Monitore piepen, Alarme schrillen, der Bettnachbar plaudert angeregt mit seinen Besuchern: Lärm im Krankenhaus, wo sich Patienten erholen sollen, ist ein von der Gesundheitspolitik ernst genommenes Thema. In Haßfurt geht es nun aber um den Lärm, den die Menschen, die im Umfeld des Krankenhauses wohnen, aushalten müssen. Oder eben nicht. Ein Grundstücksnachbar klagt über zu viel Krach. Er hat bei der Regierung von Unterfranken eine Aufsichtsbeschwerde über jene Behörde eingereicht, die seiner Überzeugung nach die Lärmbeeinträchtigungen abstellen müsste: das Landratsamt Haßberge.
Strenge Grenzwerte für reine Wohngebiete
Das Anwesen des Beschwerdeträgers liegt, wie das Krankenhaus selbst, westlich der grob Nord-Süd-verlaufenden Hauptverkehrsachse Hofheimer Straße. Hier ist ein relativ kleines Areal als reines Wohngebiet im Bebauungsplan "westlich Krankenhaus" ausgewiesen, wie Bürgermeister Günther Werner der Redaktion bestätigten konnte. Tatsache ist: Innerhalb eines reinen Wohngebietes gilt ein strenger Schallschutz, den auch außerhalb liegende Lärmquellen nicht verletzen dürfen. In reinen Wohngebieten darf der Lärm gemäß Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG) tagsüber 50 Dezibel (A) und nachts 35 Dezibel (A) nicht überschreiten. Zum Vergleich: In Mischgebieten gelten am Tag 60 Dezibel und nachts 45 Dezibel, in Gewerbegebieten sind es 65 respektive 50 Dezibel.
Auf den ersten Blick mögen sich die angegebenen Werte nur geringfügig unterscheiden, aber das ist ein Irrtum. Die Skala, die dem Lärm (genau genommen dem Druck, den der Schall etwa auf das Trommelfell ausübt) eine Dezibel-Wert zuordnet, verändert sich im logarithmischen Maßstab. Das bedeutet: Das menschliche Ohr empfindet ein Plus von zehn Dezibel als annähernd doppelt so laut.

Der in seiner Ruhe gestörte Nachbar will in den letzten Jahren immer wieder mit eigenen Messungen massive Verletzungen der Schallschutzrichtlinien seitens des Krankenhauses festgestellt haben, ohne Weiteres in der oben genannten 10-Dezibel-Größenordnung und darüber hinaus. Er und seine Angehörigen fühlen sich deshalb in ihrer Lebensqualität erheblich beeinträchtigt. Weil seine Vorstöße bei den Haßberg-Kliniken als Krankenhausbetreiber und dem Landratsamt als untere Bauaufsichts- und Immissionsschutzbehörde nichts gefruchtet hätten, habe er nun zum Mittel der Aufsichtsbeschwerde bei der Regierung gegriffen.
Wirtschaftshof und Rückkühlungsanlage als Quellen des Lärms
Aber wo soll der Krach aus dem Krankenhaus herkommen? Der Nachbar nennt in erster Linie zwei Quellen: Den Wirtschaftshof und die 2017 installierte Rückkühlungsanlage, die das Krankenhausgebäude und seine technischen Einrichtungen wie den Magnetresonanztomographen kühlt.
Über den Wirtschaftshof "hinter dem Krankenhaus", also westlich des OP-Traktes, wird in erster Linie die Ver- und Entsorgung der Klinik abgewickelt. Hier kann es laut werden, wenn Lkw an- oder abfahren und beim Be- oder Entladen die Motoren laufen lassen. Und richtig laut, wenn zum Beispiel die Altglascontainer geleert werden. Beides soll auch in den Abend- oder frühen Morgenstunden vorgekommen sein, behaupten die Beschwerdeträger.
Nicht jede Richtwertüberschreitung ist ein Verstoß
Dass "Geräuschentwicklungen sicher vorhanden sind", bestreiten weder Klinik noch Landratsamt. Die Krankenhausverwaltung hat nach Gesprächen mit Nachbarn und Absprachen mit Lieferanten eigenen Angaben zufolge mittlerweile aber strengere Maßstäbe angelegt, als es das Gesetz verlangt. Lieferverkehr finde werktags nur noch zwischen 8 und 17 Uhr statt; wenn nicht technisch notwendig (wie etwa bei Einhaltung von Kühlketten), sei das Laufenlassen des Motors untersagt. Und auch die Mitarbeiter der Klinik dürften die Müllcontainer werktags nur noch von 8 bis 17 Uhr und an den Wochenenden von 9 bis 14 Uhr nutzen. Allerdings betont das Bauamt Haßberge auch, dass nicht jede Richtwertüberschreitung automatisch einen Verstoß darstellt. Denn Lärm werde über einen bestimmten Betrachtungszeitraum gemittelt, "um Lärmspitzen und Ruhephasen angemessen zu berücksichtigen".
