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HAßBERGKREIS: „Heimat ist unbezahlbar“

HAßBERGKREIS

„Heimat ist unbezahlbar“

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    Was ist Heimat? Gerade in Zeiten, in denen die Integration von Flüchtlingen zu den großen Themen gehört, stellt sich diese Frage. Die Heimatzeitung hat sich umgehört, was Menschen, die im Landkreis Haßberge leben oder lebten, mit diesem Begriff verbinden.

    „Heimat ist unbezahlbar“, meint Richard Schlegelmilch. „Mit zunehmenden Jahren schätzt man das immer mehr“, sagt der 73-jährige Zeiler. „In Zeil ist die Welt noch heil“, findet er, auch wenn sich in der Zeit, die er hier verbracht hat, vieles verändert hat. Schlegelmilch ist in Zeil geboren und aufgewachsen. Sein Geburtshaus in der Hauptstraße steht noch, allerdings lebt er seit 40 Jahren in seinem eigenen Haus. Als er und seine Frau beschlossen, ihr gemeinsames Haus zu bauen, stand die Frage an, ob sie näher an seinen Arbeitsplatz ziehen sollten. Richard Schlegelmilch war damals Postbote in Schweinfurt, seine Frau stammt aus Greßhausen.

    So versuchte deren Großvater, das junge Paar zu überzeugen, doch in die näher an Schweinfurt gelegene Gemeinde Gädheim zu ziehen. „Für mich wäre das nichts gewesen“, meint Schlegelmilch. Mittlerweile repräsentiert Schlegelmilch seine Heimatstadt auch bei offiziellen Anlässen. Regelmäßig schlüpft er in die Rolle von Alberich Degen, der im 17. Jahrhundert als Abt des Klosters Ebrach die Silvanerrebe nach Franken gebracht haben soll. Genau wie sein Darsteller war Abt Degen ein gebürtiger Zeiler.

    Auch Schlegelmilchs Eltern waren „Urzeiler“. Auf die Frage, wie er es empfunden hätte, die Stadt aus irgendwelchen Gründen verlassen zu müssen, meint Schlegelmilch: „Es wäre schon schwer gewesen.“ Nicht nur er, auch seine Geschwister sind alle in Zeil geblieben.

    Auch Markus Barth ist im Landkreis Haßberge aufgewachsen. 1977 in Bamberg geboren, verbrachte er seine Kindheit und Jugend in Zeil, bis es ihn nach dem Abitur zunächst zum Studium nach München verschlug. 1999 zog er nach Köln, um dort als Autor für die Sat1-Sendung „Die Wochenshow“ zu arbeiten. Dort lebt er bis heute und schreibt Texte für diverse Fernsehsendungen, mittlerweile ist er außerdem als Standup-Comedian erfolgreich.

    „Heimat ist für mich hier, wo ich aufgewachsen bin“, erzählt er dem Haßfurter Tagblatt. Markus Barth trennt zwei Begriffe voneinander. Er spricht einerseits von „Heimat“, also dem Ort, an dem jemand aufgewachsen ist, und andererseits von „Zuhause“, also einem Ort, an dem jemand lebt und sich dort wohlfühlt. Er selbst habe in Köln mittlerweile ein neues Zuhause gefunden, die Heimat bleibe aber Zeil. Vier bis fünf mal im Jahr kommt er noch hier her und besucht Familie und alte Bekannte. „Mir fällt immer wieder auf, wie schön es hier ist“, meint er. „Als Kind hat man das gar nicht so gemerkt. Es fällt einem erst auf, wenn man eine Zeit lang weg war.“

    So sauber, wie Markus Barth die Begriffe „Heimat“ und „Zuhause“ trennt, tun es Zaher Msallati und Ahmad Jamal Eddin nicht. Die beiden Syrer, die als Flüchtlinge in den Landkreis Haßberge gekommen sind, sprechen eher davon, dass sie nun zwei Heimatländer statt einem haben. Aber wenn der 33-jährige Zaher Msallati, der heute in Knetzgau lebt, Syrien als sein „Originalland“ bezeichnet, wird deutlich, dass er in dieser Frage wohl doch ähnlich denkt wie Markus Barth, allerdings etwas andere Begriffe verwendet.

