Er ist wohl das Wahrzeichen Australiens, der größte Stein der Welt und eines der beeindruckendsten Dinge, die ich auf meiner Reise sehen werde: der Ayers Rock, auch „Uluru“ genannt oder einfach nur „The Rock“.

Das Problem: Von allen großen Städten Australiens aus liegt er entweder einen mehrere Hundert Dollar teuren Flug oder mindestens eine 20-stündige Busfahrt entfernt. Von Adelaide aus entscheide ich mich für den wesentlich günstigeren Bus. Man benötigt 20 Stunden, um nach Alice Springs, der nächstgelegenen größeren Stadt, zu kommen. Am nächsten Morgen steige ich in einen anderen Bus, der mich 400 Kilometer weiter und in die Nähe des Steines bringt.
Aber erst mal der Reihe nach: Ich habe eine Tour gebucht. Leider hat mir die Zeit gefehlt, um nach Mitreisenden zu suchen. Gegen Mittag komme ich in Alice Springs an. Der in der Mitte Australiens liegenden 25 000-Einwohner- Stadt wird eine hohe Kriminalität nachgesagt. Längere Zeit als den Nachmittag vor der Tour und den Abend danach wolle dort niemand verbringen, das wurde mir oft gesagt. So gab ich meinen Plan, einige Zeit in Alice Springs zu arbeiten, sehr schnell auf.
Kleine Kunstgalerien
Doch erst einmal angekommen in der Stadt, die fast drei Mal so weit von der Küste entfernt ist wie Haßfurt von der Nordsee, bin ich angenehm überrascht. Die Leute sind überaus freundlich. Es gibt viele große Einkaufszentren, einen Botanischen Garten und jede Menge Bars. Was mir besonders gefällt, sind die zahlreichen kleinen Kunstgalerien, in denen Ausstellungen der Ureinwohner zu sehen sind und einzelne Stücke erworben werden können. Ich nehme mir vor, die Stadt nach der Tour noch einmal genauer anzusehen.
Am nächsten Morgen werde ich gegen 5.30 Uhr von einem Kleinbus abgeholt. Es ist sehr kalt. Durch die fehlende Küste kann es in den Wintermonaten sogar auf Minusgrade abkühlen. Nach einer vierstündigen Busfahrt kommen wir am Kings Canyon an. Eine knapp zweistündige Wanderung führt, auch über viele Stufen, auf die Klippen der unbeschreiblich hohen Schlucht.
Von dort aus genieße ich den atemberaubenden Blick über die rote Landschaft. So rot, wie der Sand hier ist, so rot war er nicht einmal an der Westküste. Laut Connor, unserem Führer, haben sämtliche Felsen und auch der Sand ihre charakteristische Farbe durch die Wechselwirkung von Sonne und Regen erhalten: sie rosten. Später, in der Schlucht, befindet sich der sogenannte Garten von Eden. Dort sind Palmen, viele andere Pflanzen und ein Wasserloch.

Der Kings Canyon ist wunderschön und beeindruckend, jedoch auch nicht viel mehr als eine größere, touristischere Version der Nationalparks an der Westküste. In den nächsten zwei Tagen ist noch viel Luft nach oben. Vor dem nächsten Tag kommt jedoch erst mal der Abend. In einem abgelegenen Buschcamp schlagen wir unser Lager auf. Gemeinsam kochen wir über dem Lagerfeuer, wir backen Brot in der heißen Kohle, und wir legen uns schließlich in unseren Swags schlafen.
Ein Swag ist ein Zelt, das eine Art zweiten Schlafsack mit eingebauter Matte bildet. Es hält sehr warm. Trotz der Temperaturen um den Gefrierpunkt friere ich in dieser Nacht kaum. Eine Nacht unter freiem Himmel im Outback war ganz oben auf meiner Wunschliste gestanden. Leider war der Mond aber viel zu hell, um den gigantischen Sternenhimmel, wie er oft auf Bildern gezeigt wird, sehen zu können.

