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Obertheres: Klimaaktivisten aus Obertheres bei Demo in Lützerath: "Bei der Bedrohung von Leib und Leben ist für mich die Grenze erreicht"

Obertheres

Klimaaktivisten aus Obertheres bei Demo in Lützerath: "Bei der Bedrohung von Leib und Leben ist für mich die Grenze erreicht"

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    Jutta Appel steht vor einem Kohlebagger im Abbaugebiet Garzweiler ll. 
    Jutta Appel steht vor einem Kohlebagger im Abbaugebiet Garzweiler ll.  Foto: Christoph Appel

    In Lützerath in Nordrhein-Westfalen demonstrierten am Samstag Zehntausende Menschen gegen den Abriss des Dorfes für den Braunkohleabbau. Im vergangenen Herbst sorgte der politische Kompromiss, den Wirtschaftsminister und Vizekanzler Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) mit dem Energiekonzern RWE ausgehandelt hatte, für Schlagzeilen: Zwar steigt RWE statt 2038 schon 2030 aus der Braunkohleverstromung aus – um den Tagebau Garzweiler II auszuweiten, darf aber das Dorf Lützerath abgebaggert werden.

    Fünf andere Dörfer wurden durch diesen Kompromiss vom selben Schicksal verschont. Auch ein Ehepaar aus Obertheres war am vergangenen Wochenende vor Ort in Lützerath, direkt an der Abbruchkante. Warum Christoph und Jutta Appel an der Kundgebung teilgenommen haben und welche Schlüsse sie aus ihren Erlebnissen ziehen.

    Frage: Wieso sind Sie nach Lützerath gefahren und haben dort protestiert?

    Christoph Appel: Wir sind beide seit 2018 in der Klimaschutzbewegung aktiv, schon vor Fridays for Future und Greta Thunberg, und haben selbst bereits kleine Demos organisiert. Wir wollten ein Zeichen setzen, denn der Klimaschutz ist uns unendlich wichtig. Was bisher erreicht wurde, ist gut. Aber es muss noch viel mehr passieren. Dafür ist es wichtig, zu protestieren.

    Wie haben Sie die Proteste in Lützerath erlebt?

    Christoph Appel: Die Demo war ungefähr in der Mitte zwischen Lützerath und Keyenberg (Anmerkung der Redaktion: Ein Dorf, das ursprünglich dem Kohleabbau hätte weichen sollen). Dort waren bestimmt 25.000 bis 30.000 Personen versammelt. Ungefähr ein Drittel der Leute hat sich dann in Richtung Abbruchkante bewegt.

    Wie groß das Abbaugebiet und die Maschinerie vor Ort ist, verdeutlichen die gelb gekleideten RWE-Mitarbeiter neben dem Kohlebagger. Auf der rechten Seite ist die Abbruchkante zu sehen.
    Wie groß das Abbaugebiet und die Maschinerie vor Ort ist, verdeutlichen die gelb gekleideten RWE-Mitarbeiter neben dem Kohlebagger. Auf der rechten Seite ist die Abbruchkante zu sehen. Foto: Christoph Appel

    Sind Sie mitgegangen?

    Christoph Appel: Wir sind auch hingelaufen. Etwas weiter sind wir auf die erste Polizeikette gestoßen. Menschen haben bereits versucht, dort durchzukommen. Die meisten Polizisten haben sich friedlich verhalten, es gab aber ein oder zwei Personen, die aggressiv auf die Leute zugegangen sind. Das muss nicht sein. Dadurch kann so etwas leicht eskalieren. Die Kette hat sich dann aufgelöst, weil die Polizisten gegen so viele Menschen keine Chance hatten. Die Masse der Menschen hat sich dann weiter bewegt in Richtung Lützerath. Dort gab es die nächste Barriere. Wir standen in den hinteren Reihen und sind dann zurückgelaufen. 

    Braucht es Demos, damit die Politik schneller beim Klimaschutz handelt?

    Jutta Appel: Ja!

    Christoph Appel: Es braucht Demonstrationen. Ohne Fridays for Future und deren Demonstrationen wären wir nicht so weit in Sachen Klimaschutz, wie wir jetzt sind. Das hat die Politik bewegt, die Wirtschaft, die Firmen. Die haben gemerkt, wir müssen etwas tun. Deshalb ist es wichtig, auf die Straße zu gehen. Auch in Lützerath.

    Der Kohleausstieg ist absehbar. 2030 ist Schluss. Das Dorf Lützerath ist das letzte, das dem Braunkohleabbau weichen muss. Für Wirtschaftsminister Robert Habeck ist der Ort das Symbol für das Ende der Umsiedlungen. Sind die Proteste dort dann nicht das falsche Zeichen?

    Christoph Appel: Das sehe ich ähnlich wie Habeck. Als Klimaschutzbewegung hätte man anders handeln können. Sich darüber freuen können, dass die anderen Dörfer in diesem Gebiet bleiben. Ich glaube aber, dass Lützerath als Symbol bei der Klimaschutzbewegung schon so weit festgefahren war, dass man nicht mehr zurückkonnte. Oder wollte. Habeck wäre es wichtig gewesen, wenn man anerkannt hätte, dass die anderen Dörfer bleiben. Ich finde, das sollte die Klimaschutzbewegung auch sehen. Trotzdem ist der Druck wichtig, um klarzumachen, dass es weitergehen muss. Auch wenn man schon etwas erreicht hat.

    Jutta Appel: Der Hambacher Forst war auch ein Symbol, so wie jetzt Lützerath. Auch dort ging es um die Symbolwirkung. Ich glaube, das ist für uns Menschen immer wichtig.

