Meine Herren, der Führer Adolf Hitler ist tot.“ Oswald Bauernschubert aus Mechenried stand in unmittelbarer Nähe, als Claus Schenk Graf von Stauffenberg diese Worte an seine Mitverschwörer richtete. Der damals 23-Jährige war Bordfunker auf einer kleinen Passagiermaschine und hatte Stauffenberg nach dessen missglückten Anschlag auf Adolf Hitler von der Wolfsschanze nach Berlin geflogen.
„Ich war damals in der Flugbegleitung für den Generalstab eingesetzt“, erklärt der Mechenrieder, der vor kurzem seinen 90. Geburtstag gefeiert hat. Von den Ereignissen im vorletzten Kriegsjahr kann er noch sehr präzise erzählen. Er erinnert sich genau an den 20. Juli 1944, der nach dem Willen der Verschwörer die totale Niederlage des Deutschen Reiches verhindern sollte. „Etwas hektisch ging es am Morgen zu“, weiß er, was rückblickend schon mit dem geplanten Anschlag zusammengehangen hat.
Oswald Bauernschubert war mit einer Heinkel (HE) 111, einem Flugzeug mit Platz für zehn Passagiere, in Lötzen im damaligen Ostpreußen stationiert und hatte den Befehl bekommen, Passagiere von dem 30 Kilometer entfernten Rastenburg – dies ist der Flugplatz beim Führerhauptquartier Wolfsschanze – nach Berlin Rangsdorf zu fliegen. Ein gewisser Graf von Stauffenberg sollte abgeholt werden, ein Name, der ihm bis dahin nichts sagte. Mehrmals wurde der Befehl zum Start gegeben, doch immer wieder sei dieser verschoben worden.
Schon da war Bauernschubert unfreiwillig Teil der Verschwörung geworden, denn der Auftrag, Stauffenberg in Rastenburg abzuholen, erfolgte ohne Wissen der versammelten Nazis im Hauptquartier, die sonst misstrauisch geworden wären. Bauernschubert nimmt an, dass der Auftraggeber nach dem fehlgeschlagenen Attentat dafür mit seinem Leben bezahlt hat.
Schließlich landete Bauernschubert in Rastenburg und wartete mit seiner Crew auf Stauffenberg, der in Begleitung seines Adjutanten Werner von Haeften die Maschine betrat. Bauernschuberts Platz war direkt hinter dem Cockpit. Es gehörte zu seinen Aufgaben, mit der Flugüberwachung Kontakt aufzunehmen und den Piloten mit wichtigen Daten zu versorgen.
Wenn er zurückschaute, konnte er in den Passagierraum sehen. Dies hat er auch getan, als Stauffenberg dort saß. Rückblickend sagt er, dass ihm dabei nichts Besonderes aufgefallen sei. Stauffenberg habe weder nervös noch hektisch gewirkt. Es hätte kein Indiz gegeben, dass dort jemand saß, der gerade versucht hatte, einen der größten Verbrecher der Menschheitsgeschichte zu töten.
Bauernschubert hatte als Bordfunker auch die Pflicht, das Flugbuch zu führen. Dieses Buch besitzt der rüstige Rentner heute noch. „qax Stauffenberg“ steht dort handschriftlich geschrieben, was in der Funkersprache soviel heißt wie „Stauffenberg an Bord“. 130 Minuten hat der Flug über eine Strecke von 650 Kilometer gedauert, ist im Flugbuch vermerkt. Um 13.50 Uhr war der Start, um 16 Uhr die Ankunft in Rangsdorf (Berlin).
Dass dies kein normaler Flug gewesen ist, sollte Bauernschubert unmittelbar nach der Landung erfahren. Die Crew hatte sich zur Verabschiedung der Passagiere in Reih und Glied aufgestellt, wie dies damals üblich war. Stauffenberg grüßte kurz und sei dann auf ein Empfangskomitee zugegangen, das dort auf ihn gewartet hatte. Dann hörte er die Worte, an die er sich heute noch genau erinnert: „Meine Herren, der Führer Adolf Hitler ist tot.“
Er und seine Kollegen seien da gestanden, wie vom Donner gerührt. Mehr war zu diesem Zeitpunkt nicht zu erfahren, doch im Laufe des Abends und in der drauffolgenden Nacht drangen immer mehr Informationen durch und es wurde klar, dass es eine Verschwörung gegeben hat. Auch er und die übrige Flugzeug-Crew hatten sich bei den Nazis verdächtig gemacht und seien erst einmal in den Arrest gewandert. Waren auch sie Teil der Verschwörung? Da sie aber den Flugbefehl zeigen konnten, konnten sie beweisen, dass sie nichts damit zu tun gehabt hatten. Sie konnten schon am nächsten Tag wieder nach Lötzen zurückfliegen.
