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HOFHEIM: Heimatkunde einst und heute

HOFHEIM

Heimatkunde einst und heute

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    Modellbau: Mit Schaumstoff bauten die Schüler einst Landschaften und zeichneten sie anschließend auf durchsichtigen Platten nach. Ein Relikt aus dieser Zeit fand sich noch im Keller der Grundschule.FOTO: Gudrun Klopf
    Modellbau: Mit Schaumstoff bauten die Schüler einst Landschaften und zeichneten sie anschließend auf durchsichtigen Platten nach. Ein Relikt aus dieser Zeit fand sich noch im Keller der Grundschule.FOTO: Gudrun Klopf

    Heimat – für die meisten Kinder ist wohl die Grundschule der Ort, an dem sie sich zum ersten Mal bewusst mit diesem Begriff auseinandersetzen. Doch der Heimat- und Sachunterricht hat sich im Laufe der Jahrzehnte enorm verändert.

    Alois Dietz hat diesen Wandel hautnah miterlebt: als Schüler an der Dorfschule in Leutzendorf und später als Lehrer und Rektor an der Grundschule in Hofheim. „Wir sind zur Quelle marschiert und haben den Wasserlauf der Baunach oder der Ermetz verfolgt“, weiß Dietz aus seiner Zeit als Schüler zu berichten. „Die unmittelbare Begegnung mit der Natur war viel intensiver als heute.“ Der Schulgarten vor der Tür spielte mit all seinen Zier- und Nutzpflanzen eine große Rolle. „Sowohl die Familien als auch die Lehrer waren damals näher dran an der Heimat.“ Fast alle betrieben noch Landwirtschaft. Die Natur gehörte zum Alltag und wurde in den Unterricht mit hineingenommen.

    Die Begeisterung ist noch heute spürbar, wenn Alois Dietz sich an seine Schulzeit erinnert: An das Modell eines Spechts, an dem man genau sehen konnte, wie die lange Zunge funktioniert. An Spessart, Haßberge und Steigerwald, die aus einer Knetmasse geformt und als Fränkische Stufenlandschaft auf Sperrholz geklebt wurden. Da habe auch die Zeit noch keine Rolle gespielt, „die hat man sich einfach genommen“. Heimatkunde war ein durchgehendes Prinzip im Unterricht. Ein Thema zog sich wie ein roter Faden durch alle Fächer, ob Werken, Rechnen oder Lesen.

    Film ab

    Ein absoluter Höhepunkt im Schulalltag sei es gewesen, einen Film anzuschauen. Da musste zunächst der Projektor beschafft und der Film ausgeliehen werden. Dietz hat noch das Rattern des Films im Ohr, als kleine Puppenfiguren eine mittelalterliche Stadt erstürmten – alles ohne Ton, versteht sich.

    „Es war uns Kindern eine Freude, in die Schule zu gehen. Wir waren eine kleine wissbegierige Gruppe und hingen an den Lippen des Lehrers.“ Lernen sei damals mit vielen emotionalen Bindungen verknüpft gewesen – zum Lehrer, zur Natur und zum ganzen Lebensumfeld. „Die Zeit als Schüler und die Beziehung zum Lehrer hat mein ganzes Leben geprägt“, sagt Dietz, und zwar so positiv, dass er selbst den Beruf des Lehrers wählte. 1974 nahm er auf seiner ersten Stelle in Wiesentheid den Platz vor der Tafel ein.

    Für die Heimatkunde unerlässlich war damals der Sandkasten – ein etwa ein Quadratmeter großer, mit Sand gefüllter und mit Rollen versehener Behälter, in dem Landschaften nachgebildet werden konnten. „Wir schauten uns die Umgebung genau an und modellierten sie im Sandkasten nach“, erklärt Dietz das Prinzip. Auf einer aufgelegten Glasplatte zeichneten die Schüler anschließend die Landschaft mit Wasserfarben nach. „Damit konnte man ganz wunderbar den Weg vom Original über das Modell bis hin zur Landkarte aufzeigen.

    “ Der damalige Schulrat habe großen Wert darauf gelegt, dass jede Klasse einen solchen transportablen Sandkasten zur Verfügung hatte.