    Jutta und Christoph Appel aus Obertheres waren am vergangenen Samstag bei den Protesten in Lützerath dabei.
    Jutta und Christoph Appel aus Obertheres waren am vergangenen Samstag bei den Protesten in Lützerath dabei. Foto: Johanna Heim

    Der Krieg in der Ukraine hat gezeigt, wie abhängig Deutschland von russischem Gas ist. Wäre Braunkohle in den nächsten Jahren nicht ein sicherer Weg, selbstbestimmt Energie zu produzieren?

    Christoph Appel: Nein. Das stößt extrem viel CO₂ aus und davon müssen wir weg. Ich bin der festen Überzeugung: Geben wir jetzt richtig Gas, was den Ausbau der erneuerbaren Energien angeht, können wir die Braunkohle für die Stromproduktion ersetzen.

    Jutta Appel: Beispielsweise mit Solaranlagen. Wieso kann man das nicht gleich gesetzlich festlegen, dass sie bei Neubauten verpflichtend sind? Ebenso mit Windkraft. Gerade in Bayern läuft das schlecht. In meinen Augen ist hier immer auf das falsche Pferd gesetzt worden. Wir müssen endlich umdenken. Wir haben Kinder und Enkelkinder. Um sie mache ich mir Sorgen. Es ist unsere Verpflichtung, dafür zu sorgen, dass die Welt erhaltenswert bleibt.

    "Es ist unsere Verpflichtung, dafür zu sorgen, dass die Welt erhaltenswert bleibt."

    Jutta Appel, Klimaschützerin aus Obertheres

    Welche Schlüsse ziehen Sie aus Ihren Erlebnissen am Wochenende?

    Christoph Appel: Demonstrieren für die richtige Sache ist uns wichtig. Als Teilnehmer oder auch als Organisator. Die Teilnahme hat mir gezeigt, dass die Mehrheit unserer Bewegung friedlich ist.

    Jutta Appel: Beim Klimaschutz geben wir nicht auf. Und: Trotz der Auseinandersetzungen während der Demo – die Polizei macht nur ihren Dienst. Sie ist für uns als Zivilgesellschaft da. In der Regel ist man froh, dass sie dich bei Demos schützt und dazwischen geht. Das sollte man beachten.

    Christoph Appel: Hier ist Fairness angebracht, nicht nur Schwarz-Weiß-Denken.

    Coronademos sind von Rechtsextremisten unterwandert worden. Bei den Protesten in Lützerath haben Linksextremisten mitgemischt. Muss man das schlicht in Kauf nehmen?

    Christoph Appel: Es gibt immer wieder Quertreiber, das ist klar. Manche Leute gehen nur auf solche Demonstrationen, um Rabatz zu machen. Bei einer Größenordnung wie in Lützerath hast du als Organisator keine Chance, das zu unterbinden. Es ist aber trotzdem nochmal etwas anderes als bei den Rechtsradikalen. Dort hat man gesehen, dass in deren Netzwerken aktiv für die Demos geworben worden ist und sie die Organisatoren unterstützt haben. Aber es ist richtig: Wir müssen aufpassen, dass wir uns als Klimaschutzbewegung nicht instrumentalisieren oder gar unterwandern lassen.

    Christoph Appel war am Samstag vor Ort in Lützerath.
    Christoph Appel war am Samstag vor Ort in Lützerath. Foto: Jutta Appel

    Bleiben wir bei Extremen. Wo ist die Grenze zwischen zivilem Ungehorsam und dem Missbrauch demokratischer Spielregeln?

    Christoph Appel: Bei der Bedrohung von Leib und Leben ist für mich die Grenze erreicht. Wenn ich so etwas mitbekomme, distanziere ich mich sofort davon. Auch Sachbeschädigung kann nicht sein, egal ob es bei Privateigentum ist oder dem Eigentum einer Firma.

    "Im Fall von Lützerath hätte man der Klimaschutzbewegung mehr den Rücken stärken können."

    Christoph Appel, Klimaschützer aus Obertheres

    Sie beide sind selbst bei den Grünen aktiv. Sind Sie zufrieden mit der Politik Ihrer Partei in Bezug auf Lützerath?

    Christoph Appel: Ich bin der festen Überzeugung, dass die Grünen für Deutschland die einzige Chance sind, klimapolitisch etwas zu verändern. Im Fall von Lützerath hätte man der Klimaschutzbewegung mehr den Rücken stärken können. Und es wurden sicherlich auch kommunikative Fehler gemacht, die man hätte vermeiden können. Hätte man die Errungenschaft, dass die anderen Dörfer nicht weichen müssen, in den Vordergrund gestellt, hätte es vermutlich mehr Verständnis auf Seiten der Klimaschutzbewegung gegeben.

    Jutta Appel: Das wäre sehr viel wert gewesen.

    Über Christoph und Jutta AppelChristoph Appel aus Obertheres arbeitet im IT-Bereich. Seit 2018 ist der 53-Jährige politisch bei den Grünen aktiv. Er ist Vorstandsmitglied und Sprecher vom Kreisverband der Grünen Haßberge. In der Vergangenheit hat er bereits bei Demonstrationen im Braunkohleabbaugebiet teilgenommen. Appel ist außerdem der Sprecher von People for Future Haßberge.Jutta Appel arbeitet als Teamleitung in einem Logistikunternehmen. Die 51-Jährige ist seit Herbst vergangenen Jahres Mitglied bei den Grünen.Quelle: johe

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