder das Lastaufschaltverhalten zu beobachten, sprich wie lange es dauert, bis das Modul aus dem Stillstand die geforderte Leistung erreichen kann.
Was Lechner schon jetzt weiß – und was ein weiterer Vorteil des Wasserstoffs ist: Er zündet im Motor sehr stabil. „Wir können also das Blockheizkraftwerk in einem weiten Bereich sehr schnell regeln, ohne dass es zu Zündaussetzern kommt.“ Das sei erforderlich, um Schwankungen im elektrischen Netz auszugleichen.
Noch ist das Haßfurter Wasserstoff-Blockheizkraftwerk nicht ganz in trockenen Tüchern. Es fehlt die schriftliche Förderbestätigung von staatlicher Seite, die mündliche Zusage habe er schon erhalten, verrät Norbert Zösch. Mit dem endgültigen grünen Licht aus dem Wirtschaftsministerium rechnet der Stadtwerkchef Mitte Juni. Das Forschungsprojekt ist mit rund einer Million Euro veranschlagt, der Förderanteil beträgt hier 50 Prozent. „Die Maschine“ kostet rund 400 000 Euro, hier schießt des Staat etwa 30 Prozent zu. Hersteller des BHKW ist das in Heek in Nordrhein–Westfalen ansässige Unternehmen 2G, das auch schon die Kraftwerke für die Biogasanlage, das Krankenhaus und die Kläranlage in Haßfurt geliefert hat.
Sobald Zösch den Förderbescheid in der Hand hat, will er das BHKW bestellen, die Lieferzeit werde rund 20 Wochen betragen. Somit könnte schon im Herbst Deutschlands erstes Wasserstoff-Blockheizkraftwerk im Realbetrieb anlaufen. Es wäre nicht verwunderlich, wenn das Stadtwerk Haßfurt dann alsbald erneut für seine Innovationen und die führende Rolle als Vorreiter der Energiewende geehrt würde. Zösch beschäftigt aktuell aber lieber mit der Frage, wie er seine Kreisstadt mit Hilfe regenerativer Energien noch autarker machen kann. Vor eineinhalb Jahrzehnten deckte Haßfurt seinen Energiebedarf von rund 80 Millionen Kilowattstunden zu 100 Prozent über große Versorger – heute kommt nur noch ein Viertel des Stroms von Fremdanbietern.