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Königsberg: Königsberg: Corona-Masken aus alten Fanschals des FC Bayern München

Königsberg

Königsberg: Corona-Masken aus alten Fanschals des FC Bayern München

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    Bayern-Trainer Hans-Dieter "Hansi" Flick mit einer Mund- und Nasenmaske - hier vor dem Bundesliga-Gastspiel bei Werder Bremen -, wie sie der Königsberger Betrieb Michel aus alten Bayern-Fanschals herstellt.
    Bayern-Trainer Hans-Dieter "Hansi" Flick mit einer Mund- und Nasenmaske - hier vor dem Bundesliga-Gastspiel bei Werder Bremen -, wie sie der Königsberger Betrieb Michel aus alten Bayern-Fanschals herstellt. Foto: Tim Groothuis

    Dreimal stand es um die Lohnnäherei der Firma Michel in Königsberg in jüngster Vergangenheit nicht zum Besten. Dreimal waren es glückliche Umstände, die dafür sorgten, dass es doch mit der Firma weiterging. Und jetzt? „Wir werden den Standort weiter ausbauen und zusätzliche  Mitarbeiter aufbauen“, sagt der Geschäftsführende Gesellschafter Markus Belte. Der Laden läuft, er kann gar nicht so viele Näherinnen bekommen, wie er einstellen möchte. Daran ist Corona nicht ganz unschuldig. Am Fast-Aus wie auch am plötzlichen Aufschwung. Und auch der FC Bayern München hat ein Wörtchen dabei mitgeredet.

    Aber der Reihe nach. Die in Königsberg ansässige Lohnnäherei war vor Corona ein Begriff für die Herstellung von Designer-Damenoberbekleidung. Allerdings stand das Unternehmen vor zwölf Jahren vor der Insolvenz. Die Ehefrau von Markus Belte ist die bekannte Münchner Modedesignerin Christina Duxa. Er selbst stammt beruflich eigentlich aus der Zulieferbranche für die Automobilindustrie, ist derzeit Chef einer Ideenschmiede für diese Sparte in Paderborn und hat selbst eine Technologie im Bereich Leichtbau entwickelt, die weltweit im Bau von Premiumautos eingesetzt wird. Seine Gattin ließ ihre Entwürfe bis dahin immer in Königsberg produzieren. Und als dieser Firma plötzlich das Aus drohte, sprang Markus Belt kurzentschlossen ein – quasi seiner Frau zuliebe, damit die ihre bewährte Näherei nicht verlor – und übernahm den Betrieb.

    Die Näherei Michel in Königsberg stellt aus alten FC Bayern-Fanschals Gesichtsmasken her. Inhaber Markus Belte präsentiert hier den "Rohstoff" und trägt selbst das fertige Produkt..
    Die Näherei Michel in Königsberg stellt aus alten FC Bayern-Fanschals Gesichtsmasken her. Inhaber Markus Belte präsentiert hier den "Rohstoff" und trägt selbst das fertige Produkt.. Foto: Wolfgang Sandler

    20 Näherinnen und etwa zehn Teilzeitkräfte der Firma Michel - der Name stammt noch vom Gründer Günther Michel - fertigten weiter Damenmode. Die Designer – nicht nur Christina Duxa - schickten Schnitte und Stoffe an die Königsberger Firma, wo dann Jeans, Blusen und Kostüme in kleiner Stückzahl für die verschiedensten Präsentationen angefertigt wurden. Die Serienproduktion der Oberbekleidung fand aus Kostengründen dagegen zumeist im Ausland statt.

    Dann kam Corona und alles wurde anders. Die bisherigen Kunden nahmen die bestellte Ware nicht mehr ab, da sie selbst aufgrund der Pandemie schließen mussten, zahlten ihre Rechnungen nicht. Die Firma Michel beantragte wie viele andere Unternehmen auch Kurzarbeit bis zum Jahresende. War das nun das Aus für das Königsberger Unternehmen?