Am nächsten Morgen brechen wir gegen 7 Uhr auf, um Kata Tjuta (zu Deutsch: viele Felsen) zu besuchen. Diese Felsen werden auch Olgas genannt.
Weil auch nur unweit vom Ayers Rock gelegen, sieht diese Felsformation beeindruckend aus. Wie Ostereier in einem Nest liegen die einzelnen Felsen nebeneinander.
Wie schon am Vortag, absolvieren wir zunächst eine circa zweistündige Wanderung. Zwischen den einzelnen, bis zu 500 Meter hohen Ostereiern dann zu stehen, ist unbeschreiblich beeindruckend. Noch einen kleinen Hügel weiter nach oben, dann stehen wir auf einem Aussichtspunkt, von dem aus wir zwischen den Felswänden hindurch schauen können.
Wieder am Parkplatz angekommen, erwartet Connor uns mit Snacks. Dann geht es los. Wir machen uns auf den Weg zum größten Stein der Welt. Zwar ragt dieser nur 300 Meter aus dem Erdboden heraus. Unter der Erdoberfläche erstreckt er sich jedoch weitere 6500 Meter in die Tiefe. Das ist ein Fakt, den ich kurz auf mich wirken lassen muss. Zum Vergleich: Via Luftlinie ist Haßfurt von Königsberg sechs Kilometer entfernt.
Und als wir auf „The Rock“ zufahren und auch ich dann vor ihm stehe, und als wir dann in die einzelnen Höhlen laufen, da kann ich verstehen, wieso Uluru als eines der Wahrzeichen Australiens gilt. Es sind nicht die 50 Reisegruppen, die gleichzeitig um den Felsen herumschwirren, es ist auch nicht der Visitor Center, in dem die Mythologie der Ureinwohner anhand des Ayers Rock erklärt wird, es ist einfach der Ayers Rock selbst.

Dies soll mir am nächsten Morgen besonders bewusst werden. Wir beschreiten bei Sonnenaufgang einen circa zehn Kilometer langen Weg um den Stein herum. In dem Moment, in dem die ersten Sonnenstrahlen auf die Oberfläche treffen, beginnt dieses rote, rostige und auch etwas bröckelige Gestein zu reflektieren. Grellrot, in dieser Farbe erstrahlt der Felsen nun. Ich bin beeindruckt, so stark hätte ich diesen Effekt nicht erwartet.
Wir beenden den ,,Base Walk“. An einigen Stellen haben wir den Felsen so nahe passiert, dass wir ihn berühren konnten. Bleibt nur noch eine Frage: Was ist mit dem Pfad, der auf den Stein führt?
Doch just in der Zeit, die ich am Ayers Rock verbringe, ist dieser Weg gesperrt. Grund: Vor wenigen Wochen verstarb einer der wichtigsten Ureinwohner aus einem der umliegenden Stämme. Aber selbst wenn er begehbar gewesen wäre, wäre ich vermutlich nicht geklettert. Erstens: Der Weg war nicht im Tourprogramm vorgesehen. Zweitens: Es ist ziemlich gefährlich, den Felsen zu besteigen. Bereits 35 Leute sind gescheitert und tödlich verunglückt. Drittens: Es wird von den Ureinwohnern ausdrücklich darum gebeten, von dem Pfad abzusehen und den Felsen lediglich von unten zu bestaunen. Denn es widerspricht ihrer Mythologie, auf heilige Stätten zu klettern.
Indes: Ich glaube, ich behalte den Ayers Rock besser in Erinnerung dadurch, dass ich ihn nur von unten gesehen habe.
Beeindruckendes Wahrzeichen
Letztendlich habe ich einen Ort erlebt, an dem trotz des großen touristischen Ansturms auf die Bedürfnisse der Ureinwohner geachtet wird. Ich habe einen Ort erlebt, an dem die Natur mit Respekt behandelt wird. Es ist eben ein Ort, den ich guten Gewissens als ein beeindruckendes Wahrzeichen Australiens bezeichnen kann.