Die Reaktionen vieler Haßfurter auf Nachrichten vom Umbau des Haßfurter Bahnhofs waren deutlich: Einerseits war die Freude groß, dass die Kreisstadt nun einen barrierefreien Bahnhof bekommt. Andererseits brachten manche Bürger auch ihre Verärgerung darüber zum Ausdruck, dass durch das Bauprojekt die inoffizielle Abkürzung vom Bahnhof Richtung Norden verschwindet. In diesem Punkt hat sich nun jedoch etwas getan: Die Stadt Haßfurt und die Bahn haben sich auf eine Möglichkeit geeinigt, die in Zukunft eine Anbindung nach Norden wieder möglich machen könnte.
Ein Schleichweg über das Feuerwehrgelände
Die Abkürzung war entstanden, als am Haßfurter Bahnhof Gleise stillgelegt wurden. Seitdem ist der Bahnsteig zwischen den ehemaligen Gleisen 4 und 5 überflüssig geworden. Allerdings wurde er nie abgebaut, auch die Fuß-Unterführung blieb erhalten. Da es auf der Nordseite des Bahnhofs keine Absperrung zum angrenzenden Feuerwehrgelände gibt, entwickelte sich die ungenutzte Gleisunterführung zur Abkürzung für diejenigen, die vom Bahnhof aus zu Fuß zum Wohngebiet nördlich der Altstadt kommen wollten.
Dabei handelte es sich allerdings um einen Schleichweg, den Stadt, Bahn und Feuerwehr nur duldeten. Offiziell erlaubt war seine Nutzung nicht. Immerhin musste jemand, der diese Abkürzung nahm, von der Bahnsteigkante auf das stillgelegte Gleis 5 steigen und dann über die Gleise und das Feuerwehrgelände laufen.
Substanz zu schlecht für eine Sanierung
So stand für die Bahn zunächst fest: Beim Umbau des Bahnhofs sollte nur der südliche Teil der Bahnsteigunterführung hergerichtet werden, also der Weg vom Bahnhofsgebäude an Gleis 1 zum Bahnsteig zwischen den Gleisen 2 und 3. Den Durchgang zur alten Abkürzung wollte die Bahn zumauern. Ebenfalls in dieser ursprünglichen Planung vorgesehen war, dass die alte Unterführung auch die neue sein sollte. Lediglich die Treppenaufgänge wollte die Bahn erneuern lassen, außerdem sollten Aufzüge eingebaut werden. Die Tunnelröhre sollte aber die alte bleiben.
Doch im Zuge der Bauarbeiten stellte sich heraus, dass die Substanz des alten Tunnels schlechter war als gedacht. So entschied sich die Bahn für einen kompletten Neubau der Unterführung, mit dem Ergebnis, dass auch die Stadt noch einmal neue Ideen einbringen konnte.

Über diesen Austausch zwischen der Kommune und dem Verkehrsunternehmen äußern sich beide Seiten durchaus positiv. "Die Zusammenarbeit mit der Stadt Haßfurt verlief bisher sehr gut", erklärt ein Bahnsprecher auf Anfrage dieser Redaktion per E-Mail. Bürgermeister Günther Werner sagt: "Die Gespräche mit der Bahn waren konstruktiv, es wurde gegenseitig auf Vorschläge eingegangen." So habe auch die Stadt die Möglichkeit gehabt, Ideen einzubringen.
Neubau eröffnet neue Möglichkeiten
Dass die Unterführung nun komplett neugebaut wird, machte auch ein paar bauliche Veränderungen möglich. So bekommt die neue Unterführung eine größere Durchgangshöhe. Entscheidend für eine mögliche Anbindung nach Norden soll aber vor allem eine andere Maßnahme sein: Wie Bürgermeister Werner berichtet, sollen beide Stirnseiten des Durchgangs so gebaut sein, dass sie leicht wieder aufgebrochen und der Fußgängertunnel verlängert werden kann. In Richtung Süden schafft das auf lange Sicht die Möglichkeit, vielleicht irgendwann die Unterführung bis unter den Bahnhofsvorplatz zu ziehen und bereits von dort aus einen Abgang zu schaffen. In Richtung Norden könnte eine – diesmal offizielle – Anbindung in Richtung Wohngebiet geschaffen werden. Ob und wann derartige Pläne verwirklicht werden, ist derzeit allerdings noch völlig offen.
