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HASSFURT: Klinik auf dem Land: Ärzte für alles

HASSFURT

Klinik auf dem Land: Ärzte für alles

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    Manuela Vetter und Klodian Goma haben sich nach ihrem Studium bewusst für ein Land-Krankenhaus entschieden – und ihre Entscheidung nicht bereut.
    Manuela Vetter und Klodian Goma haben sich nach ihrem Studium bewusst für ein Land-Krankenhaus entschieden – und ihre Entscheidung nicht bereut. Foto: Foto: Michael Mößlein

    Mit Klischees ist das so eine Sache: Jeder kennt sie – nur wenn's um deren Wahrheitsgehalt geht, halten sie oft nicht das, was sie versprechen. Dass junge Ärzte das flache Land scheuen wie der Teufel das Weihwasser, ist ein solches weitverbreitetes Klischee. Sollte dies zutreffen, müssten Manuela Vetter (30) und Klodian Goma (28) ein trauriges Leben führen. Beide sind Ärzte im Haßfurter Krankenhaus. Jedoch nicht, weil sie keine andere Stelle gefunden hätten, oder dorthin zwangsverpflichtet wurden. Die jungen Mediziner machen ihren Job dort gerne und schätzen die Vorteile, die sie in Haßfurt im Vergleich zu Großkliniken genießen.

    „In großen Häusern bist du als Arzt immer nur eine Nummer.“

    Manuela Vetter (30), junge Ärztin im Krankenhaus Haßfurt

    „In großen Häusern bist du als Arzt immer nur eine Nummer“, berichtet Vetter von ihren Erfahrungen während des Studiums an der Uni Erlangen. „In kleinen Krankenhäusern dagegen darf ich als junger Arzt alles machen. Dort sehe ich viel mehr.

    “ Ihr Kollege Goma, der wie sie auf der Inneren des Haßfurter Krankenhauses arbeitet, bestätigt: Im Klinikum in Fulda, wo er nach seinem Medizinstudium in Tirana, der Hauptstadt seines Heimatlandes Albanien, gearbeitet hat, war alles viel anonymer als in den Haßberg-Kliniken. Die Hierarchien zwischen dem Oberarzt, dem Chefarzt und den jungen Assistenzärzten sei flach. „Wenn ich Fragen habe, ist immer jemand von den Vorgesetzten für mich da“, sagt der 28-Jährige. Die Kommunikation zwischen den Ärzten funktioniere gut, „das ist auch gut für die Patienten“.

    Für Vetter bietet Haßfurt auch ganz praktische Vorteile: Hier wohnt sie zusammen mit ihrem Mann, der auch hier arbeitet. Ihre kleine Tochter, und bald auch ihr zweites Kind, wächst in einem charmanten ländlichen Umfeld auf. „Und dass ich nach der Arbeit, wenn ich kaputt bin, nach fünf Minuten zuhause bin und nicht erst noch eine halbe Stunde durch den Großstadtverkehr fahren muss, ist klasse“, zählt sie die Vorteile auf. Sie ist in der Rhön aufgewachsen, kennt also das Landleben – und hat sich bewusst dafür entschieden, auf dem Land zu bleiben.

    An Möglichkeiten, als Arzt in einer Großstadt zu arbeiten, mangelt es nicht. Als Mediziner kann man derzeit frei wählen, wo man arbeiten möchte, „egal, in welchem Bereich“, bestätigen beide Jungärzte. Dieses Klischee zumindest stimmt also. Vetter erzählt von Anrufen, die sie erhält, von Kliniken, die junge Ärzte wie sie abwerben möchten. Doch bei ihr beißen sie auf Granit.

    Das Krankenhaus in Haßfurt ist ein im Vergleich mit großstädtischen Kliniken kleines Haus. Für junge Assistenzärzte muss dies kein Nachteil sein. Im Gegenteil: Sie lernen dort eine Bandbreite ärztlicher Arbeit kennen, die sie in einem großen Krankenhaus nicht unbedingt erleben.
    Das Krankenhaus in Haßfurt ist ein im Vergleich mit großstädtischen Kliniken kleines Haus. Für junge Assistenzärzte muss dies kein Nachteil sein. Im Gegenteil: Sie lernen dort eine Bandbreite ärztlicher Arbeit kennen, die sie in einem großen Krankenhaus nicht unbedingt erleben. Foto: Fotos: Haßberg-Klinken, Anna Baum

    Ob dies für gelten wird? Eine Garantie für alle Ewigkeit kann die 30-Jährige freilich nicht geben, doch ist sie sich sicher, ihre Ausbildung zur Fachärztin auf jeden Fall am Haßfurter Krankenhaus zu beenden. Später, wenn auch die Familienplanung abgeschlossen ist, möchte sie weiter in Haßfurt bleiben, nicht mehr unbedingt als Klinikärztin, wohl eher als Allgemeinärztin in einer niedergelassenen Praxis oder in einem Medizinischen Versorgungszentrum. Solche Ärzte werden schließlich ebenfalls händeringend gesucht.

    Auch ihren Kollegen aus Albanien zieht derzeit nichts weg aus Haßfurt. Wenn er Facharzt ist, in etwa drei Jahren, werde er schauen, wie es weitergeht, sagt er. Auch könne er sich vorstellen irgendwann („vielleicht in 20 Jahren“) in sein Heimatland zurückzukehren – auf dem gesamten Balkan, berichtet er, werden Ärzte noch dringender gesucht als in Deutschland.

