Bayern möchte bis 2040 klimaneutral sein, der Landkreis Haßberge bereits 2030. Zu diesen selbsternannten Zielen kommen Vorgaben des Bundes wie das "Wind-an-Land-Gesetz". Es verpflichtet alle Bundesländer deutlich mehr Fläche als bisher für die Windenergienutzung bereitzustellen. Jeder Landstrich ist in der Pflicht. Und so schickt sich auch der Haßbergkreis an, neue Windräder zu bauen, mindestens 20 sollen es sein.
Doch Windräder bauen wollen und bauen können sind zwei Paar Stiefel. Man denke an die vielen Bürgerinitiativen gegen geplante Windparks. Wie also Standorte finden, die sich von ihrer naturgeografischen Ausstattung eignen, die rechtlichen Rahmenbedingungen erfüllen und politisch durchsetzbar sind? Das hat der Redaktion bei der GUT Haßberge, dem Landratsamt Haßberge und der Regierung von Unterfranken erfragt. Hier die Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Rein von Landschaft und Wind her: Wo bietet sich Windkraftnutzung im Landkreis an?
"Je höher, desto besser", sagt GUT-Geschäftsführer Marco Siller. Die Höhenzüge der Haßberge und des Steigerwaldes bringen die beste Eignung für Windenergienutzung mit sich. Hier oben blasen die Winde stärker als unten in Tal und Gäuflächen. Allerdings: Windräder werden immer höher, ihre Rotoren ragen deshalb in Bereiche höherer Windgeschwindigkeit hinauf. Das macht offenbar auch ihre Nutzung im Maintal rentabel. So etwa im Falle des Windkraftgebietes WK 19 "Westlich Dampfach", das auf Gemarkung der Gemeinden Theres, Grettstadt und Donnersdorf entstehen soll.
Rechtlich möglich: Warum nicht einfach "Windmühlen" in die Naturparke bauen?
Im Februar sind Änderungen im Bundesnaturschutzgesetz in Kraft getreten. Damit ist möglich, was zuvor unvorstellbar erschien: Von nun an können Windenergieanlagen in Landschaftsschutzgebieten errichtet werden; ein in gleiche Richtung gehendes "Zonierungskonzept" des Landkreises wurde damit im letzten Herbst hinfällig. Doch damit sind die Standorte "oben auf den Höhen" und fernab von Siedlungen nicht automatisch gefunden. Es gibt viele weitere Hürden für potenzielle Windparks. Der Steigerwald ist hierfür ein eindrucksvolles Beispiel: Innerhalb der Landkreisgrenzen gilt hier praktisch überall europäischer Vogelschutz, der Windräder definitiv ausschließt.
Ob Steigerwald, ob anderswo, es kommt hinzu: Ungeachtet der Veränderungen im Bundesnaturschutzgesetz sind Windenergieanlagen nach jetzigem Rechtsstand in der Planungsregion Main-Rhön außerhalb der im Regionalplan festgelegten Vorrang- und Vorbehaltsgebiete für Windkraftnutzung unzulässig. Der Planungsverband müsste also erst zustimmen, beziehungsweise den Regionalplan ändern. Die Planungsregion Main-Rhön setzt sich aus den Landkreisen Bad Kissingen, Haßberge, Rhön-Grabfeld sowie Schweinfurt Stadt und Land zusammen.
Wo die Suche beginnt: Der Bayerische Windatlas
Wichtigstes Instrument der Planung ist der für jede Person im Internet einsehbare Energieatlas der Bayerischen Staatsregierung. Hier lassen sich im Bayerischen Windatlas für jeden beliebigen Kartenausschnitt die Windhöffigkeit und die zu erwartenden Standorterträge ablesen. Experten wie Diplomingenieur Siller können auf diesen Windatlas weitere Karten auflegen: Etwa Gebiete, in denen der Vogel- oder Wasserschutz oder die Gewinnung von Bodenschätzen Vorrang vor der Windkraftnutzung haben. Somit schrumpfen die Flächen, auf denen Windparks realisiert werden können, immer mehr zusammen. Von der Landkreiskarte bleiben da nur noch Puzzlesteine übrig.

