Obwohl der Verlust ihres Hundes für sie so schmerzlich ist, sagt Birgit Brunner, dass sie keine Rachegelüste verspürt. Keine Rachegelüste gegen jenen Jäger, der ihre Mara am 18. Juli auf einer Wiese bei Knetzgau mit einem Kleinkalibergewehr erschossen hat. Wohl aber hofft die Frau aus Innsbruck, dass der Schütze nie mehr eine Waffe in die Hand nehmen darf.
Und das nicht nur, weil ihrer Meinung nach Jägerinnen und Jäger grundsätzlich nicht auf Hunde schießen sollten. Sondern weil die 52-Jährige der festen Überzeugung ist, dass es die Umstände kurz vor Maras Tod nie und nimmer gerechtfertig haben, auf die achtjährige Hündin anzulegen.

Birgit Brunner hat der Redaktion am Donnerstag ihre Version der Ereignisse vom 18. Juli am Telefon geschildert. An jenem Montag war sie mit ihrem Ehemann auf dem Main unterwegs, im Rahmen einer Kanutour, die sie von Bamberg nach Würzburg führen sollte. Mit dabei Mara, ein Alaskan Malamute. Wie Huskys gehören Alaskan Malamutes innerhalb der nordischen Hunderassen zu den Schlittenhunden. Kräftige Vierbeiner also, die viel Auslauf brauchen, andererseits aber sehr ruhig und gelassen seien, erklärt Birgit Brunner.
Umgang mit Alaskan Malamute ist nicht ganz leicht
Ihre Mara sei Menschen gegenüber sehr zutraulich und liebevoll gewesen, habe Beschützerinstinkte gegenüber kleineren Hunden entwickelt, aber auch keine Scheu vor "Raufereien" mit großen Artgenossen gehabt. "Da mussten wir schon aufpassen." Der Umgang mit Alaskan Malamute ist nicht ganz leicht, Birgit Brunner und ihr Mann richteten Mara deshalb mit Hilfe zweier Hundetrainer ab – sie soll danach aufs Wort gefolgt haben.

Am zweiten Tag der Flussreise war der Zeltplatz nahe des Naturfreundehauses in Haßfurt das Ziel. Von Bamberg kommend steuerte das Ehepaar aus Österreich die Schleuse für Sportboote bei Knetzgau an. Hier, direkt neben dem Kraftwerk Knetzgau, können sich die Besitzerinnen und Besitzer kleinerer Wasserfahrzeuge je nach Reiserichtung selbst auf das nächst höhere oder tiefere Flussniveau schleusen.
Mara soll sich 20 bis 25 Meter von ihren Besitzern entfernt haben
Eine Aufgabe, die ihr Mann übernommen habe, sagt Birgit Brunner. Sie selber habe sich umgeschaut, aber weit und breit keinen Spaziergänger oder Radfahrer gesehen, sondern lediglich einen geparkten Geländewagen. Möglicherweise ein Angler, habe sie gedacht. Weil sie davon ausgegangen sei, dass Mara also niemanden in die Quere kommen würde, durfte die Hündin unangeleint auf die Wiese neben der Anlegestelle. Dort habe sie sich 20, vielleicht 25 Meter von Herrchen und Frauchen entfernt aufgehalten.