Wie die Geschichte für Stauffenberg weiterging, ist bekannt. Die von Stauffenberg platzierte Bombe hatte den Diktator nicht getötet. Dies und auch das Zögern beim Auslösen von „Operation Walküre“, den vom Verschwörerkreis vorbereiteten Plänen zur Machtübernahme nach der Liquidierung Hitlers, ließen den Umsturzversuch scheitern.
Stauffenberg musste nach seiner Ankunft in Berlin feststellen, dass die ganze Aktion nur zögerlich angelaufen ist. Erst nach 16.30 Uhr gingen Befehle für den Staatsstreich hinaus, die jedoch umgehend von der Wolfsschanze widerrufen wurden. Die Gegenkräfte des Putsches errangen allmählich die Kontrolle. Gegen 23 Uhr wurde der Bendlerblock in Berlin gestürmt und die meisten der dortigen Verschwörer nach einem Schusswechsel gefangen genommen. Wenige Minuten nach Mitternacht wurden Claus Schenk Graf von Stauffenberg und Werner von Haeften erschossen.
Rückblickend ist Stauffenberg für Bauernschubert ein Held, auch wenn er zugibt, dass er dies damals noch nicht so gesehen hatte. „Wir waren ja Patrioten“, meint er. „Wir wollten nicht die Niederlage Deutschlands.“ Er glaubt, dass sich Stauffenberg sehr sicher gewesen sein muss, dass der Anschlag auf Hitler geglückt ist. „Er hätte ja nicht nach Berlin fliegen müssen“, meint er. „Er hätte mit der Pistole das Flugzeug beispielsweise ins neutrale Schweden umleiten können“, so der 90-Jährige. Da wäre ihm nichts passiert.
Bauernschubert sieht es als Stauffenbergs großen Fehler an, dass er von den zwei Sprengbomben, die er dabei hatte, nur eine scharf gemacht hat. Wenn alle beide hochgegangen wären, hätte Hitler dies nicht überlebt. Davon gehen auch Experten aus. Aufgrund der Vorverlegung der Konferenz in der Wolfsschanze wird angenommen, dass Stauffenberg in der Kürze der Zeit nur in der Lage war, eine Bombe mit den chemischen Bleistiftzündern scharf zu machen. Er entschied, die andere Sprengladung seinem Adjutanten Haeften zu übergeben, der keinen Zugang zum Hauptquartier hatte.
Hätte Stauffenberg die andere Sprengladung einfach in die Tasche dazugelegt, wäre diese auch explodiert und hätte aufgrund der größeren Wucht alle im Raum getötet, sind sich Experten sicher. So wurde Hitler nur leicht verletzt, weil er vermutlich zum Zeitpunkt der Explosion weit über das Kartenmaterial gebeugt und so sein Körper durch den schweren Eichentisch geschützt war. Vier Vertraute von Hitler erlagen ihren Verletzungen.
Für Bauernschubert ging der Krieg nach dem Anschlag weiter. Er wurde bald von der Flugbereitschaft abgezogen. Diese wurde aufgelöst, weil sie in der zusammenbrechenden Front nicht mehr gebraucht wurde. Er vermutet, dass seine Maschine zu Kampfzwecken umgerüstet wurde. Das Ende des Krieges erlebte Bauernschubert als Fallschirmjäger bei einer Einheit in Holland. Vier Monate lang war er in Kriegsgefangenschaft, dann kam er wieder zurück in den Haßgau.
Den umstrittenen Film „Operation Walküre“ mit Tom Cruise in der Hauptrolle, der Anfang dieses Jahres in die Kinos gekommen ist, hat er sich nicht angeschaut. „Interessieren tut er mich schon, aber ich bin kein Kinogänger“, sagt er. Er will warten, bis er im Fernsehen zu sehen ist.
Dafür hat er einen etwa zur gleichen Zeit gesendeten Film im Fernsehen über Stauffenberg gesehen und war beeindruckt von der Genauigkeit der Recherche. Die Flugzeiten hätten alle gestimmt, wie er noch heute in seinem Flugbuch nachweisen kann. Allerdings war das Flugzeug im Film mit einem großen Hakenkreuz versehen. „Das stimmt nicht“, sagt er. „Es war in Wahrheit ein deutsches Kreuz.“ Aber das Hakenkreuz habe wohl gut zur Dramaturgie gepasst, vermutet er.