    Aus alt mach neu: Aus Fanschals des FC Bayern stellt die Näherei Michel in Königsberg Gesichtsmasken her.
    Aus alt mach neu: Aus Fanschals des FC Bayern stellt die Näherei Michel in Königsberg Gesichtsmasken her. Foto: Wolfgang Sandler

    Nein, denn dann kam „die volle Kehrtwende“, so Markus Belte. „Senioren- und Pflegeheime, die Lebensmittelbranche aber auch Einzelpersonen haben uns geschrieben oder angerufen, ob wir Gesichtsmasken herstellen." Für Belte und seine Firma zu dem Zeitpunkt noch unvorstellbar. Designermode und Gesichtsmasken? Wie sollte das zusammengehen? Doch die Anfragen häuften sich und Markus Belte ließ nun doch erste Prototypen entwerfen. Die Serienproduktion lief an. Etwa 5000 Masken verließen den Betrieb täglich. „Wir hatten insgesamt nur einen Tag Kurzarbeit. Anschließend haben wir jeden Tag – auch feiertags – von 8 bis 18 Uhr durchgearbeitet.“

    Der Markt brach zusammen

    Dann kam der nächste Tiefschlag. „Ich kann mich noch genau erinnern“, sinniert Markus Belte. „Es war ein Montag Mitte April. Die Regierung hatte die Maskenpflicht eingeführt – und ab dem Moment ging gar nichts mehr. Als ob alle sich mit Masken komplett eingedeckt hätten. Der Markt brach in sich zusammen.“ Dabei hatte Michel sich eine gute Klientel aufgebaut. „Wir hatten sogar Krankenhäuser als Kunden gewinnen können. Die medizinischen Masken verwendeten die Kliniken für rein medizinische Einsätze wie OPs, für das übrige Personal wurden Community-Masken verwendet.“ Jedenfalls stand das Unternehmen erneut – und diesmal wie aus heiterem Himmel – mit dem Rücken zur Wand.

    Das waren einmal Fanschals für das Champions-League-Rückspiel FC Bayern München gegen FC Chelsea. Zum Wegwerfen zu schade, fanden die Bayern-Verantwortlichen und wandten sich an die Näherei Michel in Königsberg, die daraus Gesichtsmasken upcycelt.
    Das waren einmal Fanschals für das Champions-League-Rückspiel FC Bayern München gegen FC Chelsea. Zum Wegwerfen zu schade, fanden die Bayern-Verantwortlichen und wandten sich an die Näherei Michel in Königsberg, die daraus Gesichtsmasken upcycelt. Foto: Wolfgang Sandler

    „Am 30. April meldete sich eine Marketing-Agentur“, berichtet Belte vom sich plötzlich auftuenden Silberstreif am Horizont. Am Anfang hätten alle recht geheimnisvoll getan, bis die Katze endlich aus dem Sack war. Der FC Bayern München stand da mit rund 80 000 Fanschals für das Fußball-Champions-League-Rückspiel gegen den englischen Verein FC Chelsea. Das Hinspiel hatten die Münchner mit 3:0 Toren in London gewinnen können, bevor jedoch das Rückspiel steigen konnte, war die Pandemie dazwischengegrätscht. Das Spiel ist inzwischen neu terminiert und findet am 8. August um 21 Uhr in München statt - aber ohne Zuschauer im Stadion, die die Fanschals tragen könnten. Die Verantwortlichen des Rekordmeisters – allen voran Jörg Wacker, Vorstand für den Bereich Merchandising und Lizenzen der FC Bayern München AG – und die Leute von der Agentur „Act.3“ hatten sich deshalb überlegt, es sei doch zu schade, 80 000 Schals in die Tonne zu treten. Daher fragten sie – parallel zu einer Näherei in Bayreuth – bei der Firma Michel an, ob diese sich in der Lage sehe, aus diesen Schals Masken herzustellen.

    "Das war echt ein Erlebnis, aus den Schals diese Masken zu fertigen."

    Markus Belte, Geschäftsführender Gesellschafter

    „Wie sollte das denn gehen?“, so Markus Belte. Er habe sich zu dem Zeitpunkt überhaupt nicht vorstellen können, wie ein Schal zu zerschnippeln sei, damit am Ende eine brauchbare Gesichtsmaske entstehen könnte. Aber die Königsberger fanden eine Lösung und die Produktion konnte beginnen. Zunächst waren nur 18 000 Masken geplant, dann 30 000. Schließlich wurden es 260 000 „WeKickCorona—Masken“, die weltweit rasenden Absatz fanden. Innerhalb von 48 Stunden nach dem Start der waren 180 000 Stück verkauft – und aufgrund der Zusammensetzung jedes ein Unikat. „Das war echt ein Erlebnis“, so Markus Belte, „aus den Schals diese Masken zu fertigen.“

    Gewinn für Aktion "WeKickCorona"

    Der Gewinn des Maskenverkaufs landet übrigens nicht in den Kassen des FC Bayern, sondern kommt der Aktion „WeKickCorona“ zugute, die von den beiden Bayern-Spielern Leon Goretzka und Joshua Kimmich mit einer Spende von spontan jeweils einer halben Million Euro ins Leben gerufen wurde. Die Aktion unterstützt karitative Vereine und soziale Einrichtungen aus allen gesellschaftlichen Bereichen. Angefangen von Tafeln über Krankenhäuser bis hin zur lokalen Obdachlosenhilfe oder Blutspendedienste, die gerade jetzt auf Hilfe angewiesen sind. Bislang wurden über fünf Millionen Euro überwiesen.

