„Es ist schon verrückt! Wir hatten noch nie so viele Ärzte wie jetzt in Bayern und wahrscheinlich haben wir derzeit die höchste Zahl an Hausärzten, die wir jemals hatten. Auch in unserem Landkreis haben wir keine Unterversorgung. Die Frage ist nur, wie es in zehn Jahren aussieht, wenn zahlreiche Ärzte aus Altersgründen ausscheiden.“ Dies betonte MdL Steffen Vogel bei der Aschermittwochsveranstaltung der CSU-Ortsverbände Sand und Zeil im Gasthaus Goger vor zahlreichen interessierten Zuhörern.
Zur medizinischen Versorgung im ländlichen Raum stellte der CSU-Stimmkreisabgeordnete eingangs klar, dass für den Versorgungsauftrag eigentlich nicht die Politik zuständig sei, sondern die Kassenärztliche Vereinigung und die Krankenkassen im Rahmen ihrer Selbstverwaltung. Von ihr werde ein Bedarfsplan aufgestellt mit den entsprechenden Versorgungskriterien. Für die Niederlassung von Hausärzten sei der Landkreis Haßberge erst Mitte 2013 in die zwei hausärztlichen Planungsbereiche Haßfurt und Ebern aufgeteilt worden, was er als Vorteil für die entlegenen Räume ansehe. Unter einem Versorgungsgrad von 75 Prozent spreche man von einer „Unterversorgung“, zwischen 75 bis 100 Prozent von einer drohenden Unterversorgung und höher als 100 Prozent von einer Überversorgung.
Für den Landkreis Haßberge sehe es so aus, dass der hausärztliche Planungsbereich Ebern mit einem Versorgungsgrad von 127,4 Prozent für die Niederlassung von Hausärzten gesperrt ist (Stand 5.9.2014) und oberhalb der Sperrgrenze von 110 Prozent sogar rein rechnerisch noch 2,9 Ärzte tätig seien.
Im hausärztlichen Planungsbereich Haßfurt bestehe dagegen ein Versorgungsgrad von 95,2 Prozent. So dass man hier von einer drohenden Unterversorgung spreche. Zur Sicherstellung der hausärztlichen Versorgung habe die Kassenärztliche Vereinigung daher auch für diesen Bereich ein Förderprogramm aufgestellt und zahlreiche Förderungen gewährt. Im Zuge dieser Förderungen konnten nun weitere Hausärzte für den Planungsbereich gewonnen und Zulassungen bzw. Anstellungen im Umfang von insgesamt 2,75 Stellen genehmigt werden. Der aktuell errechnete Versorgungsgrad betrage somit 103,6 Prozent. Trotzdem seien aber noch 2,25 Stellen frei, bis die Sperrgrenze und ein Versorgungsgrad von über 110 Prozent erreicht seien. Insgesamt sind damit im Landkreis Haßberge 52,25 zugelassene Hausärzte tätig.
Im Bereich der Fachärzte bestünden derzeit 58 Stellen. Niederlassungsmöglichkeiten bestünden nur für Augenärzte (0,5 Stellen), Hautärzte 1,5 Stellen) sowie HNO-Ärzte und ärztliche Psychotherapeuten (je eine Stelle). Für alle anderen Fachärzte habe der Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen im Landkreis Haßberge Niederlassungssperren wegen Überversorgung angeordnet. Bei den Hautärzten spreche man von einer Unterversorgung und habe hier Förderprogramme für Niederlassungen, den Betrieb einer Filiale oder auch die Fortführung einer Praxis über das 63. Lebensjahr hinaus aufgelegt.
„So könnten derzeit noch 2,25 Stellen im Planungsbereich Haßfurt vergeben werden und damit könnte sich auch sofort ein weiterer Hausarzt in Zeil niederlassen. Wir können aber niemandem vorschreiben, wo er sich in diesem Planungsbereich niederlässt“, war die Antwort von MdL Steffen Vogel auf eine Initiative aus Zeil, wenn ein Arzt eine Praxis schließe. Und damit war man schon bei der Frage, wie eine flächendeckende Versorgung im ländlichen Raum für die Zukunft gewährleistet werden könnte.
MdL Steffen Vogel ging auf das Förderprogramm der Staatsregierung ein, das auf drei Säulen beruhe. Man vergebe Stipendien an Medizinstudierende, die sich verpflichten ihre Weiterbildung im ländlichen Raum zu absolvieren und dann im Anschluss weitere fünf Jahre tätig zu sein. Weiter unterstütze man innovative medizinische Versorgungskonzepte und schließlich fördere man Niederlassungen und Filialbildungen von Ärzten. Diese Förderung, die bisher nur für Hausärzte galt, habe man nun sogar auf familiennahe Arztgruppen wie Kinderärzte, Frauenärzte, Kinder- und Jugendpsychiater ausgedehnt.
Von den 35 Hausärzten im Planungsbereich Haßfurt seien 24 Männer und elf Frauen. 16 von ihnen seien aber schon 60 Jahre und älter und würden in den nächsten Jahren ausscheiden. Bei den Medizinstudenten seien schon bis zu 70 Prozent Frauen. Hier stelle sich das große Problem, dass sich Ärztinnen nicht so sehr nach Freiberuflichkeit sehnten, sondern ihren Beruf mit Familie und andere Ziele wie einer geregelten Arbeitszeit ausüben wollten.
„Den alten Hausarzt, wie es Dr. Roman in Sand war und der rund um die Uhr Dienst machte, gibt es einfach nicht mehr“, fasste es Gerhard Zösch zusammen. Alle waren sich einig, dass die Bedeutung der Allgemeinmedizin stärker zum Ausdruck kommen und an ihrem Image gefeilt werden müsse. „Eigentlich ist der Hausarzt die wichtigste Schaltfunktion, insbesondere auch im Hinblick auf spezielle Weiterbehandlungen. Aber selbst in Würzburg hat es bisher keine Fachrichtung für Allgemeinmedizin gegeben“, warf Vogel ein.
Ein weiterer Hinweis war die Frage, ob der Zugang zum Medizinstudium ausschließlich von der Abiturnote abhängig sein sollte. „Im Schnitt kommen dann natürlich mehr Studenten aus dem städtischen Bereich und die wollen dann später auch nicht aufs Land. Außerdem wären das ja meistens Spitzenschüler und die wollen auch später Spitzengehälter“, sah Vogel weitere Probleme. So verstieg er sich sogar zu einem Vorschlag, ob man nicht hinsichtlich des Medizinstudiums langfristig zu einer „Landquote“ kommen müsse für Studenten, die auch später in den ländlichen Raum gingen, oder sogar zu einer „Männerquote“ für solche, die eine Praxis übernähmen oder eine eigene Praxis auf dem Land gründen wollten.
Dr. Toni Aumüller, Hausarzt in Zeil, widersprach ebenfalls der Aussage, dass es an der Zahl der Medizinstudenten liege. „Wir haben keinen Mangel an Medizinstudenten. Die Frage ist nur, wie wir es erreichen, wieder mehr Mediziner auf das Land zu bringen. Ein Grund ist natürlich auch die Tatsache, dass wir inzwischen viele Ärztinnen haben und die wollen oft halbtags arbeiten.“ Am Negativtrend sah er aber auch ein Verschulden der Kassenärztlichen Vereinigung und der Krankenkassen. So könne es nicht sein, dass ein Arzt bei Engpässen bis zu 2000 Patienten betreue, aber nur für 1200 oder 1400 bezahlt werde.