An einem Donnerstagnachmittag, es ist ein warmer Frühlingstag, stehen Dutzende Menschen vor der Tafel in der Alten Brückenstraße in Haßfurt. Es sind Familien mit kleinen Kindern, Rentnerinnen, Rentner und Geflüchtete. Eines haben die Wartenden gemeinsam: Sie hoffen auf Lebensmittel. Doch die Tafeln und jene Menschen, die auf sie angewiesen sind, stehen wegen der hohen Inflation und dem Krieg in der Ukraine vor besonders großen Herausforderungen. So auch in Haßfurt.

In der Schlange wartet auch Michaela Schmidt (Name von der Redaktion geändert). "Meine Nettorente liegt bei 900 Euro. Ich muss sowieso schon jeden Cent umdrehen. Aber wegen der hohen Preise kann ich mir kein frisches Obst mehr leisten", sagt die Rentnerin, während sich ihre Stirnfalten zusammenziehen und fügt hinzu: "Ohne die Tafel wäre ich längst aufgeschmissen."
Schwierige Personallage bei der Haßfurter Tafel
Doch auch die Tafel hat zu kämpfen. "Im Moment sind wir wirklich an der Belastungsgrenze", sagt die Vereinsvorsitzende Ute Ulbrich. In fünf Minuten soll es mit der Verteilung losgehen. Die Haßfurterin räumt hektisch ein paar Kisten auf und gibt den Helfern noch ein paar Ratschläge.

Das Problem der Tafel: Bei gleichbleibender Mitarbeiterzahl müssen mehr Menschen versorgt werden. Insgesamt seien 87 Helfer aktiv, in Haßfurt etwa 45. "Alle sind hier ehrenamtlich aktiv. Wir müssen unsere Aufgaben dann erledigen, wenn die meisten Leute arbeiten. Deswegen helfen bei uns fast nur Rentner", sagt Ulbrich. Es fehle vor allem an Männern, die schwere Kisten schleppen können. Da sie die Arbeitszeiten der Tafel nicht ändern könne, glaubt Ulbrich, dass sich an der schwierigen Personallage kaum etwas verbessern werde.
Rund 1000 Personen auf Tafel angewiesen
Der Druck auf die Helfer sei schon Anfang des Jahres gestiegen. Im Vergleich zum Herbst kommen Ulbrich zufolge nun fast doppelt so viele Menschen zu den Ausgabestellen in Haßfurt, Eltmann und Ebern. Statt einem gibt es deshalb mittlerweile drei Öffnungstage in der Kreisstadt. In Eltmann werde die Tafel wohl demnächst einmal wöchentlich statt alle zwei Wochen einen Ausgabetermin organisieren. Laut Ulbrich kommen pro Woche aktuell rund 1000 Personen zu allen drei Ausgabestellen.

Die Lebensmittel beziehe der Verein vor allem aus drei Quellen: von Privatspendern, von umliegenden Supermärkten und von einem Logistikverbund, von welchem alle Tafeln in Unterfranken Produkte von Lebensmittelunternehmen erhalten. Außerdem geben einige Bauern bei Ernteüberschüssen Lebensmittel ab. In der aktuell schwierigen Lage kommen auch vermehrt Lieferungen des bayerischen Landesverbands der Tafel in Haßfurt an.
"Es melden sich immer wieder Menschen bei mir und wollen spenden. Das ist großartig."
Ute Ulbrich, Vereinsvorsitzende der Haßfurter Tafel
Unterstützung kommt auch aus der Bevölkerung – wie etwa von Kindergärten, Firmlingen oder Kommunionkindern aus dem Landkreis. "Es melden sich immer wieder Menschen bei mir und wollen spenden. Das ist großartig", sagt die Haßfurterin und deutet auf einen Lebensmittelkorb mit Obst, Gemüse und Mehl. Die finanzielle Basis des Vereins bilden Mitgliedsbeiträge und Spenden. Verschiedene Organisationen wie der Lions Club, der Sternstunden e.V. oder der Rotary Club sind ebenso wichtige Stützen des Vereins.
Geflüchtete aus der Ukraine haben einen Sonderstatus
Grundsätzlich müssen sich alle Empfänger von Lebensmittelkörben vorher einer Einkommensprüfung unterziehen und die sogenannte HaßbergCard beantragen. Geflüchtete aus der Ukraine sind davon ausgenommen, für sie gilt ein Sonderstatus. Das bedeutet: Sie müssen kein Asyl beantragen, erhalten aber trotzdem einen "vorübergehenden Schutz" und damit Anspruch auf Sozialleistungen – zunächst für ein Jahr.

