Mitte Juli hat ein Jäger auf einer Wiese nördlich des Stauwehrs Knetzgau (Lkr. Haßberge) den freilaufenden Hund von Touristen aus Österreich erschossen. Das Ehepaar war da gerade mit dem Schleusen seines Kanus beschäftigt. Seither geht es nicht nur um die Aufklärung der genauen Umstände dieses Vorfalls. Es stehen auch grundsätzliche Fragezeichen hinter der Person des Waidmanns und Jagdpächters. Und es geht darum, ob zum Beispiel seine Jagdgenossenschaft, die Kreisgruppe Haßfurt im Bayerischen Jagdverband (BJV) und die Untere Jagdbehörde viel zu lange die Augen vor einem Problem verschlossen haben.
Tierschutzinitiative hat den Jäger angezeigt
Nicht nur bei dieser Redaktion haben sich Personen gemeldet, die angeben, von dem heute 76-Jährigen angegangen worden zu sein, meist wenn sie mit ihrem Hund in seinem Jagdrevier am Main spazieren waren. Oft soll er gedroht haben, die Hunde zu erschießen. Auch die Tierschutzinitiative (TI) Haßberge, die im Landkreis Haßberge die Fundtiere betreut, ist in dieser Hinsicht offenbar zu einer Art Anlaufstelle geworden: "Bei uns klingelt dauernd das Telefon. Da rufen Leute an, um uns ihre Geschichten mit dem Jäger zu erzählen", berichtet TI-Vorsitzende Britta Merkel dieser Redaktion. Die Tierschutzinitiative hat den Jäger wegen des Todesschusses auf den Hund bei Knetzgau inzwischen angezeigt.
Der Jagdpächter bestreitet, jemals irgendwen bedroht zu haben
Die unliebsamen Erfahrungen, die die Menschen mit dem Jäger gemacht haben wollen, liegen teils viele Jahre zurück, teils nur Monate. Von der Redaktion auf die vielen Vorhaltungen angesprochen, bestreitet der Waidmann, jemals irgendwen bedroht zu haben. Schon gar nicht mit der Waffe in der Hand, die habe er so gut wie nie dabei, sagt er.

Er mache die Menschen auf den Naturschutz aufmerksam, auf die Leinenpflicht für die Hunde. Und drohe höchstens mit der Polizei. Mehr nicht. Dass er andere einschüchtert, ihnen Angst einflößt, lässt der Mann nicht gelten. "Ich habe mich immer an das Bayerische Jagdgesetz, immer an die Regeln gehalten. Da habe ich mir nichts vorzuwerfen", sagt der 76-Jährige.
Ein pensionierter Polizist berichtet von Drohungen: "Da hatte ich Todesangst"
Zu denen, die das anders sehen, gehört ein inzwischen pensionierter Polizeibeamter aus dem Maintal. Immer wieder habe er unangenehme Begegnungen mit dem Jäger gehabt. Die schlimmste sei gewesen, als dieser ihm einmal gedroht habe, seinen kleinen Hund "abzuknallen", obwohl der angeleint gewesen sei. Dann soll ihm der Mann mit geladenem Gewehr und weitere Drohungen aussprechend 300 Meter hinterhergelaufen sein, bis der Bedrängte sein Auto erreichte. "Da hatte ich Todesangst", sagt der ehemalige Polizist.

Ein Mann aus Rheinland-Pfalz, der jahrelang zum Angeln an einen Baggersee im Jagdrevier fuhr, schildert der Redaktion einen ähnlichen Konflikt mit dem Jagdpächter, er soll gut 15 Jahre zurückliegen. Von seiner Anzeige habe er nie mehr etwas gehört.
Landratsamt Haßberge und Stadt Haßfurt: "Entsprechende Vorkommnisse" sind bekannt
Und womöglich hat der Jäger nicht einmal davor zurückgeschreckt, Jagdkollegen anzugehen. Das zumindest behauptet ein älterer und erfahrener Jäger, der in diesem Februar im Auto mit Frau und Hund im fremden Revier unterwegs war und dort nach eigenen Angaben rüde von jener Person gestellt wurde, die er als "tickende Zeitbombe" bezeichnet.
Hat der Jagdpächter wirklich andere bedroht, ihnen gar mit der Waffe gedroht? Eines steht zumindest fest: Der Unteren Jagdbehörde am Landratsamt Haßberge und der Stadt Haßfurt - sie ist größter Grundhold, also Flächeneigentümer, im betroffenen Jagdrevier - ist nicht verborgen geblieben, dass es immer wieder zu Konfrontationen kam. "Entsprechende Vorkommnisse" seien bekannt gewesen, heißt es aus dem Landratsamt. "Der Stadt Haßfurt sind Konflikte zwischen dem Jagdpächter und etlichen Hundehaltern bekannt", antwortet auch Bürgermeister Günther Werner auf Anfrage der Redaktion.
Für die Behörde gibt es keine Rechtsgrundlage, ein Jagdpachtverhältnis zu beenden
Einen Grund oder eine Möglichkeit einzuschreiten, sahen Stadt und Landratsamt nicht. Moni Göhr, Sprecherin des Landratsamts, erklärt, dass ihre Behörde generell keine Rechtsgrundlage habe, ein laufendes Jagdpachtverhältnis zu beenden, da es sich hier um einen privatrechtlichen Vertrag zwischen Jagdpächter und Jagdgenossenschaft handele. Und die Behördensprecherin lässt anklingen, welch komplexes Thema es ist, einen Jagdschein einzuziehen.