    „Heimat, das heißt: Meine Kindheit, meine Erinnerung, meine Freunde“, sagt der aus Aleppo stammende Msallati, wenn er von Syrien spricht. „Ich habe so viel gehabt. Jetzt musste ich noch mal bei null anfangen.“ Diesen Neuanfang hätten ihm die Deutschen allerdings sehr erleichtert, denn vom ersten Tag an sei er freundlich aufgenommen worden. Seit einem Jahr und fünf Monaten ist der Syrer nun hier. Er und der 27-jährige Ahmad Jamal Eddin, der einen Monat früher nach Deutschland kam und heute in Haßfurt lebt, haben sehr schnell die neue Sprache gelernt und unterstützen die Caritas nun als Übersetzer für Neuankömmlinge.

    Über die vielen deutschen Freunde, die sie mittlerweile gefunden haben, sagt Ahmad Jamal Eddin: „Sie sind wie eine Familie.“ Mittlerweile hat er auch eine deutsche Partnerin gefunden, kürzlich haben sich die beiden verlobt.

    Bei der Frage, ob sie künftig in Deutschland bleiben oder nach Syrien zurückkehren wollen, wirken die beiden Migranten unentschlossen. Zaher Msallati meint: „Aleppo ist total fertig. Ich will mir hier ein Leben aufbauen.“ Dass sich die politische Situation so verändert, dass eine Rückkehr nach Syrien überhaupt möglich wäre, hält er in naher Zukunft für unwahrscheinlich. Dennoch habe er das Gefühl, wenn er in seinem „Originalland“ gebraucht werde, müsse er irgendwann zurückkehren.

    „Wenn alle Syrer hier bleiben, wer soll dann Syrien wieder aufbauen?“, fragt Ahmad Jamal Eddin. Er hat den Wunsch, eines Tages nach Syrien zurückzukehren. Im Moment ist es den beiden vor allem wichtig, eine Verständigung zwischen Deutschen und Asylbewerbern herzustellen. „Wenn jemand Kontakt mit uns hat, versteht er uns“, sagt Zaher Msallati. Dem Bild des „Asylurlaubers“, das Kritiker der deutschen Flüchtlingspolitik zeichnen, widerspricht er: „Wir sind aus einem Grund hier.“ Deutschen, die Angst vor den neuen Mitbürgern haben, empfiehlt er: „Sie sollen zu uns kommen und uns kennenlernen.“

    Der Begriff „Heimat“ Eine einheitliche Definition des Begriffs „Heimat“ gibt es nicht. Die älteste Beschreibung stammt aus dem Wörterbuch der Brüder Grimm aus dem Jahr 1877. Darin nennen sie drei Bedeutungen: Heimat sei erstens „das Land oder auch nur der Landstrich, in dem man geboren ist oder bleibenden Aufenthalt hat“ und zweitens „der Geburtsort oder ständige Wohnort“. Als dritte Bedeutung nennen sie „das elterliche Haus und Besitztum“, in diesem Sinn werde das Wort aber nur in Bayern verwendet. Im Internetlexikon Wikipedia heißt es: „Der Begriff Heimat verweist zumeist auf eine Beziehung zwischen Mensch und Raum.“ Im allgemeinen Sprachgebrauch stehe der Begriff für den Ort, „in den ein Mensch hineingeboren wird“ und an dem er sozialisiert wird. Weiter unten verweist der Artikel allerdings darauf, dass Menschen auch an einem neuen Ort „heimisch werden“ können. So könne beispielsweise ein emigrierter Jude Israel als „neue Heimat empfinden, „zumal er dort mehrheitlich von anderen Juden umgeben ist.“

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