Also dann: Wo genau sollen neue Windparks entstehen?
Es sind zunächst jene Flächen, von denen die Öffentlichkeit bereits weiß, dass die Politik sie für Windkraftnutzung ins Auge gefasst hat. Nämlich drei schon vor Jahren vom Planungsverband ausgewiesene Vorrang- beziehungsweise Vorbehaltsgebiete. Als da wären: Das bereits erwähnte WK 19 "Westlich Dampfach" sowie WK 22 "Riedbach" (nördlich Humprechtshausen) und schließlich das Vorbehaltsgebiet WK 64 "Königsberg" zwischen Holzhausen und Rügheim. WK 62 "Bundorf" ist zu klein, es scheidet laut GUT aus. Sie will zehn Windenergieanlagen auf die genannten drei Areale verteilen; wie genau, steht noch nicht fest.
Und wo sollen die verbleibenden 10 bis 15 Windräder hin?
Das ist ein noch streng gehütetes Geheimnis. Marco Siller will erst mit den betroffenen Kommunen, mit den Grundeigentümerinnen und -eigentümern sprechen, ehe der öffentliche Diskurs beginnt. Er ist in letzter Zeit häufig Gast in Gemeinderatssitzungen. Siller wirbt um Akzeptanz für die Windenergieanlagen, räumt Vorbehalte gegen sie aus. Manchmal bekommt er offenbar auch Enttäuschung zu spüren, wenn sich eine bestimmte Ecke des Landkreises nicht als Standort eignet. Aber genau darum geht es der GUT: Ein Gesamtpaket des Windkraftausbaus zu schnüren, mit dem alle Kommunen und der Landkreis als solches einverstanden sind.
Wird es viele Jahre dauern, bis Planende Sicherheit erlangen?
Klar indes ist, dass sich viele neue Windräder drehen sollen, wo heute im Regionalplan noch kein Vorrang- und Vorbehaltsgebiet markiert ist, was aktuell ja unzulässig wäre. Der Planungsverband Main-Rhön muss sie also in sein neues Windkonzept aufnehmen. Die Fortschreibung des Regionalplans läuft bereits, kann aber Jahre dauern. Planenden steht jedoch das Instrument der "isolierten Positivplanung" offen, um vorzeitig Sicherheit für ihr Projekt zu erlangen.

Laut Regierung von Unterfranken indes könnte der Planungsprozess eines Windvorhabens parallel zur Regionalplanänderung zielführender sein, weil schon nach der ersten Anhörung eine "positive Vorwirkung" der Planung einsetze und eine immissionsrechtliche Genehmigung möglich wäre. "Für jede isolierte Positivplanung müsste hingegen eine eigene Regionalplanänderung mit erforderlicher strategischer Umweltprüfung und Beteiligungsverfahren durchgeführt werden, was Personalkapazitäten von der Gesamtfortschreibung abziehen würde", heißt es aus Würzburg. Eine enge, frühzeitige Abstimmung zwischen den Planungen der Gemeinden und Landkreise und dem Windkonzept des Planungsverbandes sei deshalb wichtig.
Worauf kommt es dem Landkreis bei den künftigen Windkraftprojekten an?
GUT Haßberge bedeutet: "Gesellschaft zur Umsetzung erneuerbarer Technologieprojekte im Landkreis Haßberge". Alle 26 Landkreiskommunen und der Landkreis selbst sind Gesellschafter. Die GUT sieht sich als Ideenschmiede des Landkreises für die Energiewende und prüft, welche Projekte realisierbar sind. Zu den Grundsätzen gehört, dass die Region selbst von den regenerativen Energien und den wirtschaftlichen Erträgen daraus profitiert. Schlagwort: "Kommunale Wertschöpfung". Anders ausgedrückt: Es geht darum, auswärtige Investoren fernzuhalten.

Wie lässt sich die kommunale Wertschöpfung verwirklichen?