    Berni-Maske als Krönung

    Die Krönung der Maskenherstellung in Königsberg war aber die Maßanfertigung einer Mund- und Nasenmaske für Maskottchen Berni. „Eines Morgens“, erzählt Markus Belte, habe ihn sein Kontaktmann vom FC Bayern angerufen: „Ich schicke Dir den Kopf vom Berni rüber.“ Die Königsberger sollten dem auch eine Maske verpassen. Klar, die Vorbildwirkung eines Maskottchens ist nicht zu unterschätzen. „Ich musste allerdings erst einmal googeln“, gesteht Belte im Gespräch mit dieser Redaktion, „was ein Berni ist.“ So genau habe er sich in der Fußballwelt denn doch nicht ausgekannt, bis der Bär persönlich in Königsberg auftauchte.

    „Die nachhaltige Verwertung von vorhandenen Produkten. Für uns ein superinteressanter Geschäftsbereich.“

    Markus Belte, Geschäftsführender Gesellschafter

    „Das hat aber alles superviel Spaß gemacht“, sagt Belte im Rückblick. Und damit war aber gleichzeitig ein neuer Markt geboren, ein neues Geschäftsfeld. „Die nachhaltige Verwertung von vorhandenen Produkten. Für uns ein superinteressanter Geschäftsbereich“, den Markus Belte gleich ausgebaut hat. Was aus der Versorgungsnot heraus mit der Hinwendung zur Maskenfertigung angefangen hatte, soll künftig mit „hochwertigen Community-Masken mit Schutzwirkung“ fortgesetzt werden. Folglich wird die bisherige Produktion von Designermode künftig nur noch etwa ein Drittel des Geschäftsbereichs von Michel ausmachen.

    Masken mit antiviralem Innenvlies

    „Zudem werden wir weiter in die Entwicklung und Produktion von  Atemschutzmasken investieren und diesen Bereich massiv ausbauen“, so Belte. Die Königsberger haben inzwischen diese Masken weiterentwickelt. Zum Beispiel durch ein innenliegendes antivirales Vlies, das sowohl den Träger der Maske schützt als auch sein Gegenüber, indem es durch ihre negative Ionisation Viren und Bakterien zerstört. Auch der Tragekomfort wurde vor allem im Blick auf die Menschen, die ihren Schutz täglich für längere Zeit tragen müssen, deutlich verbessert.

    Betriebsleiter Stefan Hückmann in der Näherei Michel in Königsberg mit Gesichtsmasken aus alten Bayern-Fanschals. Hückmann trägt selbst eine FCB-Gürteltasche, die mit einem antiviralen Vlies ausgekleidet ist. Das prädestiniert sie für die ideale Aufbewahrung und ständige Bereithaltung einer Gesichtsmaske.
    Betriebsleiter Stefan Hückmann in der Näherei Michel in Königsberg mit Gesichtsmasken aus alten Bayern-Fanschals. Hückmann trägt selbst eine FCB-Gürteltasche, die mit einem antiviralen Vlies ausgekleidet ist. Das prädestiniert sie für die ideale Aufbewahrung und ständige Bereithaltung einer Gesichtsmaske. Foto: Wolfgang Sandler

    Markus Belte hat den von Bayern München entwickelten Gedanken inzwischen auch weitergedacht und viele andere Bundesligavereine und Unternehmen angesprochen oder ist gar schon mit ihnen ins Geschäft gekommen. Upcycling heißt das Zauberwort. Es müssen nicht immer Fanschals sein, aus denen etwas Neues geschaffen wird. Ob Fußballtrikots aus der Vorsaison oder Berufskleidung mit einem veralteten Logo. Die Königsberger Näher fertigen daraus neben Masken auch Gürteltäschchen – in denen die Maske griffbereit mitgeführt werden kann –, Taschen für Laptops, Schminktäschchen, Schlampermäppchen, Fahrradtrikots – den Verwendungsmöglichkeiten sind keine Grenzen gesetzt. Und nicht zuletzt einen weiteren positiven Nebeneffekt hat diese Entwicklung, so Markus Belte. Die deutsche Textilindustrie dürfte künftig wieder deutlich mehr Aufträge für die inländische Produktion bekommen, prophezeit der Geschäftsführer. Die Näherei Michel in Königsberg ist jedenfalls bestens darauf vorbereitet.

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