Dazu müssten der Inhaber oder die Inhaberin entweder nach dem Waffenrecht oder dem Jagdrecht unzuverlässig geworden sein, die persönliche Eignung nach dem Waffenrecht oder die körperliche Eignung nach dem Jagdrecht verloren haben.
Verfahren reichten nicht, "um eine gerichtsfeste Jagdscheineinziehung rechtlich zu tragen"
"Soweit es zu Anzeigen beziehungsweise Ermittlungs- oder gar Gerichtsverfahren gekommen ist, waren diese im Ergebnis aber in keinem der mitgeteilten Fälle ausreichend, um eine gerichtsfeste Jagdscheineinziehung rechtlich zu tragen, und zwar weder für sich betrachtet, noch in der Summe", schreibt das Landratsamt schließlich mit konkretem Bezug zum besagten Jagdpächter.
Dabei sah es einmal danach aus, als würde der umstrittene Jäger seinen Jagdschein verlieren. Das war 2020. Damals verurteilte ihn das Amtsgericht Haßfurt wegen Bedrohung und Beleidigung zweier Reiterinnen zu einer Geldstrafe in Höhe von 90 Tagessätzen zu je 30 Euro. Ab einem Strafmaß von 60 Tagessätzen ist der Jagdschein normalerweise weg, auch wenn das Bayerische Innenministerium auf Anfrage der Redaktion herausstellt, dass dies kein Automatismus ist.
War der Landtagsabgeordnete und Jäger Steffen Vogel in einem Interessenkonflikt?
Der Jäger jedenfalls ging in Berufung. Und wurde am Landgericht Bamberg zusätzlich zu seinem Verteidiger aus Würzburg von Rechtsanwalt Steffen Vogel vertreten. Dass der Landtagsabgeordnete nicht nur selbst Jäger, sondern sogar stellvertretender Vorsitzender der BJV-Kreisgruppe Haßfurt ist, scheint zumindest im Nachhinein nicht jedem zu gefallen: Lag da nicht ein Interessenkonflikt vor? Hätte sich Vogel nicht mehr Gedanken um die Reputation seiner Jägergruppe machen müssen, fragt sich mancher in der Szene.
Jedenfalls sah das Landgericht Bamberg damals nur den Tatbestand der Beleidigung erfüllt und reduzierte das Strafmaß auf 40 Tagessätze. Damit konnte der Jagdpächter seinen Jagdschein behalten.
"Hätte ich damals gewusst, welche Entwicklung eintritt, hätte ich das Mandat nicht angenommen."
MdL Steffen Vogel, der den Jäger am Landgericht Bamberg als zweiter Anwalt verteidigt hat
Steffen Vogel will von der "Vorgeschichte" des Jägers nichts gewusst haben. Und er verweist darauf, wie schwer es sei, von außen ein Gerichtsverfahren zu beurteilen, für das die Staatsanwaltschaft über Monate hinweg ermittelt habe und in dem eine umfangreiche Beweisaufnahme erfolgt sei. "Es ist gerade eine Errungenschaft unseres Rechtsstaats, dass sich urteilende Gerichte nicht von verständlichen Emotionen leiten lassen", sagt Vogel mit Blick auf die damalige Absenkung der Geldstrafe "im Rahmen eines vollkommen legalen rechtsstaatlichen Verfahrens".
Dass es wegen seiner Tätigkeit als Strafverteidiger immer wieder zu Irritationen kommen könne, sei ihm bewusst, sagt der frisch gebackene unterfränkische CSU-Chef. Er sei aber in keinem anderen Verfahren für den Jagdpächter tätig gewesen. Dass er über diesen seine schützende Hand halte, davon könne also nicht die Rede sein.
Die zuständige Jagdgenossenschaft hatte keine jagdlichen Bedenken
Und schließlich ist da noch die Jagdgenossenschaft selbst. Deren Vorsitzender erklärt, es sei über all die Jahre niemand an ihn herangetreten mit Beschwerden über den umstrittenen Jagdpächter. Nur die Landwirte hätten geklagt, dass er zu wenig Rehe schieße. Seit gut 20 Jahren soll der Jäger das Revier gepachtet haben, die Vollversammlung der Jagdgenossen habe vor Kurzem der vorzeitigen Verlängerung des Pachtvertrags um neun Jahre - das ist bis 2030 - zugestimmt. "Jagdlich gab es da keine Bedenken".
Auch die Stadt Haßfurt mit dem größten Stimmenanteil soll sich für den alten und neuen Jagdpächter ausgesprochen haben, auch wenn sich der Bürgermeister dazu nicht äußert. Alle Seiten wehren sich gegen eine Vorverurteilung des Jagdpächters und wollen erst einmal das Ergebnis der rechtlichen Aufarbeitung der Ereignisse vom 18. Juli abwarten, ehe sie über irgendwelche Konsequenzen nachdenken.
Steffen Vogel will den Jagdpächter nicht gerichtlich vertreten
Die Tierschutzinitiative sieht das anders: "Wir hoffen, dass die Staatsanwälte und Richter die Sache dieses Mal nicht so einfach durchgehen lassen", sagt Vorsitzende Britta Merkel.
Rechtsanwalt Steffen Vogel indes hat schon einen Beschluss gefasst: Er wird den Jagdpächter "in dem Fall mit dem Hund" nicht vertreten. Und rückblickend bedauert er es, dass er ihm damals am Landgericht zur Seite stand. Er hätte nie gedacht, dass der Jäger tatsächlich auf einen Hund schießen werde. "Hätte ich damals gewusst, welche Entwicklung eintritt, hätte ich das Mandat nicht angenommen."

