Die Insolvenzen der Bäckerei Schlereth von Blue Protect und Kesstech innerhalb eines kurzen Zeitraums haben viele Menschen aufgeschreckt. Steckt der Mittelstand im Landkreis Haßberge zunehmend in der Krise? Wir haben die wichtigsten Informationen zusammengetragen:
Wie hat sich die Zahl der Unternehmensinsolvenzen entwickelt?
Schon in den ersten Monaten in 2025 hat die Anzahl der eröffneten Firmeninsolvenzverfahren die des Vorjahres übertroffen. Sechs Unternehmen (Stand: 16. April 2025) waren laut dem Bekanntmachungsportal der Justiz betroffen, vier waren es im gesamten Jahr 2024. Die Bäckerei Schlereth ist dabei noch gar nicht einberechnet.
Besonders deutlich legte die Zahl der eröffneten Insolvenzverfahren nach der Corona-Pandemie zu, von einem Konkurs im Jahr 2021 auf zehn in 2022. Allerdings lässt sich der große Sprung auch durch eine Kettenpleite von fünf Firmen erklären, die einem einzigen Unternehmer zuzuschreiben waren.

Grundsätzlich gilt: Der beschriebene Trend ist nicht nur im Kreis Haßberge zu beobachten. In Bayern lag die Zahl der Unternehmensinsolvenzen im vergangenen Jahr bei 2995 Verfahren, so das Landesamt für Statistik. Der Anstieg sei mit 18,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr überdurchschnittlich. Zur Einordnung: Diese Zahlen sind mit den eingangs beschriebenen Daten aus dem Bekanntmachungsportal für den Kreis Haßberge nicht direkt vergleichbar, sie deuten jedoch auf eine Entwicklung hin.
Wie sehen Unternehmer und Experten die Entwicklung?
Von Unternehmerseite ist man mit einer Bewertung der Daten vorsichtig. So ist es laut Industrie- und Handelskammer (IHK) Würzburg-Schweinfurt "noch schwer einschätzbar, ob es sich bei den regionalen Zahlen nur um Schwankungen handelt oder sich echte Trends abzeichnen." Bei der Interpretation der Insolvenzstatistik müssten Nachholeffekte aus den Corona-Jahren berücksichtigt werden, in denen sich sogenannte "Zombie-Unternehmen" durch staatliche Hilfen am Leben gehalten hätten.
Aber: Nicht jede vermeintliche Pleite führe am Ende auch zu einer Liquidierung des Unternehmens, so die IHK weiter. Einigen Firmen ermögliche das Insolvenzverfahren, "gestärkt und zukunftsfähiger" aus einer Krise hervorzugehen. Auf diesen Pfaden etwa wandelt Kesstech aus Theres gerade. Beim Hersteller für Mororradauspuffanlagen versucht man seit Beginn dieses Jahres, sich mit einer Insolvenz in Eigenverwaltung neu aufzustellen.

Eine Insolvenzwelle sieht Michael Brehm, Wirtschaftsförderer im Landkreis Haßberge, nicht auf den Landkreis zurollen. Noch sei eine deutliche Zunahme der Firmenpleiten nicht spürbar. "Die Betonung liegt allerdings auf 'bis jetzt'", so Brehm. Denn vom Zeitraum der negativen Geschäfts- und Auftragslage bis zum finalen Gang zum Insolvenzgericht könnten "einige Jahre ins Land ziehen". Dass nach der Pandemie und der Energiekrise, dem weiter andauernden Ukrainekrieg und dem nun aufkommenden Zollkonflikt mit den USA die Zeiten für die deutschen Firmen wohl nicht rosiger werden dürften, sieht auch der Wirtschaftsförderer.
Ist der Mittelstand im Landkreis Haßberge in Gefahr?