    Doch was ihm aktuell viel wichtiger ist: Er möchte zu Beginn seiner Laufbahn als Arzt möglichst viele Krankheitsbilder kennenlernen. Und hierzu habe er in einem kleinen Krankenhaus, wie dem in Haßfurt, die besten Chancen. Denn dort sei er auf der Inneren zunächst einmal auch für vieles zuständig, was nicht 100-prozentig in seinen Fachbereich fällt. Ein junger Arzt lernt dort ganz automatisch, sich mit benachbarten medizinischen Bereichen, zum Beispiel der Neurologie oder der Urologie zu beschäftigen. Wenn Fragen aus solchen Bereichen auftauchen, muss er sich darum kümmern. Er muss Antworten beim entsprechenden Fach-Kollegen in einer anderen Klinik einzuholen. Es kommt nicht einfach ein Arzt aus einem anderen Stockwerk im selben Haus und übernimmt den Fall.

    „Ich begleite hier die Patienten als Arzt und gebe sie nicht ständig ab in andere Hände“, macht Vetter deutlich, wie sich das auch auf die Menschen auswirkt, die sie und ihre Kollegen behandeln. „Das macht unseren Job doch auch aus: für die Patienten da zu sein, und für deren Angehörigen“, meint Goma. Da hilft es sicherlich, wenn das Arbeitsklima unter dem Krankenhauspersonal so gut ist, wie es beide junge Ärzte mehrmals im Gespräch hervorheben. Für Goma ist es sogar das schlagende Argument, welches er angehenden Medizinern nennen würde, müsste er sie während ihres Studiums davon überzeugen, später in einem kleineren Krankenhaus statt in einer Großklinik zu beginnen. Seine Kollegin führt den Vorteil an, dass sie in Haßfurt ihre komplette Fachausbildung für Innere Medizin absolvieren kann. „Wir können dort alles mitmachen“, sagt sie, beispielsweise auch beim Notarzt mitfahren, um das kennenzulernen. In großen Häusern sei dies oft komplizierter, weiß sie.

    Auf der anderen Seite ist klar: Wer sich beispielsweise als Chirurg ausbildet, der kommt nicht umhin, in einer großen Klinik zu beginnen. Und auch die regelmäßigen, internen Fortbildungsmöglichkeiten sind in einem Krankenhaus wie in Haßfurt weniger umfangreich, wie etwa in einer Uni-Klinik. Dies gilt auch für den regelmäßigen Austausch mit örtlichen Allgemeinärzten, schildert Vetter. Dies könne ihrer Meinung nach noch verbessert werden. Medizinische Geräte dagegen vermissen weder sie noch ihr Kollege: Das Haßfurter Krankenhaus sei gut ausgestattet.

    „Nach meinem Studium dachte ich: ,Ich bin Arzt, habe aber keine Ahnung.‘“

    Manuela Vetter (30), junge Ärztin im Krankenhaus Haßfurt

    Als positiv empfinden beide, dass für sie in der Inneren Zwölf-Stunden-Schichten gelten und sie keine 24 Stunden am Stück Dienst (inklusive Bereitschaftszeiten im Krankenhaus) schieben müssen, wie es für Chirurgen üblich ist, teilweise aber auch in anderen Kliniken noch immer gang und gäbe ist. Dank des deutschlandweit geltenden Tarifgehalts hat für sie der Verdienst keine Rolle gespielt bei ihrer Entscheidung, ob sie lieber in einem großen oder kleinen Krankenhaus arbeiten möchten.

    Einen Vorteil eines kleinen Hauses sehen Vetter und Goma dagegen bei den Arbeitszeiten. Sie hätten eher die Chancen, Überstunden ausbezahlt zu bekommen.

    Das Krankenhaus in Haßfurt ist ein im Vergleich mit großstädtischen Kliniken kleines Haus. Für junge Assistenzärzte muss dies kein Nachteil sein. Im Gegenteil: Sie lernen dort eine Bandbreite ärztlicher Arbeit kennen, die sie in einem großen Krankenhaus nicht unbedingt erleben.
    Das Krankenhaus in Haßfurt ist ein im Vergleich mit großstädtischen Kliniken kleines Haus. Für junge Assistenzärzte muss dies kein Nachteil sein. Im Gegenteil: Sie lernen dort eine Bandbreite ärztlicher Arbeit kennen, die sie in einem großen Krankenhaus nicht unbedingt erleben. Foto: Fotos: Haßberg-Klinken, Anna Baum

    Bereut haben Vetter und Goma ihre Berufswahl ebenso wenig, wie ihre Entscheidung für eine Stelle in Haßfurt. Auch wenn der Start nach dem Studium für beide eine 180-Grad-Wende darstellte, wie sie schildern. An der Uni stand trotz aller Praktika vor allem die Theorie im Vordergrund. Vetter gibt zu: „Nach meinem Studium dachte ich: ,Ich bin Arzt, habe aber keine Ahnung.‘“

    Wenn es während des Studiums um Krankheiten ging, dann oft um Spezialfälle, „die ich hier im Krankenhaus noch nie gesehen habe“, sagt Goma, der sich diesbezüglich manchmal etwas mehr Erfahrung wünscht. Doch medizinische Spezialfälle landen kaum in Haßfurt. Dafür lernen die jungen Ärzte dort schnell das, was sie an der Uni nicht vermittelt bekommen, was in einem Krankenhaus jedoch fest zum ärztlichen Handwerkszeug gehört: Arztbriefe schreiben, oder das Dosieren von Medikamenten. „Die Uni ist halt nicht immer das einzig Wahre“, stellt Vetter fest. Sie rät Medizinstudenten, für ihr viermonatiges Praktikum (Famulatur) ein kleines Krankenhaus zu wählen, „dort machst du alles mit“.

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