Für die Barrierefreiheit muss die Bahn Gleise versetzen
Ansonsten berichtet der Haßfurter Bürgermeister, er könne nur wenig zum aktuellen Stand der Bauarbeiten sagen, da ein Ortstermin, der eigentlich kurz vor Weihnachten geplant war, coronabedingt abgesagt werden musste. Hier gibt allerdings die Deutsche Bahn Auskunft: Bisher gab es für Gehbehinderte sowie Reisende, die ein Kind im Kinderwagen dabei haben, vor allem zwei Probleme. Zum einen befanden sich die Bahnsteige nicht auf dem gleichen Höhenniveau wie der Boden der Wagons. Ein- und Aussteigen war daher nicht ohne Stufen möglich. Zum anderen gab es zur Unterführung zwischen den Bahnsteigen nur Treppen, keine Aufzüge.
An Gleis 1 ist der Bahnsteig bereits erhöht worden, nun kommt der Bahnsteig zwischen den Gleisen 2 und 3 an die Reihe. Ein Problem hierbei: Der Bahnsteig ist nicht breit genug, um sowohl eine Treppe als auch einen Aufzug unterzubringen. Daher wird Gleis 3 – das nördlichste Gleis, das noch in Betrieb ist – etwas weiter nach Norden versetzt, so dass die Bauarbeiter den Bahnsteig verbreitern können.

"Aktuell wird das Gleis 3 außer Betrieb genommen und zurückgebaut", schreibt die Bahn. Der Mittelbahnsteig soll bald halbseitig gesperrt werden, so dass Passagiere an Gleis 2 weiter ein- und Aussteigen können, während an der Bahnsteigkante von Gleis 3 gearbeitet wird. So wird der Bahnsteig auf bis zu acht Meter verbreitert und – zunächst halbseitig – auf 76 Zentimeter über der Schienenoberkante aufgehöht. "Parallel wird die bestehende Bahnsteigunterführung zurückgebaut", berichtet der Bahnsprecher weiter. Wenn alles nach Plan läuft, können ab Ende Mai Gleis 3 und die dazugehörige Bahnsteigkante wieder genutzt werden. "Im Anschluss wird die zweite Hälfte des Mittelbahnsteigs – Bahnsteigkante Gleis 2 – für den Zugverkehr gesperrt und auf 76 Zentimeter aufgehöht", teilt die Bahn mit.
Zeitplan gehalten, Kosten überschritten
Um es den Reisenden zu ermöglichen, auch von einem Bahnsteig zum anderen zu kommen, während an der neuen Unterführung gearbeitet wird, hat die Bahn bereits zu Beginn der Bauarbeiten im Mai 2020 eine provisorische Brücke über die Gleise aufstellen lassen. Da diese nicht nur die Züge, sondern auch die Oberleitungen überspannen muss, hat diese "Personenüberführung" – so der offizielle Name einer solchen Konstruktion – die stattliche Höhe von elf Metern. Sie kommt auf ein Gewicht von 16 Tonnen.
Ihren Zeitplan für den Umbau hat die Bahn bisher halten können. So soll der Bahnhof in Haßfurt bis Ende des Jahres barrierefrei sein. Die ursprünglich geplanten Kosten waren dagegen nicht zu halten: Dadurch, dass die Unterführung nun nicht saniert sondern komplett neu gebaut wird, steigen sie von 8,3 auf 10,1 Millionen Euro.
Keine Auskunft zur Barrierefreiheit an anderen Bahnhöfen
Eine Frage lässt die Bahn allerdings unbeantwortet: Wie steht es um die Barrierefreiheit an anderen Stationen? Schließlich hat Haßfurt zwar den größten, aber nicht den einzigen Bahnhof im Landkreis Haßberge. Noch einige kleinere Stationen gibt es an der Bahnstrecke, die am Main entlang von Bamberg nach Schweinfurt führt. Mit Zeil und Ebelsbach-Eltmann liegen zwei davon im Kreis Haßberge, an beiden steht ein barrierefreier Umbau noch aus.