"Im Vergleich nicht mehr und weniger als anderswo", so die Einschätzung von Michael Brehm. Eine Strukturschwäche, die dem Mittelstand in den kommenden Jahren zum Nachteil gereichen könnte, will der Wirtschaftsförderer im Landkreis Haßberge nicht erkennen. Als belegt führt er "ein breites Spektrum an innovativen klein- und mittelständischen Betrieben" an. Zudem stimme ihn optimistisch, dass die Zahl der Gewerbean- und abmeldungen "relativ stabil" bleibe.
Doch Brehm weiß aus Erfahrung, dass "viele kleinere, inhabergeführte Betriebe möglichst lange versuchen, das Leck im Rumpf zu stopfen." Mit privatem Kapitaleinsatz oder mit Krediten. Was gut gemeint sei, habe am Ende zum Ergebnis, dass das Schiff nur langsamer sinke. Was ihm Sorgen bereite, sei die Tatsache, dass die großen, börsenorientierte Unternehmen sofort staatliche Hilfe bekämen, im Gegensatz zu den kleinen Betrieben.
"Viele kleinere, inhabergeführten Betriebe versuchen möglichst lange, das Leck im Rumpf zu stopfen."
Michael Brehm, Wirtschaftsförderer Landkreis Haßberge
Bei der IHK spricht man mit Blick auf die Konjunkturlage von "wenig euphorischen Aussichten". So erscheine angesichts der "nach wie vor ungünstigen Rahmenbedingungen" – der Verband zählt hierzu auch die überbordende Bürokratie und langwierige Genehmigungsverfahren – eine schnelle Änderung der wirtschaftlichen Lage "eher unwahrscheinlich". Eine tatsächliche Antwort, ob sie den Mittelstand im Landkreis Haßberge in Gefahr sieht, liefert die IHK nicht. Das "schwierige wirtschaftliche Umfeld" belaste vielmehr alle Unternehmen – und das landkreisunabhängig.
Deutlich positiver klingt man bei der Handwerkskammer Unterfranken: So zeige sich "die konjunkturelle Lage der Handwerksbetriebe im Landkreis Haßberge wie auch in der gesamten Region Unterfranken in Gänze stabil", trotz der "herausfordernder Rahmenbedingungen". Die Rede ist von einer "starken Resilienz". Eine Insolvenzwelle im regionalen Handwerk sei nicht zu beobachten.
Was kann der Landkreis gegen diese Entwicklung tun?
"Man kann nie genug tun. Es geht immer noch mehr", schreibt Wirtschaftsförderer Michael Brehm auf Nachfrage. Etwa bei den Rahmenbedingungen, die der Landkreis und die Kommunen beeinflussen können. Brehm zählt auf: eine ordentliche Infrastruktur, Gewerbeflächen, breite Bildungsangebote, Unterstützung bei der Fach- und Arbeitskräfteakquise. Hinzu käme: Beratung, Vermittlung und die Bereitstellung des Netzwerks. "Die Frage, ob wir das Richtige gemacht und genug getan haben, kann Ihnen nur die Unternehmerschaft selbst beantworten", so Brehm.
Tatsächlich stoßen die Kreise und Kommunen bei dem Bedarf der Unternehmen an ihre Grenzen. So spricht die IHK vor allem von Entlastungen bei Energiekosten, Steuern und Bürokratie sowie schnelleren Genehmigungs- und Planungsverfahren. Dinge, die vor allem von der großen Politik auf Bundes- und Landesebene bewegt werden können. Und auch die HWK fordert unter anderem "Investitionen in Infrastruktur, Bildungseinrichtungen, Digitalisierung und klimafreundliche Technologien".
Zustandekommen der ZahlenDie in dem Artikel zusammengestellten Zahlen stammen aus dem Portal "Insolvenzbekanntmachungen" der Justiz. Als Suchparameter wurde unter "Gegenstand der Veröffentlichung" die Rubrik "Eröffnungen" gewählt. Es handelt sich also um Insolvenzverfahren, die bis zum 16. April 2025 am Amtsgericht Bamberg eröffnet wurden. Berücksichtigt wurden Unternehmen, die im Handelsregister A und B registriert sind. lre