    Mit dem Einsetzen der Grundschulreform Ende der 1960er Jahre hielt die Wissenschaft Einzug in die Lehrpläne. „Eine wichtige Forderung des neuen Lehrplanes ist die Versachlichung. Kindertümelei muss von Anfang an vermieden werden“, heißt es im Lehrplan für die Grundschule von 1971. Aus der Heimatkunde wird der Sachunterricht, dessen Lerninhalte und Lernprozesse die Voraussetzungen und Grundlagen für wissenschaftliches Denken und Arbeiten schaffen sollen. „Der Sachunterricht wurde in Fachbereiche unterteilt“, erinnert sich Dietz. In Biologie, Erdkunde, Physik und Chemie galt es, Hypothesen zu bilden und den Sachverhalten auf den Grund zu gehen. 1974 führte Bayern als erstes Bundesland den Titel „Heimat- und Sachunterricht“ wieder ein.

    „Angesichts der Mobilität der Bevölkerung und der intensiven Wirkung überregionaler Informationsmittel, ist mit dem Begriff Heimat die Erfahrungswelt des Grundschülers nur mehr unzureichend umschrieben“, ist schon 1970 im Lehrplan zu lesen. Die Entwicklung ist in den vergangenen 45 Jahren nicht stehengeblieben – spielt Heimat jetzt überhaupt noch eine Rolle?

    „Natürlich sollen die Kinder auch jetzt noch wissen, wie ihre Umwelt aussieht“, sagt Katharina Janek, Lehrerin an der Grundschule in Hofheim. Während die Kinder jedoch früher in die Dorfschule gingen, kommen sie heute aus den verschiedenen Ecken des Schulverbands nach Hofheim. „Da ist es gar nicht möglich, jeden einzelnen Heimatort näher zu erkunden.“ Doch regelmäßig fänden Unterrichtsbesuche bei der Feuerwehr, auf der Mülldeponie oder in der Obstkelterei statt. „Und wir gehen auch noch in den Wald oder ans Wasser“, sagt Janek. Der Sandkasten, den sie aus ihrer Schulzeit kennt, ist aus Platzmangel nicht mehr im Einsatz. Er ist Computerarbeitsplätzen und Ruheecken gewichen.

    „Trotzdem wird der Lernstoff nach wie vor mit vielfältigen Methoden sehr konkret erarbeitet, und die Sachthemen nehmen immer Bezug zur Lebensumwelt der Kinder.“ Die Ausstattung sei von der Qualität her immens gestiegen: Versuchskästen ermöglichen Experimente mit Elektrizität, Wasser oder Magnetismus. Es kann permanent auf verschiedene Medien zugegriffen werden; Beamer und Computer sind in jedem Klassenzimmer im Einsatz.

    Nach Janeks Erfahrung hat sich „das Spektrum der Kinder durch das Internet und durch Reisen unglaublich erweitert. Sie erfahren die Welt globaler, als die Kinder früher“. Dem müsse man Rechnung tragen und entsprechende Angebote machen. „Leider kann man manchen Kindern einfach nichts Neues bieten“, bedauert sie, alles sei schon selbstverständlich geworden. Doch die meisten Kinder seien noch immer sehr begeisterungsfähig.

    Bandbreite statt Tiefe

    Auch Alois Dietz sieht das so: „Die Kinder interessieren sich auch heute noch für vieles, und sie haben mehr Möglichkeiten als wir sie früher hatten, um ihren Wissensdurst zu stillen.“ Allerdings scheine sich das Gelernte nicht mehr so nachhaltig einzuprägen, glaubt der Pädagoge, „die Datenmenge ist zu riesig“.

    Dem stimmt auch Katharina Janek zu: „Es könnte sein, dass die Dinge früher tiefgreifender gewirkt haben, weil sie viel seltener waren, wie zum Beispiel das Schauen eines Filmes.“ Die große Bandbreite lasse zuweilen die Tiefe vermissen.

    „Der Heimatgedanke wird in der Schule auf jeden Fall unterstützt und schwingt bei vielen Sachthemen mit“, sagt Janek. Aber das Bewusstsein für die Heimat müsse vorwiegend im Elternhaus geschaffen werden. „Wenn das Kind nicht in den Dorfvereinen eingebunden ist, wenn ihm nicht das Brauchtum und die Besonderheiten seines Lebensumfeldes von den Eltern nähergebracht werden, dann führt auch die Wanderung mit der Schulklasse zur Burgruine nicht zur Heimatverbundenheit.“

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