Das dient laut Bundesinnenministerium dazu, eine große Anzahl von Geflüchteten schnell und unkompliziert zu koordinieren. "Die meisten ukrainischen Flüchtlinge melden sich trotzdem bei uns an, was für uns schon sehr wichtig ist", sagt Ulbrich und zeigt dabei auf ein Anmeldeformular.
"Wir sind zum ersten Mal bei der Tafel. Ich bin dafür sehr dankbar."
Michael Zakharshuk aus Kiew
Zu den Ukrainern in der Schlange zählen auch Michael Zakharshuk und sein gleichnamiger neunjähriger Sohn. Die beiden kommen aus Kiew und sind über Polen nach Deutschland gereist. Seit einigen Tagen sind sie in Haßfurt. "Wir brauchen vor allem Brot, Butter und Milch", sagt der 54-Jährige. Er hat kurze braune Haare, seine Augenringe sind tief, sein Lächeln wirkt angestrengt. "Wir sind zum ersten Mal bei der Tafel. Ich bin dafür sehr dankbar", übersetzt eine danebenstehende Ukrainerin ins Englische.
Michaela Schmidt hat ihren Lebensmittelkorb derweil schon erhalten. Seit drei Jahren geht sie zur Tafel in Haßfurt, doch ihre finanzielle Situation sei noch nie so schwer gewesen wie jetzt: "Ich hätte nie gedacht, dass ich mich mal über einen Spritpreis von 1,93 Euro freue. Ich versuche natürlich zu sparen, wo es nur geht. Aber gerade beim Autofahren fällt mir das schwer", sagt die 57-jährige Frührentnerin und erzählt von ihrer Psychotherapie, für die sie seit sieben Jahren jede Woche nach Bamberg fährt.
Anstieg der Lebensmittelpreise um sechs Prozent
Laut dem Statistischen Bundesamt lag der Anstieg der Energiepreise im März bei fast 40 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum, knapp sechs Prozent sind es bei den Nahrungsmitteln. Für die Zukunft sieht Schmidt schwarz: "Ich glaube nicht, dass die Preise in den nächsten Wochen sinken. Eher im Gegenteil. Vielleicht bleibt im Winter meine Bude kalt."
Gerade alleinlebende Menschen mit niedrigen Renten leiden unter den aktuellen Energiepreisen, wie das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung in einer aktuellen Studie berechnete. Demnach seien die zwei Entlastungspakete der Bundesregierung in Höhe von 30 Milliarden Euro zwar weitgehend sozial ausgewogen. Dennoch gebe es große Unterschiede.

Während der Anstieg der Energiepreise bei einer vierköpfigen Familie mit zwei gering verdienenden Eltern zu 90 Prozent ausgeglichen werde, betrage der Ausgleich bei einem alleinlebenden Rentner mit einem Einkommen von unter 900 Euro lediglich neun Prozent.
Politische Unterstützung gewünscht
Michaela Schmidt wünscht sich mehr Unterstützung von der Politik, besonders für Rentnerinnen und Rentner. Ute Ulbrich ist ebenso davon überzeugt, dass mehr gegen Armut in Deutschland getan werden müsste. Sie wünscht sich dafür einen gesamtgesellschaftlichen Dialog: "Wir müssen gemeinsam über die Probleme sprechen und sie anpacken."