Was die 52-Jährige dann berichtet, steht in deutlichem Widerspruch zu den Aussagen des Jägers: Der hatte den tödlichen Schuss damit gerechtfertigt, dass Mara einen Hasen gehetzt habe und kurz davor gewesen sei, das Tier zu reißen. Das Bayerische Jagdgesetz erlaubt es, wildernde Hunde zu erschießen, um zu verhindern, dass sie ein Wildtier töten. Von den Hundehaltern oder sonstigen Personen will der 76-jährige Jäger nichts gesehen haben. Sonst hätte er nie geschossen, hatte der Mann vergangene Woche gegenüber der Redaktion gesagt.
Die Hündin nur ein paar Momente nicht im Auge gehabt
Birgit Brunner hat nicht unmittelbar miterlebt, wie Mara vermutlich aus einer Distanz von knapp über 60 Metern vom Kleinkaliberprojektil getroffen wurde. Sie glaubt, dass es jener Augenblick war, als sie gegen 17.15 Uhr eine Art Peitschenknall hörte, der sie aber nicht an einen Schuss denken ließ. Da sei sie gerade dabei gewesen, das Boot festzubinden, weil das mit dem Schleusen doch länger gedauert habe als erwartet. Die paar Momente habe sie Mara nicht im Auge gehabt, danach habe sie mit ihr spazieren gehen wollen.
"Mara hat einen angeborenen Hüftschaden. Sie konnte vier, fünf Schritte rennen, mehr nicht."
Birgit Brunner zur angeblichen Hetzjagd ihres Hundes auf einen Hasen
Genau die Sekunden, in denen der Hund einen Hasen jagte? Nein, sagt Birgit Brunner, denn als sie wieder nach Mara geblickt habe, sei die an der gleichen Stelle gewesen wie zuvor. Nur habe sich das Tier jetzt vor Schmerzen gekrümmt. Die Österreicherin glaubt noch aus einem ganz anderen Grund, dass ihr treuer Begleiter gar nicht in Bewegung war, als er erschossen wurde: "Mara hat einen angeborenen Hüftschaden. Sie konnte vier, fünf Schritte rennen, mehr nicht." Das mit der wilden Hasenjagd sei ausgeschlossen. Und schließlich: Sei es nicht höchst unwahrscheinlich, dass sich zu dieser Tageszeit und bei dieser Hitze ein Hase auf die ausgedörrte Wiese begeben haben soll?
Wie realistisch ist es, dass der Jäger das Ehepaar nicht gesehen hat
Und wie bewertet die Frau die Behauptung des Waidmannes, dass er keine Menschenseele gesehen habe, vor allem niemanden, dem er den Hund zuordnen konnte? "Dass wir im ersten Moment vielleicht nicht aufgefallen sind, das kann schon sein", sagt Birgit Brunner. "Aber der Jäger hätte sich doch vergewissern müssen, ob da jemand ist." Mara habe schließlich ein Brustgeschirr getragen, da hätte der Schütze in jedem Fall damit rechnen müssen, dass sich die Besitzer in der Nähe aufhalten. "Und wir waren nicht so verdeckt, dass er uns nicht nach kurzer Zeit erblickt hätte". Die Wiese nördlich der Bootsschleuse bildet eine große offene Fläche, an der Schleuse selbst und auch sonst finden sich wenige Bäume.

Ob der Jäger sie vor oder nach dem Schuss nicht doch gesehen hat, darüber kann Birgit Brunner nur spekulieren. Ihr erscheint es jedoch verdächtig, dass – während sie auf ihren unübersehbar leidenden Hund zugegangen sei – der Geländewagen davongerast sei, eine große Staubwolke hinter sich herziehend. An einen Zusammenhang zwischen der Person im Fahrzeug und ihrem Hund habe sie da immer noch nicht gedacht. Noch habe sie vermutet, Mara sei in etwas hineingetreten, habe sich an der Pfote verletzt. Der Jäger hatte später angegeben, den Hund aus dem Blick verloren zu haben. Und er hatte sein Verschwinden damit verteidigt, dass sein Gewehr nicht mehr funktioniert habe. Er sei nach Hause gefahren, um Jagdgewehr und Hund zu holen, um anschließend dem angeschossenen Hund nachzusetzen.
"Der Jäger hätte sich doch vergewissern müssen, ob da jemand ist."
Birgit Brunner zur Behauptung des Schützen, keinen Menschen gesehen zu haben
Der traurige Rest der Geschichte ist schnell erzählt. Das Ehepaar entdeckte schließlich ein Einschussloch an Maras Körper, schloss darauf, dass auf ihren Hund aus dem Geländewagen heraus geschossen worden war und informierte die Polizei, die den Tatort auch sorgfältig untersucht habe. Eine Tierärztin brachte den Alaskan Malamute in ihre Praxis und stellte per Röntgenbild einen Durchschuss durch Lunge, Zwerchfell und Leber fest. Doch die Notoperation überlebte Mara nicht. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Polizei den Schützen schon ermittelt, Birgit Brunner und ihr Mann haben Anzeige gegen ihn erstattet.

Noch immer mag Birgit Brunner nicht glauben, dass ein Jäger ihre Mara erschossen hat- auf einer mehr oder weniger künstlichen Insel, die auf allen Seiten von Betonwänden oder Dämmen begrenzt ist, zwischen Schleusen und Kraftwerk. Wie hätten Ortsfremde wie sie da groß an Naturschutz und Wildtiere denken können? Dass das Ehepaar aus Insbruck inzwischen erfahren hat, dass der Jäger schon mehrfach Hundehaltern gedroht haben soll, ihre Vierbeiner zu erschießen, bestärkt es in der Überzeugung, dass der Mann seinen Jagdschein abgeben müsse.

Einen Hund will sich Birgit Brunner nicht mehr anschaffen. Überhaupt muss sie das Geschehene erst verarbeiten. "Und eines Tages werde ich vielleicht doch wieder schwach", hält sie es dann doch nicht für völlig ausgeschlossen, dass irgendwann ein neuer Vierbeiner in die Familie kommt.