In dem man Solidargemeinschaften bildet, erklärt Siller. Und zwar dann, wenn sich ein bestimmtes Gebiet als geeignet für Windräder herauskristallisiert hat, die genaue Standortfrage aber noch ungeklärt ist. Dann greift im Idealfall das "Pacht-Pooling-Verfahren". Die Eigentümerinnen und Eigentümer der in Frage kommenden Grundstücke, oft Landwirte und fast immer die Kommunen, bilden eine Pachtgemeinschaft, von der jeder profitieren soll, selbst wenn die Generatoren nicht auf seinem Grund stehen. Ein geeigneter Weg, um viele Beteiligte an Bord zu holen und Neiddebatten zu verhindern.
Wie würde es dann weitergehen?
Pachtgemeinschaften und Kommunen sollen im nächsten Schritt einen Projektentwickler beauftragen. Die GUT selbst steht dafür eher nicht zur Verfügung, sie ist mit Fotovoltaikprojekten ausgelastet. Dann nimmt das Vorhaben konkrete Gestalt an, was Anzahl und Typ der Generatoren, die Mindestabstände, Details der Energieeinspeisung und so weiter anbelangt. Schließlich geht es noch um das Betreibermodell – mit Fokus darauf, dass sich die Bürgerinnen und Bürger des Landkreises Haßberge finanziell beteiligen können – etwa über die Bürgerenergiegenossenschaft Haßberge.
Und wie steht es um den Faktor Zeit?
"Wenn wir die Ausbauziele erreichen wollen, dann müssen wir schnell sein", drückt der GUT-Geschäftsführer aufs Tempo. Spätestens im Sommer will er die infrage kommenden Flächen identifiziert haben, zwei sollten es minimal sein. Sie gehen am besten als gemeinsame Eingabe aus dem Landkreis an den Regionalen Planungsverband Main-Rhön. Wann der neue Regionalplan in Kraft tritt und wann sich neue Windräder im Landkreis drehen können, das indes ist derzeit ungewiss.
Windkraft-Planungen im Landkreis Haßberge: Das Wichtigste im ÜberblickDer Bundesgesetzgeber hat die Länder verpflichtet, bis Ende 2032 verbindlich Flächenbeitragswerte für Windenergiegebiete auszuweisen: in Bayern 1,8 Prozent der Landesfläche. Die Umsetzung in Bayern erfolgt durch die Regionalen Planungsverbände. Für den Landkreis Haßberge ist das der Planungsverband Main-Rhön.Im Juni 2022 hat der Planungsverband Main-Rhön beschlossen, sein Windkraftkonzept mit dem Ziel anzupassen, möglichst viel Windenergienutzung zu ermöglichen. Die Fortschreibung mit bestehenden und neuen Vorrang- und Vorbehaltsgebieten könnte mehrere Jahre dauern. Gegenwärtig arbeitet der Verband am Kriterienkatalog, der darüber entscheidet, welche Flächen zu Potentialgebieten werden und welche nicht. Vom Artenschutz bis zu militärischen Themen sind das über 50 Kriterien, die abgestimmt werden müssen.Für den Landkreis Haßberge und seine 26 Kommunen übernimmt die GUT Haßberge die Suche und Auswahl der neuen Gebiete für Windkraftnutzung. Spätestens im Sommer will die GUT dem Planungsverband ihre Vorschläge vorlegen.Nach neuer Rechtslage muss eine Kommune keinen Bebauungsplan mehr aufstellen, um innerhalb eines Vorrang- oder Vorbehaltsgebietes Windräder zu ermöglichen. Jeder Vorhabenträger kann einen Antrag auf Genehmigung stellen. Windpark "im Off": Wenn ein Windpark außerhalb der bestehenden Vorrang- und Vorbehaltsgebiete entstehen soll, und die Planenden für ihr Projekt Sicherheit noch vor Inkrafttretens des fortgeschriebenen Regionalplans haben wollen, dann gibt es dafür mehrere Möglichkeiten wie die "isolierte Positivplanung". (MS)