Rückkühlung läuft nur noch mit verminderter Kraft
Auch was das Brummen des im Werkhof errichteten Rückkühlungssystems anbelangt, welches besagte Nachbarn als teilweise unerträglich empfinden, wollen die Haßberg-Kliniken inzwischen gehandelt haben: Nachts und während der Ruhezeiten laufe die Anlage zur Abdeckung des gesamten Krankenhaus-Kältebedarfs nur noch mit 50 Prozent, und auch am Tage "deutlich unter den Vorgaben", sprich nur noch im Teillastbetrieb von 60 Prozent. Spekulationen darüber, dass die Anlage schallschutzrechtlich gar nicht genehmigt sein könnte, ihr Betrieb also nicht rechtens wäre, "weisen wir entschieden zurück", antwortete Landratsamtssprecherin Moni Göhr auf eine Anfrage der Redaktion. Denn die installierte Anlage vom Typ WAUL 5G2A SPL der Firma Trane Roggenkamp sei weder nach dem Baurecht noch nach dem Immissionsschutzrecht genehmigungspflichtig. Der Betreiber müsse eigenverantwortlich den Schallschutz sicherstellen, eine Prüfung durch das Landratsamt etwa im Rahmen eines Zulassungsverfahrens ist Göhrs Worten zufolge nicht verlangt.
Noch mehr Schall durch neuen OP-Trakt?
Ungeachtet dessen macht sich der Krankenhaus-Kritiker Sorgen, was passiert, wenn in absehbarer Zeit das Krankenhaus um den neuen OP-Trakt erweitert wird. Kann dann der Rückkühler weiter gedrosselt bleiben - oder muss er hochgefahren werden? Und überhaupt: Wer sorgt für den Lärmschutz, wenn die Baumaßnahmen beginnen? Und wird das Krankenhaus insgesamt nicht nur größer, sondern gegenüber seiner Umgebung auch immer lauter?

Diese Fragen aufgreifend, verspricht das Bauamt, bei den Bauarbeiten die Belästigungen für die Nachbarschaft so gering wie möglich zu halten. "Für den Neubau ist bereits seit Beginn der Planungen Anfang 2018 ein Ingenieurbüro eingebunden, das den Bereich des Schallschutzes begutachtet, und die notwendigen Maßnahmen zur Einhaltung aller gesetzlichen Vorgaben überwacht." Hierbei würden alle Immissionsorte des Neubaus untersucht und im gleichen Zuge das Krankenhaus in seiner Gesamtheit betrachtet.
Jetzt muss die Regierung prüfen
Ob das jetzt und in Zukunft alles reicht, das muss nun die nächsthöhere Instanz entscheiden. Johannes Hardenacke, Sprecher der Regierung von Unterfranken (Würzburg), bestätigte gegenüber der Redaktion den Eingang einer "umfangreichen Sach- und Dienstaufsichtsbeschwerde" in seinem Hause Mitte November. Behandelt werde die Eingabe als Aufsichtsbeschwerde über das Landratsamt Haßberge, das man um Stellungnahme und Aktenvorlage gebeten habe. Wegen der Corona-Pandemie und angesichts der komplexen Materie hat das Landratsamt Fristverlängerung bis Ende Januar bekommen.
Der Rest der Nachbarschaft scheint es lockerer zu nehmen
Wie die Redaktion erfahren hat, wollten sich die anderen Nachbarn im reinen Wohngebiet "westlich Krankenhaus" einer vom Beschwerdeträger vorgeschlagenen gemeinsamen Aktion gegen den Lärm nicht anschließen. Das mag damit zusammenhängen, dass sich der Schall mit der Entfernung, mit der Art der Bebauung oder der Geländebeschaffenheit stark verändert. Und zudem damit, dass das Lärmempfinden sehr subjektiv ist. Dass das Summen der Kühlanlagen lästig sei, war von den Menschen der näheren Umgebung ebenso zu hören wie die Aussage, man fühle sich in keinster Weise gestört. Klar gehe es auf dem Wirtschaftshof manchmal lauter zu, aber damit müsse man neben einem Krankenhaus eben leben, sagten die einen. Und die anderen wünschten sich, dass der Lieferverkehr künftig wenigstens zu "christlichen Zeiten" stattfinden wird. Bleibt abzuwarten, wie die Regierung von Unterfranken das alles bewertet.

